Flüchtlinge:Poing fordert Zugeständnis

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SZ-Grafik (Foto: N/A)

Bürgermeister Albert Hingerl verlangt vom Landrat, dass beide Schulturnhallen geräumt werden, wenn die Traglufthalle für Flüchtlinge in Grub im März fertig ist.

Von Barbara Mooser, Poing

Der Ton wird schärfer: In der vergangenen Woche hatte Poings Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) bei einer Infoveranstaltung in der Realschule noch diplomatisch darauf hingewiesen, dass seine Gemeinde nicht die Probleme bei der Asylbewerberunterbringung für den ganzen Landkreis lösen könne. Jetzt stellt er ganz klare Forderungen an den Landrat: Wenn die neue Traglufthalle in Grub im März eröffnet wird, erwartet er, dass dafür die Flüchtlingsunterkünfte in den beiden Poinger Turnhallen an der Dominik-Brunner-Realschule und der Seerosenschule aufgelöst werden. Selbst dann nämlich gibt es in Poing noch Platz für 475 Asylbewerber - das ist ein Drittel des gesamten derzeitigen Landkreiskontingents.

Neben der Halle, die Platz für 300 Menschen bieten wird, können weitere 135 Asylbewerber von Februar an in einem ehemaligen Arbeiterwohnheim am Bahnhof unterkommen, 40 Wohnplätze gibt es bereits in dezentralen Unterkünften. Für dieses Jahr ist darüber hinaus eine Containerunterkunft für 50 Menschen in Planung. Das reicht, findet Hingerl: Die beiden Turnhallen müssten wieder für den Schul- und Vereinssport frei gemacht werden. "Der Freistaat Bayern muss in Zukunft verstärkt seine eigenen freien Flächen für Bauvorhaben der kurz- und mittelfristigen Flüchtlingsunterbringung nutzen", unterstreicht Hingerl in einer Pressemitteilung.

Tatsächlich sind Angebote des Freistaats in der Vergangenheit rar geblieben, nun aber hat sich die Landesanstalt für Landwirtschaft bereit erklärt, eine Fläche in Grub für die Traglufthalle zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich um ein Areal an der Senator-Gerauer-Straße in direkter Nachbarschaft zu Weiden und Gebäuden der Landesanstalt für Landwirtschaft - und in Nachbarschaft zu 187 Bewohnern von Grub. Einige von ihnen zeigten sich am Mittwochabend bei einer Informationsveranstaltung des Landratsamts in Grub besorgt, was die neuen Nachbarn betrifft. Dass die Ereignisse von Köln dazu beigetragen haben, die Verunsicherung zu erhöhen, war mehr als deutlich. Es seien dort doch Dinge passiert, die sich zuvor niemand hätte vorstellen können, sagte ein Anwohner. Etliche Eltern äußerten Angst, dass sie ihre Kinder nicht mehr allein morgens und abends zur S-Bahn gehen lassen können: "Das ist mir nicht geheuer", sagte eine Zuhörerin. Ob es denn jemanden geben werde, der den Neuankömmlingen das hier geltende Wertesystem vermitteln werde, fragte eine andere. "Grub war schon immer weltoffen und nicht fremdenfeindlich, und das wird auch so bleiben", sagte eine andere Anwohnerin. Aber Grub sei auch sehr einsam und abgelegen, "es werden früh die Gehsteige hochgeklappt", daher habe sie Verständnis, wenn einige Angst hätten - auch wenn das bei ihr selbst nicht der Fall sei.

"Ich kann Ihnen die Angst und Sorge nicht nehmen, das wäre unseriös", räumte Landrat Robert Niedergesäß (CSU) ein. Er, seine Mitarbeiter, sowie der Poinger Polizeichef Helmut Hintereder machten allerdings auch deutlich, dass die bisherige Entwicklung an sich positiv stimmen muss. Denn weder mit Anwohnern, noch mit anderen Bürgern des Landkreises habe es bisher größere Konflikte gegeben. Wenn, dann gerieten die Asylbewerber unter sich aneinander, das sei aber auch nicht überraschend, sagte der Landrat: Gerade in den Turnhallen lebten Menschen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Herkunft extrem eng aufeinander - unter diesen Umständen würde wohl jeder ab und zu gereizt reagieren. Helmut Hintereder sagte, dass es im vergangenen Jahr zwar mehr Einsätze aufgrund der Asylbewerber gegeben habe, dass es dabei aber so gut wie nie andere Beteiligte gegeben habe. Insgesamt sei die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2014 zurückgegangen - obwohl knapp 900 Asylbewerber im Dienstbereich der Polizeiinspektion Poing lebten. Gefragt nach einem Konzept für die neue Situation in Grub, sagte Hintereder, man könne nicht zusichern, dass zu gewissen Zeiten ständig Polizeifahrzeuge an Ort und Stelle seien. Wie die anderen Asylbewerberunterkünfte werde aber auch die Halle mindestens zweimal täglich durch Streifen angefahren, die sich auch beim Sicherheitsdienst erkundigten, der 24 Stunden am Tag anwesend sei.

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Marion Wolinski, die für Asylbewerber zuständige Abteilungsleiterin im Landratsamt, sagte, die Neuankömmlinge würden sowohl von Mitarbeitern des Landratsamts als auch des Helferkreises darauf hingewiesen, welche Regeln sie hier beachten müssten und dass private Grundstücke für sie tabu seien. Es gebe auch in diversen Sprachen bebilderte Broschüren über dieses Thema. Sie lud die Anwohner dazu ein, offen auf die neuen Nachbarn zuzugehen und selbst mit ihnen zu sprechen. Auch das helfe, Ängste abzubauen. Ein Vertreter des Poinger Helferkreises, der sich bereits seit zwei Jahren um Flüchtlinge in der Gemeinde kümmert, appellierte ebenfalls an die Zuhörer: "Gehen Sie bitte davon aus, dass das nicht lauter Wüstlinge sind, die da kommen, sondern dass die Majorität ganz arme Schweine sind."

Die Gemeinde Poing hat angesichts der hohen Flüchtlingszahlen ein Integrationskonzept erstellt. Es wird in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am Dienstag, 19. Januar, 18.30 Uhr, erstmals öffentlich vorgestellt.

© SZ vom 15.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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