Landshut:Erdinger Frauenarzt erneut wegen Totschlags vor Gericht

Neuer Prozess wegen Totschlags gegen Frauenarzt

Der wegen Totschlags angeklagte Frauenarzt Michael B. (2. v. r) im Landgericht Landshut zwischen seinen drei Verteidigern Matthias Schütrumpf (r.), Maximililan Müller (l.) und Florian Opper.

(Foto: Armin Weigel/dpa)
  • Der Angeklagte Michael B. beteuert auch in der zweiten Verhandlung gegen ihn seine Unschuld im Fall seiner 2013 ermordeten Ehefrau.
  • Im Januar 2015 war B. freigesprochen worden, der Bundesgerichtshof hatte den Freispruch jedoch aufgehoben.
  • Da bei der Spurensicherung am Tatort Fehler gemacht wurden, beginnt ein komplizierter Indizienprozess.

Von Florian Tempel, Landshut

Der Angeklagte Michael B. scheint sich nur in einem Punkt geändert zu haben: Er hat seinen Schnurrbart abrasiert. Ansonsten verblüffte er beim Prozessauftakt in Landshut - wo nach der Aufhebung seines Freispruchs durch den Bundesgerichtshof (BGH) zum zweiten Mal gegen ihn wegen Totschlags an seiner Ehefrau verhandelt wird - wieder mit seinem außergewöhnlich selbstbeherrschten Auftreten. Genauso ruhig, eloquent und langatmig wie vor zweieinhalb Jahren legte er erneut seine Sicht der Dinge dar.

Demnach ist er nicht nur vollkommen unschuldig und hat nichts mit dem Tod seiner Frau zu tun. Die 60-Jährige wurde am 4. Dezember 2013 im Bad des von ihr und dem Angeklagten gemieteten Reihenhauses im Erdinger Stadtteil Pretzen erst brutal verprügelt und dann erwürgt. Michael B. versuchte mit seiner Darstellung der privaten Vorgeschichte auch den neuen Richtern klar zu machen, dass er gewissermaßen der letzte Mensch auf Erden wäre, der seiner geliebte Frau etwas hätte antun können.

Die drei Berufsrichter und die zwei Schöffen der 6. Strafkammer des Landgerichts Landshut haben keine leichte Aufgabe. Da bei der Spurensicherung und den ersten Ermittlungen nach dem gewaltsamen Tod der Ehefrau nicht wenige Fehler gemacht wurden, gibt es keine handfesten Beweise, die mit unbestreitbarer Objektivität gegen den Angeklagten sprächen. Es wird also ein komplizierter Indizienprozess, eben genauso wie beim ersten Durchgang. Erschwert wird das Ganze aber nunmehr dadurch, dass der im Januar 2015 erfolgte Freispruch vom BGH einkassiert worden ist.

Die neuen Richter müssen sich aber davon frei machen, dass der BGH ein anderes Urteil als einen Freispruch erwarte. Rechtsanwalt Maximilian Müller, einer der drei Verteidiger, betonte das ausdrücklich und vorsorglich. Der BGH habe mit seiner Entscheidung nicht gesagt, dass der erste Freispruch ein Fehlurteil gewesen wäre. Nur die schriftliche Begründung des Freispruchs wäre nicht ganz richtig gewesen. Verteidiger Müller sagte außerdem, dass sein Mandant nicht nach Chile geflüchtet sei. Er sei ins Ausland gegangen, weil er nach dem spektakulären Prozess in Deutschland keine berufliche Perspektive mehr gehabt habe.

Nach der Erklärung seines Verteidigers sprach der Angeklagte selbst. Der Vorsitzende Richter Ralph Reiter wollte von ihm seine Vorgeschichte und natürlich seine Darstellung des Tattags hören. Michael B. nutzte diese Möglichkeit mit viel Umsicht. Wie er auf die Fragen des Gerichts antwortete, wie er sein Leben und seinen beruflichen Werdegang, seine erste und seine zweite Ehe schilderte, das hatte auf alle Fälle große Stringenz.

Der Angeklagte zeichnet von sich das Bild eines gutmütigen und besonnenen Menschen, dem Eintracht und Harmonie im Leben sehr viel bedeute. Seine erste Ehe sei am übertriebenen Ehrgeiz und dem cholerischen Wesen seiner ersten Ehefrau zerbrochen. Sie habe es auch zu verantworten, dass er und seine vier leiblichen Kinder jahrelang keinen Kontakt mehr hatten. Mit seiner zweiten Ehefrau, die er als seine Sekretärin kennen lernte, habe ihn hingegen eine "Seelenverwandtschaft" verbunden. Auch mit den zwei Kindern aus ihrer ersten Ehe habe er "eine sehr schöne, filigrane Beziehung aufgebaut".

Er habe seiner zweiten Frau so sehr vertraut, dass er ihr fast eine Million Euro überschrieb. Dass er ihre Kinder adoptierte und seine eigenen enterbte, gehörte irgendwie auch dazu. Dass seine Frau alkoholabhängig war, habe er erst wenige Tage vor ihrem Tod erfahren: "Ich habe sie nie betrunken erlebt." Aber auch das sei dann kein Streitthema gewesen. Er habe ihr am Vormittag des Tattages, wenige Stunden vor ihrem Tod ganz ruhig erklärt, was gegen den Alkoholismus zu tun sein - im schlimmsten Fall eine "Verhaltenstherapie in einer psychosomatischen Klinik" - und sie habe das "absolut verständnisvoll" akzeptiert.

Ein Rechtsmediziner hat festgestellt, dass die Getötete in den Stunden vor ihrem Tod etwa eine Flasche Schnaps getrunken haben muss. Der Prozess dauert an.

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