Musik:Sepp und seine Plattensammlung

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Sein Wohnzimmer hatte Josef Ametsbichler mit in die Turmstube gebracht, dazu eine Plattensammlung, die ihresgleichen sucht. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Josef Ametsbichler legt in der Grafinger Stadthalle Schellackraritäten auf

Von Claus Regnault, Grafing

Die Grafinger Urgröße des Jazz Josef Ametsbichler, tatsächlich hier geboren und nicht zugezogen, hatte sein Wohnzimmer mit in die Turmstube gebracht. Dort setzte er sich in Großvaters Lehnstuhl, seine geistige Aufmüpfigkeit durch eine kesse Schiebermütze betonend, neben seine frisch polierte Musiktruhe und begann, genießerisch Schellackraritäten mit Jazzmusik aus der Zeit von 1917 bis 1960 aufzulegen. Tatsächlich hat er, von dieser schrägen Musik schon früh fasziniert, eine riesige Plattensammlung von hohem Erinnerungswert zusammengetragen und breitete Kostproben genüsslich vor den entzückten Zuhörern aus.

Das begann mit den frühesten Jazzplatten des Jahres 1917, "Tiger Rag" und "High Society", eingespielt von einer weißen Musikergruppe, jedoch aus New Orleans stammend, der Original Dixieland Jazzband, aufgenommen in New York. Und dann kamen alle die zu erstaunlich präsentem Klang, die die Jazzentwicklung der ersten Jahre bestimmten, der Kornettist King Oliver, der Posaunist Kid Ory und wie sie alle hießen. Und dann natürlich der absolute King des frühen Jazz, Louis Armstrong mit einer späteren Aufnahme von "Mack the Knife".

Auch einer der wichtigesten Protagonisten des Big Band Jazz durfte nicht fehlen, Duke Ellington mit seinem Wahlbruder Billy Strayhorn mit dem wunderbaren "Lotus Blossom". Ein anderer Höhepunkt war ein Titel des österreichischen Tenorsaxofonisten Hans Koller, der in die kühne Entwicklung der späten 50er Jahre führte, und in welchem neben der unvergesslichen Pianistin Jutta Hipp auch der frühe Albert Mangelsdorff in einem noch stark vom Bebop geprägten Solo mitwirkte. Da waren die Zuhörer dann auch schon mitten in der noch andauernden Zukunft. Dazwischen die berührende Erinnerung an Freddie Brocksieper mit dem "C-Jam Blues", die in den älteren Zuhörern die gloriosen 50er Jahre des Studio 15 wachrief. Über ihn wusste Ametsbichler zu erzählen, dass Freddie noch während der NS-Zeit mit einer von Goebbels initiierten Big Band seine Karriere begann.

Nicht lange nach dieser Zeit wurde die Schellackplatte nach und nach vom Vinyl der LP abgelöst. Ein kleiner Nachteil des Schellack: Man konnte von ihr nur den Namen einer Band oder eines Solisten ablesen, mit welchen Musikern die Band jeweils besetzt war, hingegen leider nicht.

Der Abend war angenehm bunt, denn Ametsbichler hatte auch für ein Live-Intermezzo gesorgt, welches neben seiner Basskunst auch Michaela Dietl am Akkordeon und den improvisatorisch eloquenten Pianisten Peter Wegele präsentierte. Wegele hat ein Buch über den Filmkomponisten Max Steiner geschrieben, der unter anderem für den Klassiker "Casablanca" das unvergessliche Lied "As time goes by" komponiert hat. Wegele philosophierte mit Ametsbichler als zweiter Experte des Abends über diesen Komponisten und allgemein über den Jazz. Insgesamt ein sehr abwechslungsreicher und ungewöhnliche Erfahrungen vermittelnder Abend, der nach Wiederholung schreit, weiter gespeist von der grandiosen Schellacksammlung Josef Ametsbichlers.

© SZ vom 15.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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