Moosach:Der Wahrheit nahe kommen

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Das Heimatbuch Moosach verbindet historische Fakten mit zahlreichen Bildern und Anekdoten aus dem Dorf. Nach fünf Jahren intensiver Arbeit wird es nun erstmals präsentiert und liegt zum Verkauf bereit

Von Annalena Ehrlicher, Moosach

Drunter und drüber ging es in Moosach zu Anfang des 20. Jahrhunderts: Den Erinnerungen des 1981 verstorbenen Moosachers Ludwig Vöckl zufolge wurde dort nämlich die erste mobile Achterbahn Europas erbaut. Wie genau das ablief, beziehungsweise, ob sich die Anekdote mit Fakten belegen lässt - dieser Frage ging ein elfköpfiges Team von Moosachern nun nach. Nachzulesen ist das Ergebnis ihrer Untersuchungen von diesem Freitag, 6. November, an im Moosacher Heimatbuch.

Das frisch fertiggestellte Werk ist nicht der erste Anlauf der Moosacher, die Geschichte ihres Heimatortes in eine lesbare Form zu bringen. Bereits vor 140 Jahren wurde nachweislich der Versuch unternommen, eine Chronik zusammenzustellen: Die Gemeinde erbat 1882 in einem Brief an das Königliche Allgemeine Reichsarchiv Zugang zu diversen Archivalien. Zumindest eine Einsichtnahme wurde genehmigt - dennoch dauerte es bis zum Jahr 1990, bis das erste Moosacher Heimatbuch entstehen sollte. Drei der Mitarbeiter dieses ersten Projektes waren auch an der Arbeit am neuen Heimatbuch beteiligt. Auch Moosacher Urgewächse kommen darin wieder zu Wort und teilen ihre ganz persönlichen Erinnerungen mit den Lesern.

Von der Moosacher Königseiche ist heute nur noch ein Häufchen morschen Holzes übrig. (Foto: Dorfarchiv Moosach)

Das neue Heimatbuch umfasst gut 1200 Seiten, auf denen Informationen aus dem Gemeindearchiv neben Anekdoten von Moosachern stehen. Mehr als 2000 Fotos sowie Grafiken und Landkarten haben die Mitarbeiter zusammengetragen. Die Texte kommen von 93 Leuten, Wissenschaftler, Journalisten, Moosacher - diese Mischung soll das Heimatbuch nicht nur zu einer für Historiker interessanten Chronik, sondern zu einem Buch für alle machen.

Wie jede gute Chronik startet auch das Heimatbuch bei den Anfängen: Das erste Kapitel beleuchtet Belege für steinzeitliche Menschen in der Region um das heutige Moosach - von einem 1998 nahe Schattenhofen aufgefunden Beil über Hügelgräber bis hin zu den Fundamenten eines römischen Gutshofes in Oberseeon, die im Jahr 1927 entdeckt wurden.

Im Folgenden aber wird die Geschichte Moosachs nicht Jahr für Jahr - wie in herkömmlichen Chroniken - aufgeschlüsselt, sondern thematisch geordnet: Im Kapitel "Von der Schranne zur Gemeinde" wird gezeigt, wie Moosach zu seiner heutigen Form fand, Kapitel vier, "Natur und Landschaft", vereint Beobachtungen eines Spaziergängers, alte Sagen und die Geschichte von Wahrzeichen. Ein Beispiel dafür ist die faszinierende Königseiche, auch die "1000-jährige Eiche" genannt. In diesem Fall haben die Mitarbeiter Archive gewälzt und Experten befragt, um das Alter der - heute nur noch aus morschem Holz bestehenden - Eiche zu erfahren: Das Ergebnis zeigt, dass sie tatsächlich zirka 1000 Jahre alt ist.

Der knallrote Schienenbus löste 1951 die alte Dampflok ab. (Foto: Moosacher Dorfarchiv)

Ebenfalls im ersten Band enthalten sind vier Kapitel, die sich der Entwicklung von Bauwerken rund um Moosach widmen, wobei die Fakten mit zahlreichen Bildern aufgelockert werden. Nicht alle der Gebäude sind bis heute erhalten, viele andere durchliefen diverse Nutzungsformen. So beispielsweise das Landhaus in Niederseeon, das vom Adelssitz zum Bordell und schließlich zur Montessori-Schule wurde.

Um beim Thema zu bleiben: Kapitel neun, "Junges Moosach", beschäftigt sich mit Aspekten wie Bildung, Mittagsbetreuung und verschiedenen Jugendorganisationen, wobei die vergangenen hundert Jahre als Vergleichswert zu heute herangezogen werden. Das Entstehen neuer Berufsgruppen und -felder lässt sich in "Wirtschaft und Gewerbe" nachvollziehen. Der zweite Band des Heimatbuches startet mit dem Kapitel "Technik und Fortschritt" - vor allem für die jüngere Generation interessant, da unter anderem die Entwicklung von Postboten und Sprechstelle zu Handy und Netz nachvollzogen wird. Mehr über die Künstlerszene in Moosach, beispielsweise über Otto Dressler, erfährt man in "Kultur im Künstlerdorf".

Immer wieder aufgelockert wird die Chronik durch die vielen Bilder, die das Moosacher Archiv über die Jahre gesammelt hat. Die Leiterin des Archivs, Renate Ries, Mitinitiatorin des Projektes, erstellte seit 2006 sechs Fotoausstellungen, für die das Archiv von Haustür zu Haustür ging, um Fotos aus Privathaushalten zu bekommen. Highlights wie die Ankunft des ersten Eisenbahnzuges, der von Grafing aus kommend am 26. Mai 1894 Moosach erreichte, gehören eben so zum Bildmaterial wie die Dokumentation von Alltagsszenen.

Eine hölzerne Achterbahn - es soll sich um die erste in ganz Europa gehandelt haben - wurde 1910 in Moosach gebaut. (Foto: Dorfarchiv Moosach)

Drei Kapitel über die beiden Weltkriege und die Zeit des Wiederaufbaus leiten über zur Moderne. Unter "NS-Zeit und Zweiter Weltkrieg" wird das Erstarken der NSDAP in Moosach ebenso dokumentiert wie die territorialen Veränderungen wie 1939, als die Gemeinde sechs Prozent ihrer Fläche - inklusive 46 Bewohner - an Kirchseeon abtreten muss. Knapp 100 Seiten umfasst der Teil der Chronik, der sich mit den dunklen Jahren des Nationalsozialismus beschäftigt. Im Anschluss an die Dokumentation der Nachkriegsjahre zeigen die Kapitel "Angekommen in der neuen Zeit" und "Kommunalpolitik in vielen Farben" aktuellere Entwicklungen auf. Die Moosacher kommen vor allem im Kapitel "Erzähltes und Erlauschtes" zu Wort: Hier wurden Anekdoten und persönliche Erinnerungen gesammelt. Besonders diese "Gschichterln" haben es Projektleiterin Heidemarie Seibert angetan: "Die sind vielleicht historisch nicht aufgearbeitet, aber wunderbar menschlich."

Über fünf Jahre zogen sich die Arbeiten, eine "sehr schöne, sehr intensive, aber auch anstrengende Zeit", so Seibert. "Uns war am Anfang nicht bewusst, wie viel Arbeit das tatsächlich machen würde", fügt sie hinzu. Die größte Herausforderung innerhalb des Projekts? "Der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen", antwortet sie. Nur durch ausdauernde Recherche habe man dieses Ergebnis erreichen können. Außerdem sei ein solches Engagement auf der Basis von ehrenamtlicher Arbeit nur durch leidenschaftliches Interesse über fünf Jahre aufrecht zu erhalten.

Seibert selbst gehört zu den "Zuagroasten": Sie zog mit ihrer Familie vor 16 Jahren nach Moosach, fühlte sich aber "von Anfang an sehr wohl." Bald fiel ihr das erste Heimatbuch Moosachs in die Hände und legte den Grundstein für ihre Begeisterung. Der endgültige Zündfunke für das Projekt kam von ihrer Kollegin aus dem Kulturkreis Moosach: der Archivleiterin Renate Ries. "Vielleicht können wir so mit dem Buch die Identifikation mit Moosach fördern - indem wir Neugier für die Geschichte wecken", sagt Seibert.

Vorgestellt wird das Buch am Freitag, 6. November, 19 Uhr, in der Rudolf-Obermayr-Halle. Der Preis beträgt 68 Euro, erworben werden kann es in der Rudolf-Obermayr-Halle und bei der Gemeinde Moosach. Weitere Informationen unter www.moosach.info Einen Einblick in die Entstehung gibt eine Ausstellung, die bis Sonntag, 8. November, in der Rudolf-Obermayr-Halle zu sehen ist.

© SZ vom 06.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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