Suchtprävention:Rennen gegen Mauern

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In Anzing tun sich die Menschen schwer mit dem Problem Sucht. Seit mehr als einem Jahr bemühen sich Jugendpfleger darum, Bewusstsein dafür zu wecken. Doch die Eltern ziehen kaum mit, den Jugendlichen ist das Thema nicht cool genug.

Von Sophie Rohrmeier

Mit so manchem Konzert auf der Bühne des Jugendraums, wie hier mit der Band "sick and dope" beim x-mas-Konzert 2012, kann das traditionelle Anzing wenig anfangen. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Er war drogensüchtig, er war depressiv. Dann hat er sich umgebracht. Die Menschen in seinem Heimatdorf Anzing hat das schwer getroffen. Aber aufgeweckt hat es sie offenbar nicht. Drogen sind hier ebenso ein Problem wie anderswo auch, obwohl Anzing eine kleine Gemeinde ist. Doch der örtliche Jugendpfleger Felix Aschauer rennt gegen Mauern. Rund fünf Jahre ist der Tod des jungen Mannes her. Und überall Schweigen. "Viele haben es vielleicht vergessen", sagt Felix Aschauer, der Jugendpfleger, der nur wenige Monate nach dem Selbstmord in Anzing antrat. Aber schon damals erwähnte ihm gegenüber niemand von der Gemeinde auch nur ein Wort von der Geschichte. Erst nach und nach erfuhr er davon, Jugendliche haben es ihm erzählt. Aschauer verwendet das Wort "traumatisiert" für den Ort, der dem jungen Mann nicht hatte helfen können.

Und doch: Die Suchtprävention ist den Anzingern nicht gerade das drängendste Thema. Jugendpfleger Aschauer versucht der Sucht zuvor zu kommen. Über offene Diskussion mit Jugendlichen, über Konzerte. Und über die Frage an die Familien, was sie denn bräuchten. Vor mehr als einem Jahr hat er gemeinsam mit seiner Kollegin Ramona Mehdi ein Suchtpräventionsprojekt auf die Beine gestellt. Zu einer Info-Veranstaltung im Jugendraum der Gemeinde tauchte eine einzige Mutter auf, um mehr über illegale Drogen zu erfahren. 1000 Briefe mit einem Fragebogen hatte Aschauer an Anzinger Familien mit Kindern und an Jugendliche ab 16 Jahren geschickt. Gerade mal zehn kamen zurück. Das Projekt hat Anlaufschwierigkeiten. Mindestens. "Da fühlt man sich schon ein bisschen verarscht", sagt Aschauer. Aber nicht überflüssig, denn der Bedarf sei ja da. Fünf von den beantworteten Fragebögen stammen aus Franz Brummers Familie, er hat fünf Kinder und hält die Anzinger Jugend nicht für besonders gefährdet. "Die meisten Leute denken vielleicht, dass es schon genug Angebote gibt. Anzing ist noch ein bisschen heile Welt", sagt der UBA-Gemeinderat, der selbst die Handballabteilung des SV Anzing (SVA) leitet. Im Sportverein falle es den Trainern auf, wenn sich jemand verändert, sagt SVA-Vorsitzende Felizitas Bauer. "Da haben die Jugendlichen Ansprechpartner außerhalb der Eltern." Das bestätigt Felix Aschauer, mindestens jeder zweite Jugendliche in Anzing ist im Verein, unter den Kindern noch mehr. Aber er will gerade jene Kinder erreichen, für die das eben nicht gilt.

"Es ist leicht, an Drogen zu kommen, sie werden hier nicht weniger konsumiert als anderswo", sagt er. Das sagt auch Billy Lord, Gemeinderat der SPD und Jugendsprecher. Vor allem der Alkohol sei hier ein Problem. Alternativen müssen her, sagt Lord, der seit Jahrzehnten Pfadfindergruppen organisiert. Bleibt die Frage, ob Aschauer und seine Kollegin Mehdi den richtigen Weg in die Familien finden. Auch Lord hatte sich in seinen Anfängen als Jugendsprecher dem Kampf gegen Drogen verschrieben, damals ging es vor allem um Alkohol. "Ich habe mich zu den Eltern der Kinder aus meinen Gruppen selbst eingeladen", erzählt der Gemeinderat. Er hat sie zu Hause besucht und mit ihnen geredet.

Aschauer und Mehdi kämpfen auch heute wieder mit vielen Schwierigkeiten - Briefe sind leicht zur Seite zu legen, bei öffentlichen Veranstaltungen gibt es in einem kleinen Ort keine Anonymität, was mit dazu beitragen mag, Eltern fernzuhalten. Und die Jugendlichen selbst? "Da sind nicht so viele scharf darauf, betreut zu werden", vermutet Topher La, 17-jähriger Musiker aus Anzing. Er selbst ist bei der evangelischen Jugend aktiv und empfiehlt Aschauer eine andere Strategie: Jugendleiter in einem ähnlichen Alter wie die Zielgruppe einzusetzen, für "coole Sachen", zur Unterstützung der Sozialarbeiter. Aschauer will jedenfalls weitermachen in seinem Kampf gegen Drogen, "ohne den Schuldigen zu suchen."

© SZ vom 11.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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