Empfang des Ministerpräsidenten:Staatsmännisch beim Seesaibling

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Erst der Dialog, dann das Dinner: Politiker und Diplomaten beim Empfang im Kaisersaal der Residenz. (Foto: Johannes Simon)

Die Teilnehmer des Empfangs in der Residenz geben sich am Abend recht wortkarg in der Frage, worüber konkret den ganzen Tag geredet wurde - einig sind sie sich aber darin, dass der Dialog künftig noch wichtiger ist als bisher

Von Tom Soyer

Auf dem Weg zum Kaisersaal der Münchner Residenz gehen die hohen Staatspersonen, Diplomaten und Offiziere allesamt sehr ähnlich auf dem roten Teppich: Das Kinn vorgereckt, den Blick starr geradeaus, würdig und wichtig. Passt zur Sicherheitskonferenz, wo man den Tag über transatlantische Irritationen ventiliert hat. Nur einer macht da nicht so mit: Kardinal Reinhard Marx kommt lustig und lebhaft die Treppe herauf, tänzelt mit einem herzlichen "Grüß Gott!" über den roten Teppich, als gelte es, einen neuen Kindergarten einzuweihen, statt zum Abendempfang des Ministerpräsidenten zu schreiten. Da bringt einer Schwung ins Münchner Stadtschloss, mit herzlichem Lachen. Barocke katholische Lebensfreude statt Tagungs-Pokerface.

Siemens-Vorstandsvorsitzender Joe Kaeser biegt gemeinsam mit Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) um dieselbe Ecke. Er lässt Aigner die Kurzinterviews geben. "Unheimlich spannend" sei diese Münchner Sicherheitskonferenz, Aigners weitere Auskünfte fallen noch nichtssagender aus. Als Fernsehreporter auch vom Siemens-Chef ein Statement erbitten, lächelt er nur streng: "alles gesagt." Aha. Da war der Gruß des Kardinals irgendwie aussagekräftiger.

Auf dem Weg zum großen Abendempfang passieren EU-Außenministerin Federica Mogherini nebst Entourage und viele andere Staatsleute - weitaus mehr Männer als Frauen - auch eine golden und silbern eingefasste Glasvitrine. Das Schild daneben erzählt etwas von einer berühmten St.-Georgs-Uhr aus dem Jahr 1755. Das gute Stück des Hofuhrmachers Paulus Graff ist aber gar nicht da. Es wird restauriert. Macht nichts, zwei Konferenz-Teilnehmer im dunklen Anzug bewundern gerne auch die leere Vitrine und fotografieren dieses gewissermaßen Zeit-lose Stück eifrigst.

Recht gekonnt täuscht CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer für einen kurzen Moment Desinteresse an - um dann natürlich doch am roten Teppich bei den TV-Teams zu halten und bereitwillig die Lage Bayerns und der Welt zu kommentieren. "Müssen die transatlantischen Positionierungen klären", "die Welt wird nicht friedlicher ohne die Amerikaner, und auch nicht ohne die Russen", "müssen sehr viel reden miteinander" - so klingt das dann. Bayerns SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher betätigt sich eher als Lobredner für einen sozialdemokratischen Neu-Minister und findet es super, dass "Sigmar Gabriel für ein selbstbewusstes Europa geworben hat". Ein stärkeres Europa wünscht sich auch Edmund Stoiber, allerdings "auch mit einem stärkeren Verteidigungshaushalt". Und Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, hat das Bekenntnis zur Nato des US-Vizepräsidenten besonders gefreut. "Ich hoffe jetzt nur, dass das, was der Vizepräsident gesagt hat, auch der amerikanische Präsident trägt."

Ehe er sich an einem Seesaibling aus dem Tegernsee, an "Tatar von rotem Aloisius-Apfel und Staudensellerie", begleitet von Würzburger Staatsweinen im Kaisersaal der Residenz gütlich tun kann, alles serviert unter den aufmerksamen Augen von Michael Käfer, verrät auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière noch, was ihn an der Konferenz begeistert: Das Gespräch mit seinem US-Amtskollegen. "Er ist ein Profi, wir haben gleich einen Draht zueinander gefunden, insofern bin ich da sehr zuversichtlich."

Programmpunkt des Seehofer-Empfangs ist auch die Ehrung von Bundespräsident Joachim Gauck mit dem Ewald-von-Kleist-Preis, den die Sicherheitskonferenz seit 2009 an Menschen vergibt, die dem "Frieden durch Dialog" dienen. Aber das ist dann wie mit der Prunkuhr des Hofuhrmachers: prächtiges Drumherum, Hauptperson nicht da.

Gauck, der mit dieser Ehrung in einer Reihe steht mit Henry Kissinger, Helmut Schmidt und Valéry Giscard d'Estaing, muss wegen einer Erkältung passen. Und kann nicht hören, wie Finnlands Präsident Sauli Niinistö ihn rühmt als Impulsgeber für ein engagierteres und aktiveres Eintreten Deutschlands und Europas für Freiheit in der Welt. David Gill, Chef des Bundespräsidialamts, liest Gaucks Dankesrede vor, in der der scheidende Bundespräsident auch Karl Jaspers zitiert: "Die Zukunft ist als Raum der Möglichkeiten der Raum unserer Freiheit." Wenn die nur überall so repariert werden könnte wie die Prunkuhr des Paulus Graff.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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