Erotische Massagestudios:Entspannung im Sperrbezirk

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Gerhard Mühlbauer und Elvira Malinovskaa bieten seit Jahren Tantra-Massagen an. Sie sind nicht nur Geschäftspartner, sondern auch privat ein Paar. (Foto: Robert Haas)

Eine jahrtausendealte indische Entspannungstherapie ist auch in Bayern angekommen. Doch bietet Tantra sexuelle Befriedigung wie ein Bordell? Umstritten, auch nach diversen Gerichtsurteilen. Besuch in einer Münchner Praxis.

Von Anna Fischhaber

Bunte Tücher verhüllen die Fenster, überall stehen indische Götterstatuen, in der Luft liegt Räucherstäbchenduft: Die Praxis erinnert an ein Yogastudio. An der Wand allerdings hängen intime Fotos. Federn sind zu sehen und viel nackte Haut. Zumindest so viel, dass man sich den Arbeitsalltag von Gerhard Mühlbauer und seiner Geschäftspartnerin und Lebensgefährtin Elvira Malinovskaa vorstellen kann. Bei der Tantra-Massage sind nicht nur die Kunden, sondern auch die Masseure nackt. Und genau hier liegt das Problem.

Für Behörden und für die Polizei, die das Tantra-Institut als Prostitutionsbetrieb einstuften. Und für Mühlbauer und seine Partnerin, die jahrelang am Rande der Legalität gearbeitet haben. Schließlich wurde ihre Praxis sogar verboten. Erst seitdem sie erfolgreich gegen den Freistaat Bayern geklagt haben, können die beiden in Ruhe arbeiten.

Mühlbauer, 50, hat einst Theologie studiert, war katholischer Pfarrer in Franken, bis er merkte, dass er mit dem Zölibat nicht leben will. Fast 20 Jahre ist das her. Er machte eine Therapeutenausbildung, arbeitete einige Jahre als Sozialarbeiter in einer Suchthilfe. Heute ist er freier Theologe, Therapeut und Tantra-Masseur. "Tantra ist die einzige Therapieform, die mit dem Körper und der Sexualität direkt arbeitet", sagt Mühlbauer.

Sexuelle Befriedigung - Ja oder Nein?

Eigentlich ist Tantra eine jahrtausendalte indische Tradition. Den Tantrikern von damals ging es um die Ausschaltung böser Geister, um göttliche Energie. In den Sechzigerjahren etablierten sich Tantra-Schulen auch im Westen. Hier konzentriert man sich hauptsächlich auf Massagen, die den Intimbereich mit einschließen. Aber bietet eine Tantra-Praxis damit eine sexuelle Dienstleistung wie ein Bordell? Nein, sagt Mühlbauer. Natürlich werde ein Bedürfnis nach Berührung gestillt, aber die sexuelle Befriedigung stehe eben nicht an erster Stelle. Ja, entschied gerade ein Gericht in Stuttgart. Dort muss eine Masseurin deshalb Sexsteuer zahlen.

Gerichtsurteil
:Tantra-Masseurin muss Sexsteuer zahlen

Nicht nur Wellness, sondern ein Sexerlebnis: Weil Tantra-Massagen nach Auffassung eines Gerichts mehr als ein ganzheitliches Sinnerlebnis sind, scheitert eine Masseurin mit ihrer Klage gegen die Sexsteuer. Nun zieht sie weitere Schritte in Erwägung.

In Bayern sieht man das ähnlich. Die Tantra-Massage gilt als "sexuelle Handlung gegen Entgelt", für die die gleichen Bestimmungen gelten wie bei Prostitution, erfährt man beim Polizeipräsidium München. Natürlich laufe es in einer Tantra-Praxis anders ab als im Bordell, sagt ein Sprecher. Aber es könne eben auch zum Orgasmus kommen. Masseure müssen sich bei der Polizei registrieren. Praxen sind im Sperrbezirk, also etwa in der Münchner Innenstadt oder in Wohngebieten, nicht erlaubt. Wie Bordelle sollen sie sich im Rotlichtmilieu niederlassen.

Mühlbauer und seine Partnerin wollten das nicht so hinnehmen. "Viele erotische Massagestudios werben mit Tantra, haben aber gar keinen Bezug zur tantrischen Heilarbeit", sagt der 50-Jährige. Seit drei Jahren betreibt er in der Nähe des Riemer S-Bahnhofs, aber jenseits der Stadtgrenze auf Aschheimer Gebiet mit Malinovskaa die Praxis. Wie in allen Gemeinden mit weniger als 30 000 Einwohnern ist hier jedoch Prostitution grundsätzlich verboten. Aber stört die Praxis wirklich? Vor der Tür gehen schließlich keine leichtbekleideten Frauen auf Freiersuche. Hier steht nur eine haushohe nackte Männerstatue in Gold - doch die wirbt für die Eventfirma nebenan.

Kurz nach Eröffnung stand zum ersten Mal die Sittenpolizei vor der Tür, um die Personalien zu kontrollieren. Nach einer Anzeige der Polizei begann auch das Landratsamt München zu ermitteln. "Wir hatten zunächst den Eindruck, dass es sich nicht um Prostitution handelt", heißt es bei der Behörde. Dann jedoch seien neue Hinweise eingegangen - und das Landratsamt untersagte den Betrieb. Man habe sich an den Bildern auf der Website gestört, erklärt eine Sprecherin. Inzwischen sind dort keine intimen Fotos mehr zu sehen.

Das Landratsamt habe sich nicht recht entscheiden können, sagt dagegen Mühlbauer. "Wir wurden hin- und hergeworfen wie ein Spielball. Die Unsicherheit bis hin zu dem Verbot war eine ständige Bedrohung unserer beruflichen Existenz." Wenn er von den Besuchen der Polizei erzählt, wird er wütend. Der Mann mit der bedächtigen Sprechweise und den nackten Füßen redet nun lauter. "Warum muss man uns kriminalisieren, uns an der Arbeit hindern?", fragt Mühlbauer. In der Sauna begegne man sich schließlich auch nackt - und falle deshalb nicht übereinander her.

Viele Kollegen von Mühlbauer sind inzwischen abgewandert. "Weil sie hier überwacht und gegängelt wurden", sagt der 50-Jährige. Mühlbauer und seine Partnerin blieben und reichten Klage beim Verwaltungsgericht München ein. In anderen Bundesländern reagierten Kollegen oft verwundert, wenn sie hörten, wie streng es hier zugeht, sagt auch Pamela Behnke vom Tantra-Massage-Verband. Während es in Berlin und in Köln zahlreiche seriöse Praxen gebe, fällt ihr im Raum München nur die Praxis von Mühlbauer und Malinovskaa ein.

"Orgasmus kein Ziel der Massage"

Hierher kommen vor allem Paare. Manche Kunden haben körperliche Probleme, anderen fehlt es an Erfahrung. Wieder andere wollen sich einfach nur entspannen. Zu jeder Massage gibt es Vor- und Nachgespräche. Mindestens 90 Minuten dauert eine Sitzung. Kosten: ab 170 Euro. Und was, wenn Kunden kommen, die eben doch nur Sex wollen? Das komme sehr selten vor, sagt Mühlbauer und verweist auf seine Internetseite. Seitenlang werden hier Fragen zum Tantra beantwortet. "Orgasmus ist kein Ziel der Massage", steht dort. Und: "Wenn du versucht sein solltest, uns zu berühren, zu streicheln oder zu grapschen, so müssen wir dir leider unsere Grenzen zeigen." Ziemlich eindeutig eigentlich.

Doch das Verwaltungsgericht München interessiert sich - anders als das Gericht in Stuttgart - gar nicht dafür, welche Art von Behandlung denn nun in der Tantra-Praxis stattfindet. Entscheidend sei nur, wie das Institut in Erscheinung trete. Und ob die öffentliche Ordnung gestört werde. Und das sei nicht der Fall. Zu einem Urteil kommt es nicht. Das Landratsamt München zieht daraufhin das Verbot zurück. "Die Polizeikontrollen allerdings gingen weiter. Erst nach einer weiteren Klageandrohung können wir jetzt ungestört arbeiten", erzählt Mühlbauer.

Seit kurzem bieten er und Malinovskaa ihre Massage ganz legal an. "Tantra ist endlich in Bayern angekommen", sagt Mühlbauer. Beim Landratsamt München formuliert man es ein wenig vorsichtiger. Dort heißt es: Sollte sich an der Behandlungspraxis des Tantra-Instituts nichts geändert haben, entspricht der Betrieb den gesetzlichen Voraussetzungen.

© SZ vom 03.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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