Fehlende Gelder:Tausend Tiere suchen ein Zuhause

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Womöglich müssen die Tiere bald woanders untergebracht werden: Der Reptilienauffangstation droht die Insolvenz. (Foto: Robert Haas)
  • Die Reptilienauffangstation in München hat offenbar große Geldsorgen.
  • Um ein Grundstück für einen Neubau zu erschließen, ist der Trägerverein Verpflichtungen in Höhe von 150 000 Euro eingegangen.
  • Doch die Gelder, die der Verein vom Freistaat erwartet hatte, werden nicht kommen.

Von Jakob Wetzel

Es droht offenbar die Insolvenz: Die Münchner Auffangstation für Reptilien an der Kaulbachstraße fürchtet um ihre Zukunft. Um ein Grundstück für einen Neubau zu erschließen, ist der Trägerverein nach eigenen Angaben Verpflichtungen in Höhe von 150 000 Euro eingegangen, weil er dabei fest mit finanzieller Unterstützung des Freistaats rechnete - "aufgrund der bisherigen, vermeintlich gut verlaufenden Gespräche", wie es in einer Mitteilung heißt.

Doch staatliche Unterstützung für den Bau wird es zumindest 2016 nicht geben - und der Verein fühlt sich von der Staatsregierung im Stich gelassen, genauer: vom zuständigen Umweltministerium. Dieses weist die Vorwürfe zurück.

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15 Arbeitsplätze sind gefährdet

Fakt ist: Im Entwurf für den Nachtragshaushalt 2016 ist kein Geld für das Projekt vorgesehen; die Verhandlungen sind laut Ministerium abgeschlossen. Die Auffangstation sieht sich damit in akuter Not: Langfristig könne man mit anderen Geldgebern planen, sagt der Sprecher der Station Patrick Boncourt. Die Kosten für die Erschließung aber würden bis März, April fällig. Sollte sich das Geld bis dahin nicht auftreiben lassen, etwa durch Spenden, müsse der Verein Insolvenz anmelden.

Damit wäre nicht nur der Neubau gefährdet, sondern auch die bestehende Einrichtung mit 15 Arbeitsplätzen und mehr als 1000 beherbergten Tieren. Bei einer Schließung müsse man diese "wohl oder übel dem Bayerischen Freistaat übereignen", teilt der Verein mit. Vom Ministerium heißt es, man suche "auch nach längerfristigen Unterbringungsmöglichkeiten in Zoos und anderen Einrichtungen", um die "aktuelle Situation" in der Station zu verbessern.

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Eine Verantwortung für deren Notlage weist das Umweltministerium aber von sich. "Dem Trägerverein wurde zu keinem Zeitpunkt eine Förderung seines beabsichtigten Bauvorhabens in Aussicht gestellt", sagt ein Sprecher. In den Haushalt sei das Geld auch wegen "zahlreicher klärungsbedürftiger Fragen" nicht aufgenommen worden. Im Frühjahr hätten sich zwar Abgeordnete der Landtagsfraktionen für den Bau ausgesprochen, hätten dabei aber mit "deutlich geringeren Kosten" gerechnet.

Der Verein hat keine eigenen Rücklagen

Die Auffangstation beziffert diese Kosten mit 25 Millionen Euro; dass die Summe "nicht unerheblich" sein würde, sei allen Beteiligten bewusst gewesen, heißt es aus der Station. "Wir haben unser Projekt immer wieder intensiv mit der Staatsregierung besprochen", sagt Boncourt. Dabei habe es stets geheißen, der Freistaat könne zwar kein Grundstück zur Verfügung stellen, werde aber mit Geld helfen. "Für uns hieß das: Besorgt euch ein Grundstück, dann sehen wir weiter. Genau das haben wir getan."

Eigene Rücklagen habe der Verein nicht; er sei ja gemeinnützig. Bezahlt werden soll ein Neubau im Süden von Neufahrn, unmittelbar neben einem geplanten Tierheim des Freisinger Tierschutzvereins. Auf einem 20 000 Quadratmeter großen Areal soll eine Auffangstation mit "Tierschutz-Zoo" für Besucher entstehen. Bisher nutzt der Verein Räume der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) an der Kaulbachstraße, die sie aber über kurz oder lang räumen muss.

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Die Auffangstation für Reptilien ist aus einer Privatinitiative unter LMU-Mitarbeitern und Studierenden in den Neunzigerjahren entstanden. Sie wollten exotische Tiere versorgen, die gefunden, beschlagnahmt oder nach einer Behandlung nicht mehr abgeholt wurden, und versuchten, sie weiterzuvermitteln. Als deren Zahl immer mehr zunahm, gründete sich 2001 ein gemeinnütziger Verein, um die Arbeit zu koordinieren; die 15 fest Beschäftigten werden heute von mehreren Dutzend Ehrenamtlichen unterstützt. Derzeit betreibt der Verein nach eigenen Angaben mit jährlich etwa 1200 aufgenommenen Schildkröten, Schlangen, Echsen, Fischen und anderen Tieren Deutschlands größte Auffangstation für exotische Haustiere.

Die Tiere würden zum Teil auch von Privatleuten gebracht, sagt Boncourt. "Größter Kunde" aber sei der Freistaat: Die Polizei liefere Tiere ab, die aus Tier- und Artenschutz- oder auch aus Sicherheitsgründen beschlagnahmt wurden. Der Freistaat fördert die Auffangstation mit jährlich derzeit 331 000 Euro. Manche Tiere kommen auch aus anderen Bundesländern: In diesem Jahr nahm die Station etwa einen Zirkus-Alligator aus Baden-Württemberg auf, der nicht sicher genug gehalten worden war.

© SZ vom 08.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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