Verkehr:Mühsames Werben

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Die Aktion "Stadtradeln" ist in der Region enorm beliebt. Nur in Dachau fehlt es an Unterstützung

Von Christiane Bracht, Dachau

Strahlender Sonnenschein, laue Nächte - beste Bedingungen für das Stadtradeln, das am Sonntag im Landkreis Dachau startet. Höchste Zeit das Fahrrad aus dem Keller zu holen, die Reifen aufzupumpen und sich auf den Sattel zu schwingen. Die ersten 120 Teilnehmer haben sich bereits unter www.stadtradeln.de angemeldet. Die Organisatoren und Aktiven hoffen jedoch auf noch deutlich mehr Resonanz. Der Landkreis Dachau hat schließlich starke Konkurrenz. Zur gleichen Zeit sammeln nämlich auch die Radler in den Nachbarlandkreisen München, Fürstenfeldbruck, Starnberg und Landsberg Radkilometer. In den vergangenen Jahren waren diese sehr stark. In Dachau und Umgebung haben indes nur um die 300 Radler bei der Aktion mitgemacht.

Um mehr Leute zu erreichen, müsste man das Stadtradeln viel mehr in den Fokus der Öffentlichkeit tragen, sagen die Aktiven. "Viele wissen gar nicht, dass es die Aktion hier überhaupt gibt", klagt Monika Zott vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC). Im Landkreis Fürstenfeldbruck habe sie überall große Banner gesehen und an den Radwegen stünden Plakatständer, die auf das Stadtradeln hinweisen. Zwar haben die ADFCler in Dachau auch fleißig Plakate aufgehängt und Flugblätter verteilt, aber an vielen Orten werden sie abgewiesen. "Eigentlich müssten die Plakate groß an den Litfaßsäulen hängen", sagt Zott. Aber das kann nur die Stadt veranlassen. Auch eine Auftaktveranstaltung als Startschuss für die Bürger, damit sie wissen "jetzt geht's los", vermissen die Aktiven.

"Ich bin am Sonntag in unserem Partnerlandkreis in Polen", sagt Landrat Stefan Löwl (CSU). Wenn er am Montag wiederkomme, sei es dafür zu spät. "Nächstes Jahr vielleicht." Die Stadt Dachau wollte ursprünglich einen Radlkorso machen, sagt Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD). Doch die Polizei habe diesen abgesagt, weil sie für die Begleitung keine Kapazitäten habe. "Die Stadt hat aber dieses Jahr zum ersten Mal ein eigenes Team. Es ist offen für jedermann", wirbt Hartmann. Viele andere Gemeinden im Landkreis beteiligen sich erst gar nicht an der Aktion. Lediglich Dachau, Weichs, Bergkirchen und der Landkreis nehmen offiziell teil.

Unter diesen Voraussetzungen tun sich die Ehrenamtlichen schwer, neue Leute fürs Stadtradeln zu gewinnen. Zott hat bereits mehrere Touren zusammengestellt, die der ADFC während der dreiwöchigen Aktion anbietet, um die Teilnehmer zu motivieren. Wer am Samstag, 2. Juli, zum Schloss Kaltenberg mitradelt, kann Aktive aus Landsberg, Augsburg und Fürstenfeldbruck treffen. "Die Tour ist als Sternfahrt angelegt", erklärt Zott. Ungefähr 100 Kilometer müssen die Radler dafür zurücklegen. Am Dienstag, 4. Juli, steht eine Feierabendtour in die Aubinger Lohe auf dem Programm und am Sonntag, 9. Juli, drehen die Radler eine Runde Richtung Petersberg. Ziel ist die Wirtschaft "Freudenhaus". "Vielleicht gibt es noch Spontantouren", sagt Zott. Zum Abschluss des Stadtradelns ist am Samstag, 15. Juli, noch eine Sternfahrt geplant. Von Dachau aus fahren die Teilnehmer den Ammer-Amper-Radweg Richtung Haimhausen, Biberbach über den neu aufgeschütteten Jakobsweg nach Schönbrunn in den Wald hinein bis Mariabrunn und nach einer Rast wieder zurück. "Das ist nicht so lang und anstrengend. Jeder kann mitmachen", sagt Zott, die die Tour geplant hat.

Monika Zott kümmert sich um Plakate und Touren für die Aktion "Stadtradeln". (Foto: Niels P. Jørgensen)

Das gilt übrigens auch fürs Stadtradeln. Wer mitmachen will, kann sich einfach auf der offiziellen Homepage www.stadtradeln.de registrieren. Falls jemand Probleme mit dem Internet hat, kann er sich vertrauensvoll an den ADFC wenden. Die Ehrenamtlichen helfen weiter, versichert Peter Reiz vom Vorstand. Eingetragen werden darf jeder Kilometer, den man vom 25. Juni bis 15. Juli mit dem Rad gefahren ist - egal wo. Der Teilnehmer muss nur im Landkreis wohnen oder arbeiten. Überprüft werden die Einträge nicht. Man setzt auf Ehrlichkeit. Es zählen übrigens auch die Kilometer, die man mit einem Pedelec oder einem E-Bike zurückgelegt hat. Ums Kilometersammeln geht es nur vordergründig. Das Stadtradeln soll vielmehr bewirken, dass Leute auch das Rad als Option im Alltag wahrnehmen.

"Jeden Tag aufs Fahrrad" wäre ein schönes Motto, sagt Rainer Endreß, der 20 Jahre lang den ADFC Dachau geleitet hat und in den vergangenen Jahren sehr aktiv beim Stadtradeln war. "Wenn jeder im Nahbereich so oft wie möglich, das Rad nutzte, würde das Verkehrschaos merklich verringert", da ist sich Endreß sicher. "Ein Umdenken ist nötig: Beim Autofahrer, der die Radler als gleichwertige Verkehrsteilnehmer wahrnimmt und darauf achtet, genügend Abstand zu halten." Aber auch beim Einzelnen, damit er "nicht automatisch ins Auto steigt", wenn er zum Beispiel nur zwei Straßen weiter einkaufen will. Beim Stadtradeln habe man Gelegenheit das auszuprobieren, sagt Reiz. "Leider machen meist nur die mit, die sowieso Rad fahren", klagt indes Bündnis-Stadtrat Bernhard Sturm. Er hat schon oft versucht, Leute für die Aktion zu gewinnen, auch Kollegen. "Es ist zäh", sagt der Dachauer Sprecher für den Verkehrsclub Deutschland (VCD). Es fehle einfach am nötigen Marketing. Klimaschutz ist eine Sache, die sich viele Firmen gerne auf die Fahnen schreiben. Doch die Chefs dazu zu motivieren, für den Klimaschutz beim Stadtradeln mitzumachen, sei schwierig. Für Ehrenamtliche sei das nicht zu leisten. Von offizieller Seite müsste die Sache mehr angeschoben und immer wieder ins Gespräch gebracht werden und nicht nur so nebenbei behandelt werden, fordert er. "Es fehlen Impulse." Monika Zott ist indes stolz: Sie hat es geschafft, eine Kollegin mit ins Boot zu holen. "Nach ewigen Zeiten hat sie ihr Radl aus dem Keller geholt. Das ist es, was das Stadtradeln bewirken soll."

"Das neue Fahrradhaus, das jetzt am Dachauer Bahnhof gebaut wird, ist ein wesentlicher Punkt, damit das Thema Radfahren einen anderen Stellenwert bekommt", sagt Hartmann. Ziel müsse es sein, die Infrastruktur zu verbessern und den öffentlichen Nahverkehr gut auszubauen, dann könne man die Leute auch zum Umsteigen bewegen. Ein Fahrradkonzept sei in Arbeit. Auch der Landkreis will eine sechsstellige Summe für Lückenschlüsse im überörtlichen Radwegenetz bereitstellen, sagt Landrat Löwl. Auch insoweit kann das Stadtradeln helfen: Erstmals wird auf der Homepage www.stadtradeln.de das sogenannte "Radar" freigeschaltet. Dort kann jeder Gefahrenstellen auf Radwegen melden, falsche Beschilderungen oder auf unglückliche Regelungen aufmerksam machen, sogar per Handy.

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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