Theater:Vom Lieben und Loslassen

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Tochter Hannah und ihre Mutter Martha in inniger Umarmung. (Foto: Veranstalter)

Die als Theaterstück aufgeführte Geschichte einer Mutter-Tochter-Beziehung begeistert das Publikum bei der Abschlussveranstaltung der Woche der Demenz

Von Valentina Antonucci, Vaterstetten

Ein Wechselbad der Gefühle hat das Publikum am Montagabend erlebt, als ein Höhepunkt des Stücks den nächsten jagte. Es gab viel zu lachen, doch gleichzeitig mahnte der tragische Hintergrund des Schauspiels zur Ernsthaftigkeit, so dass am Ende im Zuschauerraum auch die ein oder andere Träne floss.

Grund dafür war das Theaterstück "Ich erinnere mich genau", welches die Abschlussveranstaltung der vom Kreisbildungswerk Ebersberg (KBW) und seinen Kooperationspartnern ausgerichteten Woche der Demenz darstellte. Fröhlich begrüßten Jennifer Becker, Geschäftsführerin des KBW, und Jutta Sirotek, Vorstandsvorsitzende des KBW, neben dem Publikum auch die beiden Landtagsabgeordneten Thomas Huber (CSU) und Doris Rauscher (SPD). Nach einem kurzen Rückblick auf die vergangene Woche überließ man jedoch dem Schauspielerinnengespann Christine Reitmeier und Liza Sarah Riemann die wohnlich ausgestattete Bühne.

Die beiden Frauen verkörperten Mutter und Tochter, die lernen müssen, mit der Demenzerkrankung der Mutter umzugehen. Ihre Beziehung wird dabei auf eine harte Probe gestellt, denn es erwarten sie unvorhersehbare Hürden, die unüberwindbar wirken. Der Zuschauer erlebt, wie Hannah, die Tochter, zunächst guter Dinge ist und die Pflege ihrer kranken Mutter Martha selbst in die Hand nimmt.

Beide haben anfangs noch viel Spaß, wenn Martha von ihrer wilden Jugend in den Sechzigern erzählt. Dabei betont sie stets, dass man immer sehen müsse, was schön sei. Doch mit der Zeit verschlechtert sich Marthas Zustand, sie wird zunehmend vergesslicher, verwechselt Personen und Orte und handelt irrational. Für Hannah wird es immer schwerer, mit den Veränderungen ihrer Mutter umzugehen, es kommt zu handgreiflichen Auseinandersetzungen, Tränen, Schuldgefühlen, Verzweiflung und Resignation. Schlussendlich entscheidet sich Hannah dazu, Martha doch in ein Pflegeheim zu geben, in welchem sie schließlich, mit Hannah an ihrer Seite, auch stirbt.

Neben der ausgezeichneten schauspielerischen Leistung überzeugt vor allem der ausgesprochen umsichtige und einfühlsame Umgang mit der Problematik. Nicht nur die massive Veränderung der Demenzerkrankten, auch die der betroffenen Angehörigen werden lebensecht dargestellt und thematisiert. Denn die Diagnose Demenz ist nicht nur für den Betroffenen selbst ein Schicksalsschlag. Gerade auf die Angehörigen kommt viel Arbeit zu - physisch und vor allem auch psychisch. Es gilt, sich selbst hintanzustellen, und die Erkrankten so anzunehmen wie sie jetzt sind, auch wenn sie nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dem Menschen haben, der sie einmal waren. "Ich komme mir vor wie eine Schauspielerin, die zum x-ten Mal die gleiche Szene probt", schreibt Hannah in einem Brief an ihre Freundin, als Martha sie zum wiederholten Male fragt, wann Max, der vor langer Zeit verstorbene Vater, denn nach Hause komme.

Gerade diese Problematik dürfte wohl vielen Angehörigen selbst bekannt sein. Kein Wunder also, dass im Publikum viele Personen saßen, die selbst demenzkranke Angehörige haben. Bereits auf dem Heimweg verglichen einige die Szenen aus dem Theaterstück mit den eigenen Erlebnissen und lobten dabei die authentische Darstellung.

Doch so schreckensreich eine Demenzerkrankung auch für alle Betroffenen sein kann, so sehr schweißt sie einander auch zusammen. "Du hast Recht, Mutter. Man muss sehen können, was schön ist und ich sehe dich. Jetzt noch viel mehr als jemals zuvor", verbleibt Hannah am Totenbett ihrer Mutter.

© SZ vom 14.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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