Deutscher Filmball:Filmball ab!

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Mortiz Bleibtreu feiert mit seinen Kolleginnen Alicia von Rittberg (rechts) und Sibel Kekilli. (Foto: Robert Haas)

Im Bayerischen Hof zeigt sich, wie eine Party laufen kann, wenn sie von ausgebildeten Rampensäuen gefeiert wird.

Von Philipp Crone

Die Gäste mögen dieses Chaos. Im Grunde sind sie genau deshalb hier. "Wer hat dich denn reingelassen, Burschi?", fragt Günther Maria Halmer seinen Schauspielkollegen Jürgen Tarrach, ehe er ihm so kräftig auf die Schulter haut, dass es im Foyer des Bayerischen Hofes hallt und der nächste Kollege im Gewühl aus Journalisten, Schauspielern und Filmemachern aufmerksam wird.

Axel Milberg erspäht zwischen glitzernden Abendroben und Smoking-Männern den schnurrbärtigen Tarrach. Der setzt eine Grabesmine auf und heult Halmer vor, dass er seine Einladung nicht finde und er nicht in den Saal komme, als Milberg von hinten im Stile eines russischen Verbrechers raunt: "Isch kann disch reinbringään." Nur kurz ist Zeit für Begrüßungsgelächter, weil da schon Sophia Thomalla durch die Drehtür hereintritt und die wichtigste Frage (der Klatschreporterinnen im Raum) lautet: Wie trägt man bei dieser Mischung aus Bikini und Gala-Kleid nur Unterwäsche? Gar nicht, sagt Thomalla und bewirbt sich mit ihrem Blick als Milbergs Komplizin. Und für so eine Stand-up-Comedy ist Deutschlands Gesellschaftspresse angereist?

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Streng genommen passiert an diesem Abend ja nicht viel, außer dass gut gekleidete Menschen essen und tanzen. Nicht einmal ein Preis wird vergeben. Die Antwort lautet aber: Es geht nicht darum, was die Gäste an diesem Abend im Bayerischen Hof sagen oder machen, wenn sich die Filmbranche wie immer im Januar trifft, um das vergangene Jahr zu feiern. Es geht darum, wer es sagt und macht. Denn hier versammeln sich bis auf wenige Ausnahmen die bekanntesten deutschen Schauspieler, also diejenigen Gesichter, die man kennt.

Neid und Schadenfreude - die wichtigsten Emotionen

Und wenn Leute eine Party feiern, die man kennt, dann möchte man wissen, wie das so ist. Wenn das dann auch noch die vor Kameras und auf Bühnen am besten ausgebildeten Rampensäue der Nation sind, muss man einfach wissen, was da so passiert. Also, wenn man reinkommt, was für Jürgen Tarrach dann doch kein Problem ist, aber für Cathy Hummels, die Ehefrau des Dortmunder Fußballers, schon.

Hummels steht vor der Türsteherin, die den Zugang zum Saal bewacht, und zeigt ihr einen Whatsapp-Chat auf ihrem Handy. "Ich muss zu Tisch 47." "Ich brauche Ihre Einladungskarte." "Die liegt bei mir zu Hause." Den Ehering hat sie übrigens auch vergessen. Da hilft auch kein Thomalla-böser Blick, Hummels muss erst einmal die anderen vorlassen. Womit man schon bei einem Grund ist, warum hier überall Mikrofone und Kameras lauern: Neid und Schadenfreude sind die wichtigsten Emotionen, die Klatschmagazine bedienen.

Bei Hummels ist es Schadenfreude, bei Elyas M'Barek wohl mehr Neid. Der 33-Jährige hat zum ersten Mal seine Freundin dabei, Julia, Medizinstudentin aus Österreich. "Es war ein guter Anlass", sagt M'Barek, "und das Schöne ist, dass mir jetzt nicht mehr die Frage gestellt wird, die ich am häufigsten höre."

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Draußen ist Gebrüll, weil die im Schneeschauer ausharrenden Fans Veronica Ferres auf dem roten Teppich gesichtet haben, drinnen herrscht geschäftiges Tisch suchen und Hände schütteln. Rufen, Winken, Hetzen. Chaos eben, aber mit Stil. Die Schauspielerinnen Bibiana Beglau, Sibel Kekilli und Claudia Michelsen stehen am Hinterausgang bei einer Zigarette und grübeln: Links- oder rechtsrum? Rechts heißt: In die Limousine steigen, sich vor den roten Teppich fahren lassen, posieren, Platz nehmen. Links rum geht es zu Fuß auf den Teppich. Oder doch die zehn Meter gleich in den Saal, wie M'Barek, und kein Fotoshooting? Doch, das muss schon sein. Erst Eigenwerbung, dann Eintauchen. Und davor Fan-Arbeit.

Michelsen braucht für vier Unterschriften und drei Selfies mit Bewunderern 20 Sekunden - Autogramm-Akkord. Eine Unterschrift ist ja mehr als nur ein Sammler-Objekt in dieser Branche. Es ist der Beweis, dass es diese Fernsehfiguren wirklich gibt. Tarrach sagt: "Als Schauspieler bist du ja immer irgendwie entrückt. Die Leute wollen an so einem Abend ganz einfach auch wissen, ob wir normale Menschen sind."

Geldscheine rieseln ins Foyer

Sind sie, und in Party-Laune. Beglau klippst ihre Untertassen-großen goldenen Fisch-Ohrringe an ("Yves Saint Laurent!") und macht sich auf den Weg, neben ihr schaut Nachwuchsdarstellerin Anna-Lena Klenke kurz verdutzt, aber nicht wegen der Klimperfische, sondern weil Geldscheine aus dem ersten Stock runter ins Foyer rieseln (nur kleine). Was Schaulustige vor Aufregung so alles fallen lassen.

Geld brauchen die Gäste nicht an dem Abend, die Filmverleiher haben Darsteller und Förderer an ihre Tische geladen, Wolfsbarsch und Rindsfilet inklusive. Dazu gibt es ein Unterhaltungsprogramm im Stile eines Improvisationstheaters, das in dem Moment startet, als Medienministerin Ilse Aigner mit Gastgeber Alfred Holighaus, Chef der Spitzenorganisation Deutscher Film, zum Eröffnungswalzer schreitet.

Fotografen fluten freie Flächen, Kellner schieben Lachsfilet auf Wagen durch verstopfte Gänge und alle versuchen, in diesem Durcheinander aufzufallen. M'Barek muss dafür nur Julia in den Arm nehmen, und Moritz Bleibtreu eine Zigarette in die Hand. "Als ich das erste Mal hier war, kam Mooshammer mit seinem weißen Rolls-Royce vorgefahren", sagt Bleibtreu. "Das ist die letzte elitäre Filmveranstaltung, die wir haben."

Schunkeln mit Bier oder Eis am Stil in der Hand

Dieses Mal ist er jedoch nicht der erste Raucher im Nichtraucher-Saal, die Fack-ju-Göhte-Gören Gizem Emre (Zeynep) und Jella Haase (Chantal) aus M'Bareks Filmklasse quarzen schon, als manche ihr Himbeer-Frappé noch gar nicht angerührt haben. Vorgeglüht hat die zickige 10b mit Rosé, aus Angst vor einem faden Fest, doch Emre meint verblüfft: "Ist ja gar nicht so spießig, wie ich dachte." Da hat Ferres schon mit wehendem Haar geschwoft und ein Dutzend Fotografen um sich versammelt, Regisseurin Doris Dörrie rockt lieber abseits, zu "Highway to Hell".

Und während Florian David Fitz der Bayerischen Filmpreisträgerin Rosalie Thomass noch ausdauernd Komplimente ins Ohr flüstert, schunkeln gegen ein Uhr die meisten mit Bier oder Eis am Stil in der Hand. Zigarrenrauch taucht den Saal langsam in süßlich diesige Unbeschwertheit.

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Wer sich später auf den Heimweg macht, fühlt sich wie nach einem guten Kinofilm: beschwingt, angeregt und ein bisschen schlauer als vorher. Und wenn es nur die Erkenntnis ist, das diese entrückten Schauspieler auch ganz normale Menschen sind, die einfach richtig gut feiern können.

© SZ vom 18.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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