Elton John in München:Glitzertier am Klavier

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Elton John bei einem Aufritt in Paris - gewohnt glitzernd. (Foto: AFP)

Wenn Sir Elton John dem Publikum seine "Greatest Hits" verspricht, ist klar: Das kann dauern. Denn er spielt sie alle. Man muss nur tief Luft holen - und wird mit einer perfekten Show belohnt.

Von Nadia Pantel

Hui! Die Bühne dämmert langsam ins Zentrum und am Flügel sitzt ein goldenes Glitzertier. Es wird noch ein bisschen heller und nochmal Hui! Das Glitzertier ist Elton John. Applaus in der Münchner Olympiahalle. Frenetisch bei zwei jungen Frauen, die sich riesige Leuchtbrillen auf die Nase gesetzt haben und die in den folgenden zwei Stunden jede Zeile mitsingen werden. Höflich gedämpft bei den restlichen 10 000 Besuchern, die noch ihre Oberhemden aus dem Büro tragen (ist ja schließlich erst 20 Uhr) und die auf ihrem Ticket "Greatest Hits" versprochen bekommen haben. In diesem Fall kann das dauern.

Also lieber noch ein bisschen Energie aufsparen für Candleinthewindtinydancerdontletthesungodownonmedrocodilerockrocketman. Luft holen. Goodbyeyellowbrickroadimstillstandingsorryseemstobethehardestword. Elton spielt sie alle. Das vorherrschende Gefühl des Abends: "Ach ja, stimmt!" Immer wenn man denkt, jetzt sind alle Hits durch, kommt noch einer um die Ecke.

Ganz nah dran, an Sir Elton John

"Um die Ecke kommen" ist in diesem Fall natürlich ein völlig falsches Bild: Der Mann hatte immerhin 45 Jahre lang Zeit, um Erfahrung und Geld zu sammeln, und weiß genau, wie er seine Auftritte choreographiert haben will. Jedes Lied hat ein eigenes Lichtkonzept. Es gibt einen extra Zweit-Schlagzeuger, der auf Zimbeln, Schellenkranz und Congas spezialisiert ist.

Auf der großen Videoleinwand werden mal Sonnenuntergänge, mal Best-Ofs von Elton Johns Bühnen-Outfits und einmal sogar ein Foto seiner Kinder gezeigt. Selbst die Frisuren der Band sind perfekt. Ist es möglich, dass der kleine schwarze Kasten, der vor dem Gitarristen steht, eine Mini-Windmaschine ist? Oder wie sonst gelingt es, dass die weiß-blonde Mähne immer wieder wie in Zeitlupe die Musikerschultern umtänzelt? Und wie sehen eigentlich Elton Johns Hände aus? Dank der kleinen Kamera, die in den Flügel eingebaut ist, wissen die Fans schon bald: Es sind eher kompakte Hände. Ausgeprägtes Netz blauer Adern zwischen Zeigefingerwurzel und Zentrum des Handrückens. Sobald Elton John zum Solo ansetzt, wird hinter der Bühne irgendjemand in ein Head-Set wispern: "Piano Cam, please", und schon sind alle ganz, ganz nah dran am Star.

Streicheln, Hämmern und Betänzeln

Innerhalb all des Geweses bleibt Elton John selber erfreulich unaufgeregt. Trifft lässig jeden Ton. Spart mit Bühnenansagen. Konzentriert sich aufs Streicheln, Hämmern und Betänzeln der Tasten. Gut, einmal setzt er sich auf den Flügel, aber das dauert nur vier Akkorde. Dann vertieft er sich wieder ins Hinauf- und Hinabwandern der Tastatur. Wer das Glück hat, neben einem stark beleibten Elton-Kenner zu sitzen, erfährt: "Das war Schubert Tschaikowsky".

Wobei Schubert nicht der Vorname von Tschaikowsky ist, sondern erklärt, dass der Musiker von Schubert über Tschaikowsky zurück zu seinen eigenen Melodien geperlt ist. Und ehe man sich versieht, wiegen die Menschen hin und her. Elton John singt mit lautem, klaren Bariton, dass er sich in seiner Rakete schon relativ weit von der Erde entfernt hat. Rocket Man.

Wer sich hingegen nie sehr weit von Elton John entfernt hat, ist der Schlagzeuger. "Seit 1969 mit mir auf Tour" stellt der Star Nigel Olsson vor. Und Olsson lächelt in die Kamera, die, diesen Moment vorausahnend, bereits genau neben ihm in Position war. Es ist ein anrührendes, herzliches Opa-Lächeln. Dazu volles weißes Haar, schwarzer Anzug mit weißem Hemd und roter Krawatte. Olsson sieht aus, als habe er sich mal kurz vom feierlichen Familien-Weihnachtsessen weggestohlen.

Der Konzert-Ablauf? Unabänderlich

Während eines König-der-Löwen-Medleys dann ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit. Simba schaut mit großen Augen von der Leinwand, Elton John singt, dass das Wichtigste sei, dass man nicht mehr nimmt, als man gibt - und auf einmal beginnen die ersten gut angezogenen Pärchen Pfandbecher zwischen den Stuhlreihen hervorzuangeln. Gab's keinen Schlussapplaus? Warum stehen einfach alle auf? Hat sich die Band überhaupt verabschiedet? Hier gibt sich keiner der Illusion hin, dass sich ein Konzert-Ablauf durch "Zugabe" schreien verändern ließe.

Vorbei ist vorbei, und irgendwann ist ja auch mal gut. Statt Jubel und Applaus gibt es einen Abspann auf der Videoleinwand. Elton John bedankt sich. Diesmal nicht bei seinem Partner, seinen Kindern und seinen Fans, das hat er schon vor einer Stunde getan, sondern bei seinen Sponsoren. Unter anderem bei Swarowski.

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