Konzertkritik:Bände sprechende Sehnsuchtsrufe

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Stefan Strohmayer hütet sich vor der roten Tönung von Bandkolleginnen Andrea Hronek, Sabine Appeltauer, Silvia Pavic und Michaela Löffler. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die rotschopferte Chiemgauer Band Kupfadache bespielt die Glonner Schrottgalerie mit "Herzblutsound"

Von Victor Sattler, Glonn

Bei Sabine Appeltauer und Silvia Pavic, die im Dialog mit dem Publikum schäkern und gackern, ist es eher ein kräftiges Zinnoberrot; bei Andrea Hronek und Michaela Löffler, die vornehm lächeln über den Schabernack, ein minder sattes Siena - die vier Damen der Band Kupfadache haben sich ihr rot gefärbtes Haar zum Bundeszeichen gemacht. Nur der fünfte, Stefan Strohmayer, blieb seinem Naturlook treu, wechselt dafür aber bunt zwischen Trompete, Flügelhorn, Gitarre und Flöte. Nun am Wochenende, als die Glonner Zuhörer in der gemütlichen Schrottgalerie langsam eingeschneit wurden, und Gastgeber Sven Friedel darum bat, beim nächsten Besuch doch ein paar Holzscheite für den Ofen im Handtäschchen unterzubringen, heizten die fünf Chiemgauer mit ihren warmen Haarfarben und wohligen Texten ein.

"Herzblutsound" haben sie ihre Musik einfach getauft, um sich nicht zwischen Pop und Folk, zwischen Indie und Alp-Öhi entscheiden zu müssen: Vier moderne Frauen, die "überall die Weiten spüren, auch dahoam im Jetzt und Hier", sowie ein einzelner Holzhacker-Bua, der vom Balanceakt zwischen Beruf und Vaterrolle klagt.

Mit dieser Kombination können Kupfadache den ersten Teil ihres Versprechens, das Herz, vollends einhalten. Wer die Getränke, die Friedel bereitstellte, wirklich ausnutzen wollte, hätte eigentlich jedes Mal einen trinken müssen, wenn wieder das Wort "Herz" in einem der Lieder fiel. Das Herz als Handlungsträger tanzte die ganze Nacht, es drehte sich obenauf, zersprang dann und fraß sogar jemanden mit Haut und Haaren auf, an diesem Abend - dieses Organ ist mindestens so vielseitig einsetzbar wie Strohmayer, der im nächsten Moment schon auf einem bunttastigen Spielzeug klimpert oder aus dem Nichts in den Schlauch einer Melodica bläst. Alle in der Schrottgalerie haben ein sanftes Lächeln auf den Lippen. Sogar Friedel ist neidisch auf die volle, schallende Stimme von Sabine Appeltauer. Mit der Liebesgeschichte, diesem kaum greifbaren und eigentlich irrelevanten Liebhaber, den Appeltauer in ihren "therapeutischen", selbst verfassten Liedtexten besingt, schaffen Kupfadache es, einen roten Faden durch ihre Songs zu fädeln: zusammenzukommen und nach ein bisschen Gaudi wieder Schluss zu machen, wie im Bilderbuch.

Mit dem zweiten Teil des Versprechens, dem Blut in "Herzblut", ist es ein bisschen schwieriger. Am besten sind Kupfadache nämlich, wenn sie leicht und süffig sind. Zuerst kommen sie fashionably late in der Schrottgalerie an - "wir waren noch beim Italiener" - dann stimmen sie immer wieder geduldig ihre Instrumente nach, Silvia Pavic vergisst einen Liedanfang, Stefan Strohmayer erkundigt sich, was überhaupt als nächstes gespielt wird, Andrea Hronek belustigt es, dass ihr Backstage-Bereich gleichzeitig als enge Publikums-Garderobe dient - und Sabine Appeltauer begleitet all das mit einem sehr sympathischen Hände-in-die-Luft-Lachen. Eigentlich wünscht man sich, sie würden so witzig und natürlich singen, wie sie mit einander und dem Publikum sind. Diesem Feeling kommen sie einmal sehr nah, als sie in einem Song die Phrase "Wer weiß, wofür's gut ist" schelten, mit der bei Unglück und Verlust gern um sich geworfen wird; ähnlich wie mit dem Versprechen, man könne eines Tages sicher darüber lachen. "Solang's koaner woaß, wofür's guad is', is' einfach nur b'schissen und bled", kommentieren die Damen das mit Dreigesang, "lachst du scho'? Weil i lach' noch ned." Wenn sie gerade keine Phrasen kritisieren, dreschen sie auch selbst mal ein paar: In ihren Schnulzen treiben sie Papierschiffchen, Vogelschar und aufgehende Sonnen durchs Dorf, sind aber auch gleich wieder mit etwas anderem beschäftigt.

Richtig Herzblut, das kommt, als sie jodeln: Gitarristin Pavic und Zither-Zupferin Hronek leisten Leadsängerin Appeltauer im Spotlight Gesellschaft. Die drei zergliedern lückenbüßende "Uhhs" und "Ahhs" in Bände sprechende Sehnsuchtsrufe. Wenn ein Lied auf so eine Jodler-Salve endet, ist das Publikum kurz zu baff, um überhaupt zu klatschen; dann bricht es über Kupfadache herein. Da gelingt, was sich Appeltauer zum Ziel gemacht hat: "Die Heimatbezogenheit von Tom Waits ins Boarische zu übersetzen." Geht das denn, ohne Dünkel oder magische Verklärung? Im Lied "Hoamat" lautet die Devise schlicht und treffend: "A jeder suacht nach da Hoamat. I kann's ned finden. I kann nur z'ruckschau'n."

© SZ vom 20.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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