SZ-Benefizkonzert:Geistreich besinnlich

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Das SZ-Benefizkonzert mit fünf Streiflicht-Autoren und dem Jazz-Quartett max.bab setzt sich von den üblichen vorweihnachtlichen Feierstunden ab - und ist doch besinnlich.

Adolf Karl Gottwald und Robert Stocker

Benjamin Schäfer und Max von Mosch im intensiven musikalischen Dialog auf dem SZ-Benefizkonzert. (Foto: © joergensen.com)

- Welcher SZ-Leser freut sich nicht Tag für Tag auf seine Zeitung, nicht zuletzt auf das Streiflicht und bedauert diejenigen, die auf diesen exquisiten Literaturgenuss schon am frühen Morgen verzichten (müssen). Das Streiflicht gibt es seit 1946, es ist die älteste Kolumne einer deutschen Zeitung; es war von Anfang an anonym und blieb es bis heute. Wie gern hätte man gerade von den besten Streiflichtern gewusst, von wem diese köstlichen Ideen und diese brillanten Formulierungen stammen, aber da ging nichts. Ab und zu konnte man freilich aus der Themen- und noch mehr aus der charakteristischen Wortwahl ahnen oder sogar entnehmen, wessen Geist und Feder dahinter steckte.

Jetzt aber wurde der Schleier ein wenig gelüftet. Beim Dachauer SZ-Benefizkonzert für den SZ-Adventskalender lasen Streiflicht-Autoren aus ihren Streiflichtern. Die Spannung war groß: Wer hat die geschliffenen Federn in der Hand? Zunächst erfuhr man, dass es sieben Streiflicht-Schreiber gibt, fünf davon waren zur Lesung erschienen: Wolfgang Görl, Harald Hordych, Joachim Käppner, Hilmar Klute und Alex Rühle. Zwei blieben ungenannt.

Die fünf Autoren lasen nicht nur Eigenes, sie plauderten auch ein wenig aus dem Nähkästchen und verrieten, wie sie zu ihren Themen kommen. Da hörte man auch von den Bereichen, die sie bevorzugt wahrnehmen. Einer nimmt sich gern das Weltall vor und zieht es (wahrhaft eine Leistung!) zu Vergleichen her, der andere streift gern in der Tierwelt (auch ein großer Bereich), andere richten ihr Streiflicht gern auf Gerard Depardieu - körperlich auch eine Größe, ein Obelix. Im übrigen richtet man sein Augenmerk auf skurrile Pressemeldungen, die somit ins rechte Licht gerückt werden. Die Streiflichter sind ja nicht selten, sondern fast immer Glanzlichter.

Die fünf gefeierten Autoren trugen je drei eigene Streiflichter vor, dazwischen gab es Musik, ungenau gesagt Jazz; denn Jazz ist auch in Bayern ein großes Gebiet, das sich vom Bierzelt-Dixieland bis zum "Modern Jazz" erstreckt. Aber auch der Modern Jazz, den das in Dachau angetretene Jazz Quartett max.bab pflegt, ist eine facettenreiche Erscheinung. Deshalb sei hier eine Analyse, jedenfalls eine Beschreibung seines Musizierens versucht. Man darf Vergleiche mit klassischer Musik wagen, denn der Modern Jazz sucht ja seit John Lewis, dem Begründer des Modern Jazz Quartet eine Verbindung zu europäischer Kunstmusik.

Das Ensemble max.bab - die Bezeichnung setzt sich zusammen aus dem Vornamen des Saxofonisten Max von Mosch und den Anfangsbuchstaben der Vornamen von Benedikt Jahnel (Piano), Andi Haberl (Schlagzeug) und Benjamin Schäfer (Bass), vier jungen Musikern aus Geretsried, Gauting und Holzhausen - ist der Kammermusikabteilung des Modern Jazz zugewandt und betreibt Jazz in harmonisch-formaler Verfeinerung. Das machte sich beim SZ-Benefizkonzert zunächst durch wohltuendes Piano bemerkbar, das die Strukturen der Musik deutlich erkennen ließ. Die Harmonik ist an der klassischen Kadenz orientiert, was eingängige Melodik ohne Trivialität ermöglicht. Der musikalische Satz ist transparent, er erlaubt - cum grano salis - einen Vergleich mit den Klaviertrios von Joseph Haydn. Das Saxofon als Melodieinstrument spielt ("singt") oft das Gleiche wie die rechte Hand des Pianisten, dessen Linke zusammen mit dem meist gezupften Bass das Fundament bildet und beide Linien harmonisch ausfüllt.

Dabei spielt Benedikt Jahnel oft in der Technik der "locked hands", die von Lionel Hampton ausging. Verfeinerte Rhythmik, Feuer und Farbe kommt vor allem vom Schlagzeug, das Andi Haberl überwiegend sehr fein, kammermusikalisch bearbeitet. Erst bei einem großen Schlagzeugsolo legt er los und geht aus sich heraus.

Ein anderer Anknüpfungspunkt des Jazz Quartetts max.bab sind die aus einem einzigen Ton entwickelten Stücke, wie sie in der sogenannten Modernen Musik, etwa 1959 von Giacinto Scelsimti seinen "4 pezzi per orchestra su una nota sola" vorgestellt wurden. Selbstverständlich bleibt es nicht bei dem einen Ton, den hier der Klavierspieler unentwegt anschlägt. Drumherum blüht harmonisch und vor allem rhythmisch reiche Musik auf. Max.bab kam beim Publikum unerhört gut an, wenn sie "A flock of starlings" musikalisch darstellten, selbst wenn sie nichts anderes als "Just a sad melody" spielten.

Streiflichter befassen sich ja mit den Absurditäten dieser Welt, auf welche die Autoren in kleinen Agenturmeldungen stoßen, um Randnotizen, hinter denen sich dann doch große Abgründe auftun. Man muss sie eben nur entdecken. Alex Rühle zum Beispiel hat erkannt, dass japanische Ohrreinigungsstudios für das sexuelle Verhalten des Mannes große Bedeutung haben, Joachim Käppner legt tief schürfend dar, was im Boden vergrabene Hinterlassenschaften über die Menschen aussagen, und Wolfgang Görl macht den Besuchern im Thoma-Haus klar, warum man von einer angekokelten Scheibe Toast aus dem englischen Königshaus, die bei Christie's versteigert wurde, doch besser die Finger lassen sollte.

Mit Weihnachten hat das nicht viel zu tun, aber die feine und hintersinnige Ironie, begleitet von der dezenten Musik des Jazz-Quartetts, hat durchaus etwas Besinnliches und vor allem Geistreiches.

© SZ vom 22.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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