Unterkunftsdebatte:Plakate gegen Flüchtlinge

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In Anzing hissen einige Nachbarn der geplanten Asylbewerber-Unterkunft Transparente gegen die Belegung mit 30 Männern. Die Gemeinde und das Landratsamt unternehmen vorerst nichts

Von Sophie Rohrmeier

ns ehemalige Anzinger Forsthaus in der Wendelsteinstraße sollen Asylbewerber einziehen. (Foto: Lukas Barth)

"Verunglimpfend" und "unsäglich" nennen Anzings Bürgermeister Franz Finauer (UBA) und Reinhard Oellerer (Grüne), Gründer der Initiative Offenes Anzing, die Plakate, die seit einigen Tagen an der Wendelsteinstraße hängen. Zuerst am alten Forsthaus, jetzt an Privathäusern von Anwohnern ist zum Beispiel zu lesen: "30 Männer an der Zahl wird im Wohngebiet zur Qual". Diejenigen Anzinger, die diese Transparente aufhängen, wollen nicht, dass in dem Gebäude rund 30 Asylbewerber unterkommen. Oellerer und Finauer zeigen jedoch deutlich ihr Unverständnis. Gegen die Plakataktion vorgehen aber kann und will die Gemeinde nicht.

Zuerst hätten Anwohner an der Wendelsteinstraße die großen, blauen Stofftransparente mit den weißen Schriftzügen direkt am Forsthaus, das dem Freistaat Bayern gehört, angebracht, berichtet Bürgermeister Finauer. Das sei in der letzten Januarwoche gewesen. Von dort habe die Gemeinde sie gemeinsam mit dem Landratsamt entfernt. Das bestätigt die Sprecherin der Behörde, Evelyn Schwaiger. "Das ist ja kein Privatgrundstück", erklärt sie, dort dürfe man nicht einfach Plakate aufhängen. Ein Zettel hat dann nach Angaben von Bürgermeister Finauer den Verantwortlichen mitgeteilt, dass die Banner bei der Gemeinde wieder abzuholen seien. Das hätten die verantwortlichen Bürger auch getan. "Und jetzt haben sie sie bei sich wieder aufgehängt", sagt Finauer.

Auf die Plakate sind auch Sprüche gemalt wie "Wir helfen gerne, wollen aber keine Bayernkaserne" und "Ein reines Männerheim gehört ins Wohngebiet nicht rein!". Reinhard Oellerer schätzt die Schriftzüge als "nicht justiziabel" ein. "Aber sie zeigen den Ankömmlingen, dass sie nicht willkommen sind", sagt er und äußert sein Bedauern darüber.

Auch beim Bürgermeister treffen die Aussagen auf den Plakaten auf Unwillen. Er ordnet sie als Verunglimpfung ein - etwas das "auch an der eigenen Hauswand" nicht geschehen solle. Das Verhalten der Anwohner könne er nicht verstehen, sagt Finauer. Die Gemeinde habe signalisiert, ihnen helfen zu wollen - gerade mit dem jüngsten Ratsbeschluss zur angestrebten Begrenzung der Zahl von Asylbewerbern auf insgesamt 30, verteilt auf zwei Unterkunftsstandorte.

Dennoch kann und will die Gemeindeverwaltung Finauer zufolge nichts gegen die Anwohner und ihre Transparente unternehmen. "Ich will kein Öl ins Feuer gießen", erklärt der Bürgermeister hierzu. Sonst bekämen die Gegner der Unterkunft in der Wendelsteinstraße lediglich mehr Aufmerksamkeit. Landrat Robert Niedergesäß erklärt, dass es gegen diese Meinungsäußerungen "keine Handhabe" gebe, obwohl sie polemisch und unsachlich seien. Jetzt, so erklärt Sprecherin Schwaiger, könne man die Plakate tolerieren, weil die Phase noch nicht gekommen sei, in der die Asylbewerber tatsächlich ankommen. Was allerdings dann geschehen könnte, lässt sie offen.

Eine Anzingerin will gehört haben, dass deren Ankunft aufgeschoben wurde - vom März in den Mai. Das Landratsamt bestätigt das nicht. "Der Zeitpunkt, wann Asylbewerber in der Wendelsteinstraße einziehen können, steht noch nicht fest. Im Moment haben erste Vorarbeiten für den Umbau des Hauses begonnen", sagt Schwaiger. Eine mögliche Verzögerung liege aber sicher nicht in der Plakataktion begründet. Die Gemeinde Anzing, sagt Finauer hierzu, warte jetzt darauf, dass das Landratsamt auf ihr Angebot reagiere. Der bereits erwähnten Beschluss schlägt der Behörde vor, im Gewerbepark Nord auf der sogenannten Feuerwehr-Wiese eine Fläche für eine Unterkunft bereitzustellen, mit Platz für maximal 15 Flüchtlinge. Auch die Unterbringung von Asylbewerbern im alten Forsthaus soll mit dem Beschluss auf 15 Personen begrenzt werden. Aber schon während der Gemeinderatssitzung am 4. Februar hatte Finauer darauf hingewiesen, dass die Gemeinde zumindest letzteren Wunsch eventuell nicht würde durchsetzen können.

Unterdessen ist in der Gemeinde die Rede davon, dass sich die Gemüter weiter erhitzen. Eine Anzingerin, die namentlich nicht genannt werden möchte, erzählt von Äußerungen auf einer Veranstaltung des örtlichen Burschenvereins. "Da hieß es: 'Schade, dass der Überfall auf die Tankstelle nicht zwei Monate später war. Dann wüssten wir, wer es war.' Und dann haben alle gelacht", sagt die Frau. Eine Anwohnerin der Wendelsteinstraße, die sich gegen die Offensive ihrer Nachbarn ausspricht, berichtet von einer Unterschriftenliste, die in dem Wohngebiet kursiert haben soll. "Die sind rumgegangen und haben gesagt, unterschreiben Sie gegen Ausländer." Sie selbst habe das abgelehnt und beteilige sich an der Initiative Offenes Anzing: "Ich setze meine Energie lieber dafür ein, den Menschen zu helfen."

© SZ vom 12.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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