Ebersberg:Weg vom Spar-Schwein

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Kleine konventionelle Mastbetriebe kämpfen auch im Landkreis ums Überleben. Ein Umstieg auf artgerechtere Haltung könnte für die Betriebe die Rettung sein - wenn auch die Verbraucher mitmachen

Von Julian Kettl, Anzing

Allein von der Schweinemast könnte ich meine Familie nicht mehr ernähren." Schweinebauer Martin Kandler aus Anzing gehört einer aussterbenden Spezies an. Seine Schweinemast mit 450 Tieren zählt zu einem der kleineren Betriebe und reicht lange nicht mehr für den Lebensunterhalt aus. "Wenn man kein Großbetrieb werden will, braucht man heute neben den Schweinen ein zweites oder sogar drittes Standbein", sagt er. Aus diesem Grund errichtete der Landwirt vor mehr als 25 Jahren gemeinsam mit seinem Vater eine Kompostieranlage, die seither als Haupteinnahmequelle des Bauernhofs dient. Ohne sie hätte die Familie die Landwirtschaft aufgeben müssen, wie es landesweit immer mehr Schweinebauern tun. Ein Blick auf die offiziellen Zahlen lässt den Strukturwandel deutlich werden.

In Bayern ging im vergangenen Jahr die Zahl Schweine haltender Betriebe um fast sechs Prozent zurück. Die Schweineproduktion sowie der gesamte Schweinebestand blieben jedoch nahezu gleich. Auch bundesweit zeichnet sich dieser Trend schon lange ab. In Deutschland gaben in den vergangenen 20 Jahren mehr als 90 Prozent der Schweinebauern ihr Geschäft auf, die Fleischproduktion verdoppelte sich jedoch. Das geht aus dem jährlich erscheinenden Fleischatlas der Heinrich-Böll-Stiftung hervor. Während große Schweinemastbetriebe also Bestand und Produktion stetig erhöhen, müssen kleinere dichtmachen.

Der Anzinger Landwirt Martin Kandler hält seine 450 Schweine in zwei Ställen, einer hat einen Spaltenboden, im anderen dürfen die Tiere im Stroh wühlen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Die Anforderungen werden einfach immer höher, mehr Geld will jedoch keiner zahlen", erklärt sich der Anzinger Landwirt das Phänomen. Betriebe wie seinen wird es wahrscheinlich in Zukunft nicht mehr geben. Eine kleine Schweinemast der konventionellen Art, keine großflächige Massentierhaltung, kein selbstvermarktender Bio-Hof. Kandler betreibt seine beiden Schweineställe mit zwei verschiedene Haltungsmethoden. Der größere Stall ist eine sogenannte Vollspaltenbodenhaltung, die wirtschaftlichste Variante. Im kleineren werden die Schweine auf Stroh gehalten, das ist zwar artgerechter, dafür aber auch deutlich aufwendiger.

Betreten kann man den Stall mit Spaltenboden nur in Overall und Gummistiefeln, die dafür von Martin Kandler ausgehändigt werden. Dann gelangt man zunächst zur sogenannten "Krankenbucht". In der sind kranke und verletzte Schweine untergebracht. "Hier haben sie mehr Platz und Ruhe, damit sie sich erholen können", sagt Kandler. Auch wegen der Ansteckungsgefahr würden sie von den übrigen isoliert. Die Tiere, die sich hier aufhalten, niesen wegen Erkrankungen oder haben angebissene Schwänze. "Leichter Kannibalismus kommt manchmal vor", wie der Landwirt erklärt. Verhaltensstörungen wie diese kommen daher, dass Schweine in einer Spaltbodenhaltung nicht ihrem natürlichen Verhalten wie dem Scharren oder Wühlen nach Futter nachkommen können. Weil sie dies in einer Strohhaltung tun können, ist diese Variante auch deutlich tierfreundlicher. Wirtschaftlich gesehen hat die Strohhaltung jedoch erhebliche Nachteile, wie Kandler erklärt: "Verletzungen an Tieren in der Strohhaltung entzünden sich sofort, und wenn ein Tier krank ist, geht das immer gleich auf andere Tiere über." Die Hygiene sei schwerer zu halten, Krankheiten breiteten sich viel schneller aus. Der Betrieb sei also mit einem enormen Mehraufwand an Kosten und Arbeit verbunden.

Martin Kandler wünscht sich, dass die Verbraucher bereit sind, mehr für gute Qualität zu zahlen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Dafür müssten seine Abnehmer bereit sein, mehr zu zahlen. Wenn er 40 Cent pro Kilo fürs Schweinefleisch mehr bekäme, würde sich für den Kleinbetrieb der gänzliche Umstieg auf Strohhaltung rentieren, rechnet Kandler vor. Die Folge wären glücklichere Schweine und hochwertigeres Fleisch. "Der Einzelhandel will aber nicht mehr zahlen, weil im Endeffekt auch der Verbraucher nicht mehr zahlt", erklärt Kandler. "In Umfragen behaupten die Leute immer, deutlich mehr für eine tierfreundlichere Haltung zu zahlen. Ich merke davon nichts."

Kandler hat recht. Laut Forsa-Umfrage wären 90 Prozent der Befragten bereit, "mehr fürs Fleisch zu zahlen, wenn die Tiere dafür besser gehalten werden, als es das Recht vorschreibt". Dass das meist jedoch nur Gerede ist, hat auch Patrick Klein erkannt. Er ist Leiter der Pressestelle der Initiative Tierwohl. "In der Realität sieht es dann doch noch einmal anders aus", sagt er. Eben aufgrund dieses Widerspruchs wurde seine Initiative gegründet. "Unsere Studien zeigen, dass der Verbraucher im Einzelhandel trotzdem zum billigeren Fleisch greift."

Gewaltige Dimensionen: das Futterlager des Mastbetriebs. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein Schweinebauer, der von der Initiative unterstützt wird, ist Metzger Markus Murr aus Poing. Während seine Kollegen reihenweise dichtmachen, eröffnet er in den nächsten Monaten seine Schweinemast mit 600 Tieren in Baumhau bei Moosach. "Meine Schweine werden ausschließlich auf Stroh gehalten", erklärt er. Darüber hinaus wird er den Mastbetrieb auch gleich auf Tierwohl-Standard auslegen. Es ist ihm klar, dass sein Unternehmen nur funktionieren wird, weil er schon feste Abnehmer hat, die bereit sind, mehr fürs Fleisch zu zahlen. Auch Murr erkennt, wie Kandler, dass sich kleinere Betriebe mit konventioneller Schweinhaltung nicht mehr rentieren. Doch er hat noch eine weitere Erklärung für den Rückgang. "Den Job will ja keiner mehr machen!" Zum einen sei der Beruf handwerklich aufwendig und zum anderen werde das Berufsbild zusätzlich in Medien und Schulen schlecht gemacht. Sein Betrieb soll dabei mit gutem Beispiel voran gehen und helfen, den Ruf der Schweinefleischproduktion wieder aufzupolieren. "Ich werde meine Ställe auch für Schulklassen und Kindergartengruppen öffnen, damit die sich das einmal anschauen können", kündigt er an. Die Besucher sollen sehen können, dass es den Schweinen in Murrs Haltung gutgehe.

Den Umstieg auf einen Vorzeigebetrieb, wie ihn der Poinger Metzger schaffen will, werden sich Schweinehalter wie Kandler nicht leisten können. Dazu fehlen ihnen finanzielle Unterstützung und zahlungsbereite Abnehmer. Der Trend wird sich laut Kandlers Einschätzung auch in Zukunft fortsetzen. Solange die Mehrheit der Verbraucher im Supermarkt oder Discounter immer noch lieber zum billigen Fleisch greift, muss dieser Bedarf gedeckt werden. Statt artgerechterer Haltung wird also großflächigere Massentierhaltung die einzige Option für konventionelle Schweinehalter sein, die im Geschäft bleiben wollen.

© SZ vom 01.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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