Neues Stadtgebiet:Grafing muss sich mit Bebauungsplan beeilen

Lesezeit: 3 min

Die Planung eines neuen Stadtgebiets auf dem Grafinger Baywa-Gelände neigt sich dem Ende zu. Das muss sie auch bald, denn sonst könnte der Investor nach Gutdünken bauen.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Auf dem ehemaligen Baywa-Gelände plant Grafing gerade einen neuen Stadtteil. Wenn der Bauherr für die Wohnungen darauf einmal ein Prospekt schreibt, muss er nichts beschönigen: Ein paar Meter nur sind es zum S-Bahnhof und selbst wer von hier aus nur schlendernd in Richtung Marktplatz geht, ist dort in fünf Minuten angekommen.

Die Nähe zur Stadtmitte ist für die künftigen Bewohner ein Segen, aber für die Stadtverwaltung beinahe ein Fluch. "Da einen attraktiven Bebauungsplan hinzubekommen, das ist schon extrem herausfordernd", sagt Bauamtsleiter Josef Niedermaier. Denn es gibt eine Menge Zwangslagen.

Probleme sind die kleinteilige Bebauung und der Emissionsschutz

"Das Gebiet ist recht verwinkelt und mitten in der Stadt", erklärt er. "Auf der Südseite ist die Bebauung sehr kleinteilig, im Norden seit Jahrzehnten ein Busunternehmen angesiedelt." Die Bahngleise nebenan verlangten nach umfangreichem Emissionsschutz. Die Zufahrt müsse mit über die Münchner Straße laufen und daher verbreitert werden. Und natürlich ist derjenige, an dessen Haustüre der Erschließungsweg vorbei geht, von den Planungen wenig begeistert.

Zwar wird er die Entwicklung des neuen Stadtgebiets nicht verhindern können - selbst die Anwälte des Nachbarn würden das neue Baugebiet nicht für grundsätzlich rechtswidrig erachten, heißt es im Stadtrat. "Trotzdem hat niemand Interesse daran, gegen die Anwohner vorzugehen", gab Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) in einer der vergangenen Sitzungen als Maxime aus.

Mit insgesamt 12 000 Quadratmetern ist das Baugebiet etwa doppelt so groß wie das Areal, das vor einigen Jahren an der Kellerstraße überplant wurde. Etwa 9 000 Quadratmeter sind abzüglich Erschließungsflächen noch bebaubar. Rund 200 Wohnungen seien nebst einigen Ladenflächen oder gar einer Gaststätte denkbar, sagt der Bauamtsleiter. "Grob gerechnet bietet das Areal also Platz für circa 400 neue Einwohner."

Noch dieses Jahr muss der Bebauungsplan fertig werden

Um bei der Entwicklung mitreden zu können, hatte die Stadt nach dem Verkauf des Geländes im Jahr 2013 mit der Aufstellung eines Bebauungsplans begonnen. "Das war nötig, weil auf dem Gelände Baurecht besteht." Die Dreijahresfrist, in der Grafing das Verfahren abschließen muss, läuft in diesem Jahr aus. Ist der Bebauungsplan bis dahin nicht fertig, könnte der Investor mit dem Bau beginnen - und zwar im Wesentlichen nach seinem Gutdünken. Wäre Stadtpolitik ein Theater, könnte man zurzeit also sagen: Die Angelegenheit steuert auf den dramaturgischen Höhe- und Wendepunkt, die Peripetie, zu.

Grafing geht mit einem Gedanken in den letzten planerischen Akt, der einer Quadratur des Kreises nahekommt: Die Stadt peilt eine Einigung mit dem Nachbarn über eine Verbreiterung der Fabrikstraße in Richtung Münchner Straße an. Gleichzeitig will sie eine effektive Abschirmung der Wohnungen in Richtung Bahngleise und Busunternehmen hinbekommen. Derzeit spricht jedoch einiges dafür, dass das Kalkül des Rathauses aufgehen könnte: Die Einigung mit dem Nachbarn könnte gelingen, weil ihm zum Ausgleich ein Grundstücksstreifen des bisherigen Baywa-Geländes angeboten wurde. Das wäre für ihn ein durchaus gutes Geschäft. Anstelle eines ohnehin nicht nutzbaren eineinhalb Meter breiten Straßenstreifens bekäme er wertvolle Quadratmeter auf der Nordseite seine Hauses.

Häuser wie in einer Wagenburg

Die Sache mit den Schallemissionen ließe sich durch eine geschickte Anordnung der Mehrfamilienhäuser regeln. "Wir stellen uns vor, die Häuser wie in einer Art Wagenburg anzuordnen", erklärt Niedermaier. Bei den innenliegenden Häusern sind drei Stockwerke vorgesehen. Die äußere Reihe steht viergeschossig in den Papieren. Deren Nord- und Nordwestfassaden wären damit gleichzeitig Schallschutz für das gesamte Areal. "Damit liegt dann natürlich bei den Architekten die große Aufgabe, die Planung der einzelnen Räume so hinzubekommen, dass die Wohnungen trotzdem attraktiv sind." Die ersten Vorplanungen ließen darauf schließen, dass der Spagat gelingt. "Es geht voran", bilanziert der Bauamtsleiter. "Aber halt Schritt für Schritt, damit das alles auch rechtlich wasserdicht ist." Keine Stadt fährt gerne zum Verwaltungsgericht.

Gleichwohl entspricht der aktuelle Stand eher einem Stopp: Der SPD-Stadtrat Ernst Böhm ist der Ansicht, dass der Bauträger an den Folgekosten der Gebietsentwicklung beteiligt werden könnte und sollte. Dazu gehören beispielsweise Ausgaben für Krippen- oder Hortplätze, die aufgrund der neuen Einwohner nötig werden können. Der Stadtrat folgte seiner Argumentation und gab ein Rechtsgutachten in Auftrag. Erst wenn es in einigen Wochen vorliegt, kann Grafing loslegen - und den neuen Bebauungsplan endlich formell beschließen.

© SZ vom 14.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: