Asylunterkunft:Krisengipfel im Container

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Eine Standpauke in fünf Sprachen soll das Zusammenleben von Flüchtlingen und Dorfbewohnern in Pöring verbessern

Von Karin Kampwerth, Zorneding

Wer das Klischee bedienen möchte, stellt sich so ein afrikanisches Palaver vor: Ein großer Sitzkreis, die Besucher drängen sich aneinander, man spricht nicht mit-, sondern durcheinander. Die Kleidung klebt in der Hitze am Körper, wer etwas Papier zur Hand hat, verteilt damit die schwüle Luft wie mit einem Fächer.

Das mit der Hitze stimmt, doch der afrikanische Dorfplatz war in diesem Fall ein Gemeinschaftsraum im ersten Stock der Flüchtlingsunterkunft im Zornedinger Ortsteil Pöring. Und es ging dem Wortsinn nach auch nicht um ein endloses Gerede, sondern um ein ernstes Gespräch. Zusammen gekommen waren knapp 30 der 61 Bewohner der Container, Vertreter des örtlichen Helferkreises, Bürgermeister Piet Mayr (CSU), seine Stellvertreterin Bianka Poschenrieder (SPD), Manfred Winter von der Poinger Polizei, die Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr Pöring, Christian Göbel und Bernhard Pfluger, sowie der erste Vorsitzender Thomas Schlung. Außerdem dabei: Christopher Höhl, Leiter der Abteilung Soziales im Ebersberger Landratsamt, und Andreas Skaletz, zuständig für das Asylbewerberleistungsgesetz.

Was die Besucher zu sagen hatten, war nicht unbedingt schön. Damit es die Zuhörer auch verstanden, hatte der Helferkreis Übersetzer für Englisch, Französisch, Tigrinya und Somali organisiert. Auch für die Pakistani war ein Dolmetscher gekommen. Die Pöringer hätten zum Teil Angst, berichtete der Bürgermeister. 70 Bürger hätten ihm einen Brief geschrieben, darin stehe, was so passiert ist, "auf dem Weg zur S-Bahn und auch hier". Die jungen Männer verstanden, manche blickten betroffen, andere wie ertappt auf den Fußboden.

Alfred Nowosad vom Helferkreis berichtete, wie ihn ein sturzbetrunkener Containerbewohner vom Fahrrad zerren wollte. Glücklicherweise wären dessen Begleiter Nowosad zur Hilfe gekommen. "Das kann man mir nicht zumuten. Und den Zornedingern schon gar nicht", sagte Nowosad. Dinge, die Angst und Schrecken verbreiteten, hätten im Dorf nichts verloren.

Die meisten Beschwerden kämen allerdings aus der Nachbarschaft. Ruhestörung ist eines der großen Themen im Dorf. "Die Kollegen sind nicht erfreut über die zusätzliche Arbeit", sagte Polizist Winter. "Wir werden in Zukunft auch bei Ruhestörung immer Anzeige erstatten." Das habe eine Geldbuße zur Folge. Und wo Winter gerade dabei war, schadete auch eine Aufklärung in noch unangenehmerer Hinsicht nicht. "Der Besitz und der Konsum von Marihuana ist verboten", sagte er. Jeder Verstoß könne zu Haft führen. Ein Regel, die für alle gelte, die in Deutschland lebten.

Keine Freunde, aber glücklicherweise auch noch keine Feinde haben sich die jungen Männer im Container bei der Freiwilligen Feuerwehr gemacht. Er sei schon öfter hiergewesen, "leider", sagte Erster Kommandant Christian Göbel. Alle Feuerwehrler seien Ehrenamtliche, die tagsüber einer Arbeit nachgingen und nachts aufstehen müssten, wenn der Alarm - auch durchaus schon mutwillig - ausgelöst werde. Er sei deshalb schon von Pöringern angesprochen worden, die fürchteten, dass sie die Lust verlören und nicht mehr zu ihnen kämen, wenn es wirklich einen Notfall gebe. Wer sich aber für die Feuerwehr interessiere, "der kann gerne bei uns mitmachen", sagte Göbel versöhnlich.

Michael Philipp vom Helferkreis appellierte an die Bewohner, auch zu einem besseren Miteinander zu finden. So seien die Möbel, die für die Gemeinschaftsräume gesammelt wurden, in den Privaträumen verschwunden. "Seid fair zueinander", sagte Philipp.

Dass die Bewohner nicht nur von Hitze und früher Nachtruhe frustriert sind, machte ein junger Mann klar. Sie stimmten allem Gesagten zu, aber viele litten darunter, dass sie nicht arbeiten dürften. Für eine Arbeitserlaubnis müsse man den Pass in der Ausländerbehörde vorlegen. Dort aber werde einem der Pass abgenommen und man werde zurückgeschickt. Wenn das passiere, so Andreas Skaletz, sei das keine Entscheidung des Landratsamtes, sondern eine Entscheidung der Politiker.

Weil alles andere eine Frage des gegenseitigen Respekts ist, nahmen die Bewohner den Vorschlag an, Sprecher zu wählen, die einerseits Verantwortung im Container übernehmen, andererseits aber den Bewohnern eine Stimme geben, wenn etwas für sie nicht passt. Damit sie bald vom ernsten Gespräch zum fröhlichen Palaver mit den Pöringern übergehen können.

© SZ vom 21.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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