Lebensmittelversorgung auf dem Land:Den Laden im Dorf lassen

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Quelle: SZ-Grafik (Foto: N/A)

In ländlichen Regionen ist die Zahl der Einkaufsmöglichkeiten niedrig, viele Kommunen haben keinen Supermarkt. Die betroffenen Gemeinden behelfen sich auf vielfältige Weise.

Von Jessica Morof, Egmating

Die Milch ist aus, die Brotdose leer, die Butter glänzt nur durch Abwesenheit: Jeder kennt den Moment, in dem ein leerer Kühlschrank auf einen knurrenden Magen trifft. Dann ist ein Metzger, Bäcker oder Supermarkt nötig. Doch was tun, wenn keine Einkaufsmöglichkeit erreichbar ist? Vor diesem Problem stehen viele Bewohner des südlichen Landkreises, zum Beispiel in Egmating. "Wir haben einfach zu wenige Einkaufsmöglichkeiten", betont der zweite Bürgermeister Hans Heiler (ABE). Deshalb hat seine Partei im Gemeinderat für die Sitzung an diesem Dienstag den Antrag gestellt, sich über ein Dorfladen-Konzept zu informieren. Andere Gemeinden behelfen sich auf andere Weise.

Das Landratsamt hält zur Nahversorgung zwar keine detaillierten Aufstellungen vor - denn das sei Sache der Kommunen, erklärt Augustinus Meusel. Trotzdem ist sich der Sachgebietsleiter der Wirtschaftsförderung sicher, dass der Bedarf groß ist. Auch eine Studie des Bayerischen Wirtschaftsministeriums zeigt, dass Bäckereien und Metzgereien immer seltener werden und die Zahl an Supermärkten sinkt. Dafür werden einzelne Geschäfte immer größer, siedeln sich am Ortsrand im Gewerbegebiet an und sind fußläufig nicht erreichbar.

"Vor allem sind die ländlichen Regionen betroffen, also insbesondere der Süden des Landkreises", sagt Meusel. Ein Blick in eine Onlinekarte, die auch Einkaufsmöglichkeiten ausgibt, bestätigt den Verdacht: Während sich in großen Gemeinden mit S-Bahn-Anschluss wie Kirchseeon, Zorneding oder Poing und Markt Schwaben gleich mehrere Supermärkte bekannter Ketten, Drogerien und Apotheken finden, wird das Angebot weniger, je grüner die Karte sich präsentiert.

Im Norden sind zwar auch kleinere Gemeinden wie Anzing, Forstinning und Hohenlinden noch mit Supermärkten und Apotheken versorgt. Im Süden jedoch teilen sich meist mehrere Gemeinden wenige Einkaufsmöglichkeiten; Drogerien und Apotheken sind rar. "Im Markt Glonn ist die Situation für einen Ort dieser Größenordnung ganz gut", sagt Bürgermeister Josef Oswald. Es gebe einen Supermarkt sowie Bäcker und Metzger. Gleiches gilt für Aßling sowie Oberpframmern, wo sich zusätzlich ein Getränkemarkt angesiedelt hat. "Nur die fehlende Drogerie war einige Zeit ein großes Thema", erinnert sich Bürgermeister Andreas Lutz. "Doch den Unternehmen war der Ort einfach zu klein."

In den Nachbarschaften Egmating, Bruck, Emmering und Frauenneuharting sieht es hingegen wirklich mau aus. Supermärkte sind hier nicht zu finden; die Nahversorgung wird, wenn überhaupt, durch Bäcker, Metzger und kleine Geschäfte bestritten. In den Möglichkeiten, die Bürger zu versorgen, zeigen sich die Gemeinden im Süden aber kreativ. Wenn beispielsweise die Apotheke fehlt, werden die Medikamente eben geliefert. So berichtet Oberpframmerns Bürgermeister Lutz, es gebe zwar einen Arzt, aber eben keine Apotheke. Aus diesem Grund hat der Arbeitskreis Energie schon vor einigen Jahren eine Sammelstelle ins Leben gerufen. Dort können die Oberpframmerner ihre Rezepte abgeben; die Lieferung wird dann direkt nach Hause gebracht. Wenn das Rezept bis Mittag im Briefkasten liegt, wird noch bis um 16 Uhr ausgeliefert. Auch in Moosach nutzt man diesen Service.

Bei der Lebensmittelversorgung klappt dieses Konzept nicht so gut: Der Supermarkt in Glonn hat zwar einige Zeit einen Bringservice angeboten, ihn jedoch wegen fehlender Nachfrage wieder eingestellt. Doch es gibt andere Alternativen. In Moosach beispielsweise sei man keineswegs unterversorgt, sagt Bürgermeister Eugen Gillhuber. Denn die Metzgerei bietet dort auch Dinge des täglichen Bedarfs an. Diese Alternative nutzen verschiedene Gemeinden: Kleine Geschäfte und Hofläden versorgen die Bürger mit dem Nötigsten.

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Ähnliches könnte bald auch in Egmating zur Lösung werden. Ein Beispiel aus dem Nachbarlandkreis München hat Hans Heiler auf die Idee gebracht. Denn ein solches Geschäft, das von den Bürgern getragen wird, gibt es seit sechs Jahren in Harthausen bei Grasbrunn. Aufgebaut und finanziert haben es die Harthausener erst einmal selbst, dafür konnten sie mitbestimmen, wie das Angebot aussieht und woher die Produkte bezogen werden. "Die Akzeptanz der Bürger ist wichtig", erklärt Berater Wolfgang Gröll, der die Gemeinde bei Konzeption und Aufbau unterstützt hat und dies nun auch in Egmating tun soll. "Der Dorfladen soll keine Konkurrenz für bestehende Angebote sein, sondern sie ergänzen", sagt Gröll. Im Februar wird er in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung über die Möglichkeiten eines Dorfladens sowie über die Umsetzung berichten.

Auch in Frauenneuharting hat man ein solches Konzept schon vage im Blick. Denn dort gebe es kaum noch eine Nahversorgung, berichtet Bürgermeister Eduard Koch. "Wir haben keinen Arzt, keine Apotheke, keinen Metzger und nur einen kleinen Lebensmittelmarkt in Tegernau", sagt er. Auch der Bäcker hat aus logistischen Gründen zugemacht. "Mit der Versorgung sieht es nicht gut aus." Und für ein 1500 Seelen-Dorf finde sich eben kein Supermarkt und kein Discounter. Ein Dorfladen könnte Abhilfe schaffen, doch dafür benötige man eine Genossenschaft und hohe Einlagen, um überhaupt die Ware anzuschaffen. An diesen Herausforderung ist bereits ein Dorfladen in Moosach gescheitert. Kapital wie auch die Beteiligung der Bürger ließen laut Gillhuber zu Wünschen übrig. "Ein kleiner Laden im Ort ist eben etwas teurer als der große Supermarkt", so erklärt sich der Bürgermeister die niedrige Nachfrage.

Besonders problematisch zeigt sich die Lage in nahezu allen kleinen Ortschaften und Weilern. Denn dort fehlen fast immer Einkaufsmöglichkeiten. "Betroffen sind insbesondere nicht mobile Personen wie zum Beispiel ältere Menschen", erklärt Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Handelsverband Bayern. Denn der Trend gehe eben immer weiter in Richtung größerer Einkaufsmöglichkeiten. Mit ihnen verbinden viele Menschen ein größeres Angebot und somit günstigere Ware. Außerdem wünschen sich die Kunden ausreichend Parkmöglichkeiten, weshalb die Supermärkte eher am Ortsrand angesiedelt werden. "Und auf einmal", sagt Ohlmann, "ist der Ortskern leer und eine Abwärtsspirale folgt."

Nicht mobile Personen sind deshalb auf die Hilfe von Nachbarn, Freunden oder Verwandten angewiesen. Und hier liegt die gute Nachricht der mangelhaften Nahversorgung. Denn im ländlichen Raum funktionieren die sozialen Netzwerke noch gut. In Glonn beispielsweise beschweren sich laut Bürgermeister Oswald die Anwohner der kleinen Ortsteile keineswegs. "Sie haben sich mit der Situation arrangiert", erklärt er und fügt hinzu: "Man hilft sich gegenseitig, der Zusammenhalt ist da."

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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