Prozess gegen Spinnenmann:Anwalt zieht skurrilen Tierquälerei-Vergleich

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Eine Tierärztin belastet den sogenannten Spinnenmann schwer: Er hätte den mehr als 500 exotischen Tieren "erhebliches Leid" zugefügt. Die Verteidigung versucht, den Vorwurf zu entkräften - und verweist auf die schlechten Lebensbedingungen von Nutztieren.

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Dürfen Leguane, Eidechsen und Affen schlecht gehalten werden, weil auch die Standards bei Nutztieren nicht immer artgerecht sind? In diese Grundsatzdebatte versuchte die Verteidigung im laufenden Prozess vor dem Ebersberger Amtsgericht um angebliche Tierquälerei einzusteigen, um die Vorwürfe gegen ihre Mandanten zu entkräften. Diese, ein 52 und ein 48 Jahre alter Mann sowie eine 49-jährige Frau, sind wegen Tierquälerei angeklagt. Der ältere Mann und die Frau sollen mehr als 500 exotische Tiere unter nicht artgerechten Bedingungen in einem Grafinger Wohnhaus gehalten haben, der jüngere Mann soll sich als Besitzer der Tiere der Unterlassung schuldig gemacht haben.

Am zweiten Verhandlungstag wurde eine Tierärztin vom Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit als Zeugin gehört. Diese war vom Ebersberger Landratsamt als Expertin hinzugezogen worden und auch vor Ort, als im Sommer 2008 die Tiere von den Behörden aus dem Wohnhaus geholt worden waren. Im Wesentlichen wiederholte die Veterinärin, was auch bereits in der Anklageschrift stand: Die von den beiden Hauptangeklagten gehaltenen Tiere waren zum großen Teil "nicht verhaltensgerecht untergebracht".

So habe es an Wärmequellen für die Reptilien gefehlt, die Käfige mancher Vögel seien so eng gewesen, "dass sie kaum die Flügel ausbreiten konnten" und auch viele andere Gehege seien zu klein oder nicht angemessen ausgestattet gewesen. Zudem habe es an Futter, Wasser und Hygiene gefehlt. All dies habe bei den betroffenen Tieren zu "erheblichen Leiden" geführt, so die Expertin. Was die Angeklagten, welche die Tierärztin als "sehr sachkundig" einschätzte, eigentlich hätten wissen müssen. Vermutlich seien sie aber durch die schiere Anzahl der Tiere bei deren Versorgung überfordert gewesen.

Verteidigung verweist auf Haltung von Nutztieren

Aus einzelnen Mängeln bei der Haltung sei indes noch kein "erhebliches Leiden" abzuleiten, so die Verteidigung, und nur dies sei strafrechtlich relevant. Auch Nutztiere, wie Schweine oder Hühner, würden in zu engen Ställen und Käfigen gehalten, was laut eines BGH-Urteils aber kein "erhebliches Leiden" darstelle. "Diese Regeln habe ich nicht gemacht", so die Zeugin, "und sie gefallen mir auch nicht."

Für die Tierarten, welche die Angeklagten gehalten hatten, gebe es aber "Vorgaben von Experten, die sich damit auskennen - und die sind verbindlich." Wenn auch nicht unbedingt für die Verteidigung. Diese beantragte die Stellungnahme eines Verhaltensforschers, um zu klären, ob die Tiere der drei Angeklagten tatsächlich durch die Haltung gelitten haben.

Unbefristetes Tierhaltungsverbot bestand schon vorher

Doch auch ohne die Vernachlässigung hätten die Behörden einen Grund gehabt, den Privatzoo zu schließen, wie aus der Verlesung eines Bescheides des Landratsamtes hervorging. Denn gegen den Hauptangeklagten liegt seit dem Jahr 2001 ein unbefristetes Tierhaltungsverbot vor. Dieses war erlassen worden, nachdem die Behörden im Jahr 2000 in seiner früheren Wohnung in München mehr als 100 vernachlässigte und teilweise hochgiftige Tiere, wie Kobras, Vipern und Klapperschlangen, fanden.

Und auch nachdem der Angeklagte und seine Lebensgefährtin in die Schweiz ausgereist waren, um der erneuten Anklage wegen Tierquälerei zu entgehen, richteten sie in ihrer neuen Bleibe umgehend einen neuen Zoo ein. Laut einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Zug, die schließlich zur Auslieferung der Angeklagten führte, lebten dort Raubvögel sowie 21 Schlangen, darunter zwei Boa Constrictor.

Vernommen wurden auch der Bruder der Angeklagten und ein früherer, bereits wegen Tierquälerei verurteilter Geschäftspartner. Beide wollen zwar des öfteren in dem Grafinger Anwesen gewesen sein, Mängel bei der Tierhaltung hätten sie dort aber keine bemerkt.

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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