Energiewende:Bürgerentscheid gegen Kohleblock zulässig

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Anfang November können die Münchner über den ÖDP-Vorstoß "Raus aus der Steinkohle" abstimmen. Im Rathaus findet die Abschaltung 2022 allerdings wenig Zustimmung. Von Luxusproblem und verschaukeln ist die Rede

Von Dominik Hutter

Die Münchner stimmen am 5. November über die Stilllegung des Kohleblocks im Münchner Norden ab. Der Feriensenat des Stadtrats hat den von der ÖDP und mehreren Bürgerinitiativen organisierten Bürgerentscheid "Raus aus der Steinkohle" für zulässig erklärt. Freunde hat die vorgezogene Abschaltung im Jahr 2022 jedoch kaum im Rathaus. "Ich hoffe, dass die Münchner das Spiel durchschauen", erklärte CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl. Der Vorstoß sei unseriös. "Wir streiten über Luxusprobleme", warnte auch FDP-Stadtrat Thomas Ranft. Schließlich sei prinzipiell niemand gegen den Ausstieg aus der Kohleverbrennung, es gehe lediglich um den Zeitpunkt. Die Grünen schlugen sich hingegen auf die Seite der ÖDP. Mit der von den Stadtwerken selbst ins Gespräch gebrachten Gasanlage in Unterföhring stehe eine vernünftige Alternative zum Kohleblock zur Verfügung.

ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff wies Vorwürfe zurück, die Anti-Kohle-Aktivisten argumentierten halbseiden. Angesichts des Klimawandels sei die Stadt München verpflichtet, "in ihrem eigenen Verantwortungsbereich zu handeln". Der zu erwartende Ausfall bei Strom und Wärme sei zu ersetzen, notfalls eben über gasbetriebene Heizwerke, die für eine Übergangszeit errichtet werden. Ob die Anlage im Münchner Norden systemrelevant ist und daher von der Bundesnetzagentur für unentbehrlich erklärt wird, sei letztlich "obsolet", da die Initiativen ja Veränderungen im System anstrebten. Zudem habe man sich zuvor erkundigt: Das Kraftwerk genieße keinen solchen Status.

Stadtwerke-Chef Florian Bieberbach rechnet trotzdem mit einer solchen Entscheidung der Bundesnetzagentur. Eine solche Einstufung sei kein Automatismus, sondern werde nur bei einem bestimmten Anlass, etwa einer geplanten Stilllegung, vorgenommen. Deshalb gelte München-Nord bislang nicht als systemrelevant. Pretzl erinnerte in diesem Kontext an die ebenfalls für 2022 geplante Abschaltung eines weiteren großen Stromerzeugers, des Atomkraftwerks Isar 2. Es sei schwer vorstellbar, dass die Bundesnetzagentur auf ein weiteres großes Kraftwerk verzichte.

Die Grünen, einst ebenfalls Gegner des Bürgerbegehrens, vermissen in der Debatte Informationen über den möglichen Ersatz des Kohleblocks durch ein Gas-Heizkraftwerk an gleicher Stelle. Dass eine solche Möglichkeit besteht, solle im offiziellen Beiblatt für den Bürgerentscheid nicht einmal erwähnt werden. "Die Münchner sollen zu einem gewissen Teil verschaukelt werden", ärgerte sich Grünen-Stadtrat Dominik Krause. SPD-Fraktionschef Alexander Reissl bezeichnete es hingegen als "illusorisch", bis 2023 in Unterföhring ein neues Gaskraftwerk zu errichten. Die notwendigen Genehmigungsverfahren, vor allem aber die wahrscheinlichen Proteste der Anwohner, machten eine solche Alternative unrealistisch. Bieberbach erinnerte daran, dass aus Unterföhring sogar Proteste gegen den Neubau des Freimanner Gaskraftwerks kamen. Warum also sollten diese "Berufsquerulanten" vor der eigenen Haustür anders agieren?, so der Stadtwerke-Chef. Für Pretzl wäre der Bau einer solchen Anlage zudem die "Perpetuierung der fossilen Energie". Eigentlich setze die Stadt doch langfristig auf regenerative Energieerzeugung.

Reissl und auch Politiker anderer Parteien bezweifeln, dass die Münchner Energieversorgung ein geeignetes Thema für einen Bürgerentscheid ist. In der Begründung der Aktivisten sei vieles "zumindest schräg oder unsauber". Man müsse so ehrlich sein, beim Ausstieg aus der Kohleverstromung nicht allein lokale Effekte zu betrachten. "So lange der Strommix so ist, wie er ist, wird die Abschaltung des Kraftwerks Nord nicht viel verändern", erklärte Reissl. Eine Stilllegung koste die Stadtwerke viel Geld, das woanders sinnvoller verwendet werden könne. Bieberbach nannte die Summe von 324 Millionen Euro. "Das sind 30 U-Bahn-Züge."

Ein Versuch Ruffs, den am Ferienende liegenden Abstimmungstermin zu verschieben, scheiterte. Laut Bürgermeister Josef Schmid sei dann wegen Raumproblemen eine Verschiebung um mehr als eine Woche unumgänglich. Ruff zog daraufhin den Antrag zurück.

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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