Fahrradkurse für Erwachsene:Wenn Mama radeln lernt

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Fahrradkurs für Erwachsene beim ADFC München: Kursleiter Ursula Decker (59 Jahre, rechts) und ihr Ehemann Philipp Decker (69 Jahre, links) helfen einer Teilnehmerin beim Aufsteigen. (Foto: Beate Wild)

Erwachsene, die nicht Radfahren können, müssen sich oft unangenehme Sprüche anhören - und schämen sich dafür. Beim Fahrradclub ADFC können auch Interessierte im fortgeschrittenen Alter noch das Radeln lernen. Ein Besuch bei einem Anfängerkurs.

Von Beate Wild

Es gibt eine Bitte, die Kim ihren Kindern bislang immer ausschlagen musste. Bei dem Wunsch "Komm' Mama, lass uns eine Radltour machen" muss die Mutter zweier Grundschulkinder stets passen. Sie ist noch nie in ihrem Leben Fahrrad gefahren. Sie kann es einfach nicht, im Gegensatz zu ihren Kindern. Doch das soll sich nun ändern. Kim, die ihren echten Namen wie alle anderen Kurzteilnehmer lieber nicht in der Zeitung lesen will, hat sich beim Fahrradkurs für Erwachsene angemeldet. Jedes Jahr veranstaltet der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) auch in München mehrere Kurse, in denen auch längst Volljährige lernen können, sich mit einem Drahtesel fortzubewegen.

"Ich habe es natürlich schon mal probiert, mein Mann wollte es mir beibringen", sagt Kim. Doch sie konnte weder richtig das Gleichgewicht halten noch kam sie mit dem Bremsen zurecht. Irgendwann hat sie dann aufgegeben. Doch nun, wo der Sommer kommt, will auch Kim endlich mit ihrer Familie Radlausflüge machen. "Ich will das jetzt unbedingt lernen", sagt sie entschlossen.

Ursula (59 Jahre) und Philipp Decker (69 Jahre) leiten den Kurs, in dem Kim teilnimmt. Schon seit 2007 engagiert sich das Ehepaar ehrenamtlich beim ADFC, um Radlwilligen das Fahren beizubringen. In der ersten Unterrichtsstunde haben sich sechs Frauen in der ADFC Geschäftsstelle in der Platenstraße 4 eingefunden. "Es kommen fast immer nur Frauen", sagt Ursula Decker. Es gebe selten Männer, die nicht radeln können. Und diejenigen, die es nicht könnten, seien meist zu stolz für einen Kurs.

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"Es gibt viele Gründe, warum Erwachsene nicht Fahrrad fahren können", erklärt Philipp Decker. Manche hatte nie die Gelegenheit dazu, andere wieder sind überängstlich. Je älter die Nichtfahrer werden, desto schwieriger ist es für sie, die Hemmschwelle zu überwinden und das Radfahren doch noch zu lernen. Viele schämen sich für ihre Unkenntnisse und haben Angst. "Außerdem gibt es Kulturkreise, in denen Fahrradfahren für Frauen verboten oder verpönt sind", sagt er. Da würden der Mann und die Söhne ganz selbstverständlich radeln, nur für die Ehefrau sei diese Art von Fortbewegung nicht vorgesehen.

Auch für die junge Türkin Canan war Rad fahren bislang kein Thema. Nicht, weil man es ihr verboten hätte, sondern weil es bei ihrem kulturellen Hintergrund einfach nicht üblich ist. Ihr Mann hat mit ihr auch schon geübt - jedoch vergeblich. "Ich kann einfach nicht das Gleichgewicht halten, ich habe Angst", sagt sie. Nachdem vor kurzem ihr erstes Baby zur Welt kam, hat sich die junge Mutter aber vorgenommen, das Thema Fahrrad fahren nun endgültig in Angriff zu nehmen. "Bis dein Kind in ein paar Jahren anfängt zu radeln, kannst du es längst", macht ihr Ursula Decker Mut. Canan lacht zuversichtlich.

Nach einer kleinen Einführungsrunde im Kursraum geht es dann auch schon zur ersten Praxisstunde auf die Theresienwiese. Am Anfang sollen die Teilnehmerinnen auf Klapprädern, an denen die Pedale abgeschraubt sind, einfach nur lernen zu rollern und dabei das Gleichgewicht zu halten. Für manch eine ist das beschwerlicher als gedacht. Für die 40-jährige Elena, die zusammen mit ihrer Mutter an dem Kurs teilnimmt, ist die erste Übung richtig anstrengend. "Dass es so schwer ist, hätte ich nie gedacht", sagt sie mit hochrotem Kopf. Auch die anderen Frauen sind nach der ersten Stunde schon etwas erschöpft.

Kursleiter Ursula Decker und ihr Ehemann Philipp Decker lernen Interessierten seit 2007 das Fahrrad fahren - mit viel Geduld und Humor. (Foto: Beate Wild)

"Macht ruhig eine kleine Pause, wenn es euch zu viel ist", ruft Philipp Decker. Es müsse schließlich gewährleistet sein, dass sich alle Teilnehmerinnen dem Radfahren ohne Angst und Druck nähern können, erklärt er. Wenn mit dem Rollern das Gleichgewicht geschult ist, geht es in den nächsten Kursstunden weiter mit Auf- und Absteigen, Bremsen, Ausweichen und Schalten. Am Ende des Kurses sind alle Radlanfänger soweit, gemeinsam eine kleine Tour zu machen. Die Krönung für die Fahrradneulinge.

Und was ist mit dem Verhalten im Straßenverkehr? Wird das auch geschult? Philipp Decker lacht: "Witzigerweise ist das fast nie ein Problem, denn die meisten Teilnehmer haben bereits einen Autoführerschein."

Ein Kurs besteht aus acht Unterrichtseinheiten à zweieinhalb Stunden und kostet 60 Euro. Interessierte können sich informieren unter www.adfc-muenchen.de

© SZ vom 20.4.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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