Nach Morddrohungen:Online-Petition für Verbleib des Zornedinger Pfarrers

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Die letzte Messe: Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende hat die Gemeinde Zorneding inzwischen verlassen. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)
  • Der Zornedinger Pfarrer Ndjimbi-Tshiende hat die Gemeinde nach mehreren Morddrohungen bereits verlassen.
  • Dennoch wollen zahlreiche Bürger ihn zum Bleiben überreden - mit einer Online-Petition.
  • Das Kabinett hat die Vorfälle inzwischen verurteilt.

"Ich unterschreibe, weil ich entsetzt bin, dass in unserem Dorf solches Gedankengut gedeiht und solche Drohungen ausgesprochen werden", schreibt eine Frau. Eine andere kommentiert: "Schade, dass einige wenige Menschen mit ihrem Hass so viel Macht haben und ein friedliches, tolerantes und respektvolles Zusammenleben zerstören können." Und sie fügt hinzu: "Aber sie repräsentieren nicht die Mehrheit der Zornedinger."

Dass die Mehrheit der Zornedinger für ihren Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende einsteht, wollen die Schreiberinnen mit einer Online-Petition beweisen. Der Titel: "Unser Pfarrer soll in Zorneding bleiben". Mehr als 47 000 Menschen haben innerhalb der zwei Tage, die seit dem Rücktritt des Zornedinger Geistlichen verstrichen sind, bereits unterschrieben. Nach rassistischen Anfeindungen und Morddrohungen gab Ndjimbi-Tshiende am Sonntag seinen Entschluss bekannt, die Gemeinde mit 9000 Einwohnern zu verlassen.

Im Petitionstext heißt es: "Wenn wir den Weggang des Pfarrers nun stillschweigend akzeptieren, überlassen wir kriminellen Nationalsozialisten das Feld. Wir signalisieren, dass es in Deutschland wieder so weit ist, dass eine Gruppe, die Angst verbreitet, nicht mit Gegenwehr zu rechnen hat."

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Kommentar von Matthias Drobinski

Erzbischöfliches Ordinariat: "Er ist weg"

Dennoch hat der aus dem Kongo stammende deutsche Geistliche die Kirchengemeinde bereits verlassen. Olivier Ndjimbi-Tshiende habe um seine sofortige Beurlaubung gebeten, teilte ein Sprecher des Erzbischöflichen Ordinariats mit: "Er ist weg." Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Volksverhetzung, Bedrohung und Beleidigung gegen unbekannt.

Die Kirchenleitung rechnet nicht damit, dass die Online-Petition den katholischen Priester umstimmen kann. Der Bistumssprecher nannte den Schritt des 66-Jährigen "eine persönliche Entscheidung". Kardinal Reinhard Marx habe dies akzeptiert. Auch in der Pfarrei herrsche Verständnis für den Rücktritt des Priesters.

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Kabinett ist "zutiefst betroffen"

Das Kabinett hat die Vorfälle in Zorneding in seiner heutigen Sitzung scharf verurteilt: "Morddrohungen und rassistische Übergriffe sind etwas Abscheuliches und Fürchterliches", sagte Staatskanzleichef Marcel Huber (CSU). Der Ministerrat sei "zutiefst betroffen, wie viel Hass und Menschenverachtung sogar bei uns hier in Altbayern möglich sind". Er bedaure, dass wenige Spalter in der Gesellschaft es geschafft hätten, diesen Pfarrer zu vertreiben. Er hoffe, der Pfarrer überlege es sich noch anders, habe aber auch Verständnis für seine Entscheidung.

Ministerpräsident Horst Seehofer bekräftigte laut Huber erneut, Polizei und Justiz müssten alles daran setzen, den Vorgang aufzuklären. Null Toleranz gegen Rechtsextremismus sei in Bayern der Maßstab.

Solidartät von Landrat und Bürgermeistern

Eine Solidaritätsbekundung kam inzwischen auch vom Landkreis Ebersberg. Darin äußern Landrat Robert Niedergesäß (CSU) und alle 21 Bürgermeister des Landkreises ihr Entsetzen über die Morddrohungen gegen den Geistlichen. "Dieses verabscheuungswürdige Verhalten Einzelner verurteilen wir auf das Allerschärfste", heißt es in dem Brief. "Wir schämen uns für dieses unwürdige und inakzeptable Verhalten einzelner Menschen in unserem Landkreis."

Als Zeichen gegen Rassismus und der Solidarität mit Pfarrer Ndjimbi-Tshiende findet am Mittwoch, dem 9.3. um 18 Uhr im Rathauspark Zorneding eine Kundgebung mit anschließender Lichterkette statt, die von der evangelischen Christophorus-Kirche über das Rathaus zur katholischen Kirche St. Martin geht.

Der Zornedinger Bürgermeister Piet Mayr (CSU) hatte die Morddrohungen bereits am Montag "auf das Schärfste" verurteilt. "Ich hoffe, dass die Täter ermittelt werden", sagte der Rathauschef. Er wünsche sich, dass die Drohbriefe nicht aus der Bevölkerung von Zorneding stammen, fügte Mayr hinzu. Er erinnerte aber auch daran, dass die Hetzkampagne gegen den Pfarrer erst nach ausländerfeindlichen Äußerungen von Zornedinger CSU-Mandatsträgern begonnen hatte. "Die Vorgeschichte erklärt, woher die Morddrohungen nach der bundesweiten Berichterstattung kommen könnten."

Die damalige CSU-Ortsvorsitzende Sylvia Boher hatte im vergangenen Herbst im Partei-Mitteilungsblatt geschrieben, Bayern werde von Flüchtlingen überrannt. Sie sprach gar von einer Invasion. Als Ndjimbi-Tshiende die Äußerungen verurteilte, beschimpfte Bohers Stellvertreter Johann Haindl den Pfarrer. Boher und Haindl mussten den Vorsitz der Zornedinger CSU auf Druck der Parteispitze abgeben. Ihr Gemeinderatsmandat behielt Boher aber, Haindl legte es nieder. In wenigen Wochen soll die Nachfolge im CSU-Ortsverband geregelt werden.

© SZ.de/dpa/wiw/ebri - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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