Festival:Frischer Wind

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Der Zornedinger Verein Junge Kultur öffnet sein Winter-Open-Air für ein breiteres Musik-Spektrum

Von Victor Sattler, Zorneding

Eben als in Zorneding die Straßenlaternen angeknipst werden, die Sonne untergeht und die an einem Feiertag ohnehin ruhigen Straßen sich gänzlich leeren, steigt vom Sportpark so etwas wie eine mysteriöse Rauchsäule auf. Hier, wo am Samstagabend das erste "Winter Open" des Vereins stattfindet, dampft vor der Bühne eine Nebelmaschine mit dem Atem der hart gesottenen Gäste um die Wette.

Ein Open-Air im Januar, wenn andere sich doch lieber um den Kamin scharen, Tanzen auf der Tartanbahn, wo sonst gesprintet wird - solche eigenwillige Kombinationen sind scheinbar die Spezialität des Zornedinger Vereins Jüngste Kultur, der von seiner bunten Interessenmischung lebt und sich als "chaotischen Haufen" sieht. Dieses Jahr haben sie gar noch einen draufgesetzt: Parallel zur Techno-Stage unter freiem Himmel mit der gewohnt elektronischen Musik verwandelte sich das Zelt nebenan in die "Wundertüten-Stage", in der verschiedene Musikrichtungen von Hip-Hop bis Dancehall in Reihenschaltung elektrisierend gemischt werden durften.

"Die bunt kombinierte Musik spiegelt nicht zuletzt unseren bunten Verein wieder", sagt der erste Beisitzer Moritz Dietz, der seinen Co-Mitgliedern vorschlug, diesmal auch etwas anderes zu machen, als immer nur Electro, für was das "Electro Open", wie es stets hieß, im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Tanztreffs" bekannt geworden war. Im Wundertüten-Zelt hat sich die Akustik-Band von Sebastian Stadler und Jakob Scholz einen Teppich und eine akklimatisierte Zimmerpflanze zum Auftritt mitgebracht. Für die übrige Dekoration ist Schriftführerin Sarah Möhrlein mit ihren Helfern verantwortlich, saisongetreu haben sie Papier- Schneeflocken ausgeschnitten und ein Planetarium aus Christbaumkugel-ähnlichen Objekten aufgehängt, die im UV-Licht schimmern.

Kein Bruch, lediglich mehr Abwechslung: Bisher war das "Winter Open" auf Techno und Electro ausgelegt. Dieses Jahr legen im Zornedinger Sport Hip-Hop- und Dancehall-DJs auf. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Bei den Musik-Acts etwas Neues auszuprobieren, sei manchmal nicht so einfach, erklärt Möhrlein; die Idee, zum ersten Mal auch eine Band mit Live-Musik einzuladen, war zunächst auf Zweifel im Verein gestoßen. "Dabei ist es ja kein kompletter Bruch mit dem Bisherigen, sondern einfach eine Abwechslung", betont sie. Außerdem wäre es überhaupt nicht typisch für Jüngste Kultur, jemandem den Auftritt oder Eintritt zu verweigern: Denn schon Gäste von 14 Jahren an dürfen hier dank einer Sondergenehmigung des Bayerischen Jugendrings bis Mitternacht bleiben und ausnahmsweise mit den Großen abfeiern. So etwas ist eine Seltenheit. Entsprechend groß ist hier auch der Security- und Sanitäter-Aufwand. Bei 500 Gästen musste der Verein schon vorab die Grenze setzen.

Die "Großen" dürfen sich im Zelt mit Glühwein warmhalten, wo die wummernden Beats gerade nur als Hintergrundbegleitung zu vernehmen sind, den Jüngeren heizt dafür draußen der DJ Naniz ein - und rote Nasen und rote Ohren lassen sich direkt an einer Fotobox ablichten: Eine kreative Spielerei von Beisitzer Dietz, welche die geschossenen Erinnerungsbilder ins Internet hochlädt und den Veranstaltern deutlich cooler als ein nerviger Club-Fotograf erschien. Ansonsten kommt das Feeling einem Nachtclub aber nahe, Naniz nimmt in bester DJ-Manier seine großen Kopfhörer unzählige Male ab, legt sie sich um den Hals und sogleich wieder auf die Ohren, während er die motivierten Tänzer "anschiebt".

Bunt soll das Open-Air sein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Das sind für uns alles echte Künstler!", sagt Dietz, der stets dahinter her war, dass auch das Einstecken eines USB-Sticks und Bedienen eines Plattenspielers ihren verdienten Platz als Kultur zugestanden bekommen. "Man braucht dafür Kreativität, aber auch ein musikalisches Grundverständnis, dazu kommt das technische Know-how - und man muss mit den Sachen spielen können", so beschreibt Yannick Bernhard, der Vereinsvorsitzende, der Naniz' "Desert House"-Stil nun mit seinem Tech-House ablöst, die Anforderungen des Auflegens.

Dank des Vereins Jüngste Kultur können sich im Rahmen der DJ-Workshops schon junge Kinder in dieser Kunst üben und bekommen danach womöglich auf den Open-Airs eine Bühne geboten. Um das Steckenpferd des Vereins, die Elektro-Musik, ist es also gut bestellt, das brandneue Konzept kann dem keinen Abbruch tun. Vielleicht mehr denn je hat sich das "Electro Open" unter neuem Namen "Winter Open" also seiner Wurzeln erinnert, indem es nach Austragungsjahren in Vaterstetten oder Kirchseeon auch wieder an die Location des allerersten Events 2011 zurückkehrte; "wo alles begann", wie Dietz sagt. Hinzu kommt, dass die auftretenden Künstler an diesem Abend bis auf wenige angeworbene Neuzugänge "Stammgäste, Urgesteine und Alteingesessene" sind, Workshop-Abgänger oder Wettbewerbs-Gewinner, die jeder ihren Part zur zwölfjährigen Erfolgsgeschichte des Vereins beigetragen haben.

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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