Ehrenamtliche Flüchtlingshelfer im Landkreis:Am Limit

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Der Verein Ausländerhilfe klagt darüber, dass die wachsende Zahl an Flüchtlingen im Landkreis Ebersberg sie immer mehr belastet. Eine erste Maßnahme soll Abhilfe schaffen.

Von Nina Kugler, Ebersberg

Wenn die Zahlen der Flüchtlinge weiter steigen, steigt auch die Belastung für diejenigen, die sich um sie kümmern. Im Landkreis Ebersberg ist das in vorderster Linie der Verein Ausländerhilfe, in dem sich neben mehr als 100 Freiwilligen bisher eine einzige hauptamtliche Mitarbeiterin um die Organisation von Deutschkursen, Hausaufgabenbetreuung oder Ferienprogrammen kümmert. Der Verein will nun einen Antrag auf Ausweitung der hauptamtlichen Stelle beim bayerischen Sozialministerium einreichen.

Etwa 500 Asylbewerber aus mehr als 45 verschiedenen Staaten leben nach Vereinsangaben derzeit im Landkreis. Die angespannte politische Situation in großen Teilen der Welt wird aber weiter viele Menschen zur Flucht zwingen. Der Landkreis rechnet mit einer Verdopplung der Zahl der Hilfesuchenden noch dieses Jahr.

Der Verein hatte in dieser Woche zu einer Informationsveranstaltung in den Räumen des Ebersberger Familienzentrums geladen, um auf seine Situation aufmerksam zu machen. Als Ehrengast war Ben Rau, Mitarbeiter des bayerischen Flüchtlingsrats, gekommen, der den etwa 20 anwesenden ehrenamtlichen Helfern Informationen zum aktuellen Ausländerrecht geben sollte.

Die über 100 freiwilligen Helfer des Vereins geben Deutschkurse für Asylsuchende, helfen Flüchtlingskindern bei den Schularbeiten und kümmern sich um Freizeitaktivitäten im Kinderferienprogramm.

Die Hauptbelastung bekommt jedoch Anna-Dorothea Cohrs zu spüren, sie ist die einzige hauptamtliche Mitarbeiterin. Obwohl sie für eine Teilzeit-Stelle bezahlt wird, arbeitet sie Vollzeit. "Sie ist praktisch jeden Tag bis abends da", erzählt die Vereinssprecherin Ilke Ackstaller. Allein im vergangenen Jahr habe sie circa 1900 Beratungsgespräche geführt, persönlich wie auch am Telefon. Eine hohe Belastung, die man Cohrs auf den ersten Blick zwar nicht ansieht, an ihrem erschöpften, zustimmenden Nicken aber doch merkt.

Mit dem Antrag des Vereins ans Sozialministerium solle "die Stelle entweder um einige Wochenstunden erweitert oder gleich eine Ganztagsstelle beantragt werden", erklärt Ackstaller. Eine Entscheidung, die noch nicht endgültig gefallen ist. Allerdings stünden die Chancen nicht besonders gut, dass der Antrag genehmigt werde. "Das Sozialministerium fördert eher große Wohlfahrtsverbände und nur in seltenen Fällen einzelne Vereine wie unseren", so Cohrs. Auch deshalb sei die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer so wichtig.

Doch auch die bekommen die Belastung zu spüren. "Wir hinken hinterher. Es gibt einfach zu viele Flüchtlinge", meldet sich sogleich ein Ehrenamtlicher zu Wort, der Asylsuchenden Deutsch-Sprachkurse anbietet. Oftmals werde er während seines Unterrichts um juristischen Rat gebeten, er sei aber kein Anwalt, so falle ihm eine Beratung schwer. "Wir brauchen jetzt mehr Unterstützung", fordert er. "Das Thema ist zu komplex und wir kennen uns ja selbst nicht richtig aus damit."

Eine weitere Helferin berichtet von einem Vorfall, der sich erst kürzlich zugetragen habe. "Einer meiner Schüler hat einen gelben Brief von der Ausländerbehörde erhalten. Soll er damit zu einem Anwalt gehen?"

Der Sprecher des bayerischen Flüchtlingsrats Ben Rau nutzte die Möglichkeit, über die rechtliche Situation aufzuklären. Als Grundregel gelte, dass ein Rechtsanwalt einzuschalten sei, "sobald Unklarheit herrscht". Er selbst habe beobachtet, dass der Bund "gerne mehr Flüchtlinge abschieben" würde.

Dies hänge, wie er erklärte, mit dem Dublin-Abkommen zusammen. Danach dürfen Flüchtlinge nur in den Erstankunftsländern in der EU Asyl beantragen. "Wenn ein Syrer in Italien ankommt und dort Asyl beantragt, dann aber nach Deutschland weiterreist, wird er von hier nach Italien abgeschoben." Jedoch seien im vergangenen Jahr von den 170 000 Flüchtlingen lediglich 5000 wegen des Dublin-Abkommens abgeschoben worden. "Deshalb kommt jetzt mehr Druck vom Bund", erklärt Rau.

Durch ein neues Supervisions-Angebot des Kreistags hofft der Verein nun, dass die ehrenamtlichen Helfer seelische, fachliche und organisatorische Unterstützung erhalten. "Die Arbeit nimmt uns ganz schön mit. Wir müssen lernen, uns bis zu einem gewissen Grad selbst zu schützen", sagte Ackstaller.

© SZ vom 27.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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