Erding:Dann doch lieber Opposition

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Der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Toni Hofreiter, berichtet über "Quatschverhandlungen" mit CDU und CSU, referiert über aktuelle politische Themen und formuliert die Positionen seiner Partei

Von Florian Tempel

Auch nach zwei Stunden über die Rolle der Opposition, Verkehrspolitik, Energiewende, Rente, Europa, Freihandelsabkommen und Bundeswehreinsätze hätte Toni Hofreiter sicher noch weiter reden können. Als Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag muss der 44-Jährige zu jedem aktuellen politischen Thema eine Meinung haben. Seine etwa 60 Zuhörer, die ihm am Dienstagabend in einem faden Kellersaal im Hotel Henry lauschten, durften zufrieden sein. Hofreiter bezog klare Positionen, die er stets mit grünen Argumenten untermauerte, und sparte nicht mit Kritik an der schwarz-roten Bundesregierung. Nach zwei Stunden entließ ihn sein Publikum dann aber doch, damit er noch die S-Bahn um 22.38 Uhr erreichen konnte. Einmal umsteigen am Ostbahnhof, ab nach Hause nach Oberhaching.

In Berlin ist Hofreiter neben seiner grünen Co-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Gregor Gysi von den Linken seit einigen Wochen Anführer der Opposition. Dass es anders hätte kommen könne, war sein erstes Thema. Immerhin, erinnerte Hofreiter, hätten die Grünen Mitte Oktober Sondierungsgespräche mit CDU und CSU geführt. Die knapp acht Stunden seien zwar "spannend" gewesen, aber "im Grunde waren es Quatschverhandlungen". Dann doch lieber Opposition.

Die Verkehrspolitik ist das Spezialgebiet des früheren Vorsitzenden des Verkehrsausschusses. Die von der CSU geforderte Autobahnmaut für Ausländer qualifizierte Hofreiter als "totalen Schmarrn", einen Verstoß gegen das Grundgesetz und eine ökonomische Absurdität, weil die Verwaltungsausgaben höher wären als die Einnahmen. Auch die geplante Finanzierung der Isentalautobahn in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) sei ein unguter Trick. Mit ÖPP-Modellen würden nur "Schattenhaushalte" aufgebaut, die den Steuerzahler letztlich teuer zu stehen kämen. Zu den nur schleppend vorankommenden Schienenprojekten - Ringschluss, Walpertskirchener Spange, Ausbau der Strecke von München nach Mühldorf - sagte Hofreiter, es sei notwendig, "dafür zu sorgen, dass die Bahn sich wieder auf die Schiene fokussiert". Was sie derzeit eben nicht tue, sondern zum Beispiel für drei Milliarden Euro in Großbritannien Linienbusunternehmen aufgekauft habe.

Beim Thema Energiewende verwies Hofreiter darauf, dass sie vor 15 Jahren "unter grüner Regierungsbeteiligung begonnen" wurde, in den vergangenen acht Jahren jedoch miserabel gemanaget worden sei. Der Aufbau von Fotovoltaik und Windkraft sei "ein ganz großer Erfolg". Wie es weitergehen müsste, "wäre auch ziemlich einfach": Man müsste die Stromnetze europaweit ausbauen und auf moderne Gaskraftwerke setzen. Die umwelt- und klimazerstörenden Braunkohlekraftwerke gehörten hingegen abgeschafft. Was die aktuelle Regierung aber kaum tun werde, da die Unionsparteien "mit den großen Energiekonzernen befreundet sind" und die SPD mit der Bergbau-Gewerkschaft.

Zur Stimmungsmache der CSU gegen Zuwanderung aus Rumänien und Bulgarien sagte Hofreiter, dass nicht Deutschland ein damit Problem habe, sondern ganz im Gegenteil die osteuropäischen EU-Staaten, die viele qualifizierte Bürger durch Abwanderung verlören. Ein Argument, das einigen Erdinger Grünen jedoch zu schwach war. Sie forderten von Hofreiter, die Grünen müssten klar herausstellen, dass die CSU-These nicht nur falsch, sondern verhetzend und rassistisch sei.

Die Mütterrente und die Rente mit 63 nannte Hofreiter prinzipiell gut, aber "unsauber finanziert". Es sei aber "grotesk", dass ausgerechnet arme Rentnerinnen und kranke Frührentner nicht davon profitieren werden. Abschließend verteidigte Hofreiter die EU gegen die Generalkritik, sie sei nicht demokratisch genug konzipiert. Ob bei der "Lastenverteilung der Finanzkrise" auf die Steuerzahler oder bei der geplanten Zulassung von genveränderten Pflanzen, nicht die EU sei der "Hauptschuldige", sondern die konservativen nationalen Regierungen: "Da muss ich mir eben genau überlegen, wen ich wähle."

© SZ vom 06.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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