Landgericht Landshut:Rechtsanwalt und Dealer

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Ein 32 Jahre alter Jurist aus Erding muss sich wegen Drogenhandels verantworten. Der Sohn heroinsüchtiger Eltern hat den Kauf und Verkauf von Kokain und Amphetamin im Wert von etwa 100 000 Euro gestanden

Von Florian Tempel, Landshut

Sein Spitzname in der Drogenszene war "der Anwalt meines Vertrauens". Tatsächlich arbeitete der 32-jährige Erdinger tagsüber in einer Münchner Kanzlei als Rechtsanwalt und dealte nach Feierabend von zu Hause aus mit Kokain und Amphetamin. Ein Polizeispitzel informierte vor einem Jahr die Kripo über den dealenden Volljuristen und brachte so die Ermittlungen gegen ihn in Gang. Im Prozess am Landgericht Landshut werden ihm nun der Kauf und Verkauf von Drogen im Wert von ungefähr 100 000 Euro vorgeworfen.

In einem juristischen Deal gleich zu Beginn des Prozesses einigten sich die Staatsanwältin, der Verteidiger und das Gericht bereits darauf, dass der 32-Jährige bei einem Geständnis zu nicht mehr als vier Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt wird. Der Angeklagte war damit einverstanden und legte über seinen Verteidiger Peter Witting ein weitgehendes Geständnis ab. Ein paar Mengenangaben zu einzelnen Drogendeals wurden geändert und ein Fall, der nur schwierig zu beweisen gewesen wäre, ganz eingestellt. "Im Endeffekt", sagte der Vorsitzende Richter Ralph Reiter, komme es darauf nicht wesentlich an. Wichtig sei auch, dem Angeklagten "eine Perspektive zu lassen". Dieser sagte, er wolle "wirklich einen Cut machen", die Chance einer Langzeittherapie statt Knast nutzen und endlich von den Drogen wegkommen. Rauschgift begleitet ihn bereits sei ganzes Leben, denn er ist der Sohn drogensüchtiger Eltern.

Seine Mutter und sein Vater "waren oder sind heroinabhängige" berichtete der Angeklagte, momentan seien sie in Substitutionsprogrammen. Seine Eltern trennten sich, als er noch ein Kleinkind war. Der neue Partner seiner Mutter, der für den Angeklagten bis zu seinem 13. Lebensjahr "der Vaterersatz war", war aber ebenfalls opiatabhängig. Sowohl sein leiblicher Vater wie sein Stiefvater wurden durch ihre Drogensucht straffällig und mussten für jeweils mehrere Jahre ins Gefängnis. Bei ihm sei es nun nicht anders und er sei somit der traurige Beweis dafür, sagte der Angeklagte, "dass aus einem Kind von Drogensüchtigen nichts werden kann". Er stehe vor einem zerstörten Leben. Seine Freundin habe ihn verlassen, seine Wohnung und sein Job sind weg, er werde auch seine Zulassung als Rechtsanwalt verlieren. Und nach knapp acht Monaten in Untersuchungshaft sei er psychisch "fix und fertig".

Seine Drogenkarriere habe im Alter von etwa 13 Jahren mit viel Alkohol und wenig Marihuana begonnen. Ab dem 17. Lebensjahr habe er vor allem Speed und Ecstasy konsumiert, "Feiern und Drogen" seien zu seinem Lebensinhalt geworden. Nach schulischen Problemen finanzierten ihm seine wohlhabenden Großeltern eine Privatschule, an der er mit 21 Jahren das Abitur machte. Er schrieb sich zunächst für ein technisches Studium ein, schwenkte nach einem Jahr aber auf Jura um. Sein Referendariat absolvierte er bei der Staatsanwaltschaft Landshut - die ihn nun angeklagt hat.

Mit etwa 25 Jahren habe er begonnen, täglich Kokain zu konsumieren, so wie sein ganzer Freundeskreis. Der habe aus "vielen Selbständigen mit eigener Firma" bestanden, die sich das teure Rauschgift leisten konnten. Als Kind von Drogenabhängigen sei er dafür "sehr leicht an Drogen gekommen", zu günstigen Preisen und großen Mengen.

Nachdem ein Polizeispitzel die Kripo auf ihn aufmerksam gemacht hatte, wurde der Angeklagte monatelang abgehört und observiert. Durch die Auswertungs eines Smartphones nach seiner Verhaftung ließ sich seine Dealertätigkeit relativ klar nachvollziehen: Sein Lieferant saß in Aachen und besorgte das Rauschgift aus den Niederlanden. Alle vier Wochen schickte er 20 bis 100 Gramm Kokain - Codename "Champagner" -, alle drei bis vier Monate ein Kilo Amphetamin vulgo "Speck" nach Erding. Das Rauschgift kam in vermeintlichen Amazon-Päckchen, die an die Adresse seiner Mutter geliefert wurden. Die Polizei fand bei einer Wohnungsdurchsuchung bei der Mutter 25 Gramm Kokain und 28 Gramm Amphetamin. Die Drogen waren unter anderem in einer ausgehöhlten Packung Toastbrot versteckt. Der Angeklagte schickte zur Bezahlung seines Lieferanten Bargeld in Päckchen zurück nach Aachen. Von seiner Wohnung aus verkaufte er dann in Erding und München die Drogen in kleinen Mengen. Die Polizei identifizierte ein Dutzend Abnehmer. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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