Stadtrat:So eine Überraschung

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Dachaus Stadträte entdecken einen Paragrafen, der seit Jahrzehnten unbeachtet in der Geschäftsordnung steht.

Von Walter Gierlich

Anders als in Karlsfeld, wo die neue Geschäftsordnung des Gemeinderats für die Amtszeit 2014 bis 2020 Paragraf für Paragraf einzeln durchgekaut wird, was in einer einzigen Sitzung nicht zu schaffen ist, schien die Verabschiedung des Regelwerks im Dachauer Stadtrat mehr oder weniger reine Formsache zu sein. Hatte man doch schon bei der konstituierenden Sitzung vor vier Wochen über einige Änderungsanträge an der alten Geschäftsordnung abgestimmt, so dass es am Dienstagabend eigentlich nur noch darum ging, das komplette und um die kleinen Änderungen ergänzte Werk mit seinen 38 Paragrafen abzunicken. Dachte man.

Doch Pustekuchen. In Paragraf 24 hatte Sabine Geißler, die neue Vorsitzende der Stadtratsfraktion des Bündnis für Dachau, eine überraschende Entdeckung gemacht. Im unveränderten Paragrafen 24 wohlgemerkt. "Soweit ein Antrag Ausgaben verursacht, die im Haushaltsplan nicht vorgesehen sind, muss er gleichzeitig Deckungsvorschläge enthalten. Anträge, die diesem Erfordernis nicht entsprechen, werden nicht behandelt." Diese beiden Sätze hatte Geißler da gelesen und sofort vor allem an ihre ehemalige, fraktionslose Stadtratskollegin Elisabeth Schilhabel gedacht, die bei ihrem Abgang aus dem Rathaus elf Anträge hinterlassen hatte. Darunter durchaus auch kostenintensive, wie etwa Partnerschaften mit den japanischen Städten Hiroshima und Nagasaki oder die Errichtung eines Ökodorfs auf dem Gelände der ehemaligen MD Papierfabrik. Die Bündnis-Stadträtin wunderte sich, dass man sich bisher nicht an die Vorschrift gehalten habe. Sie forderte, den Paragrafen 24 in Zukunft zu befolgen. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sagte: "Wir haben das bisher lockerer gehandhabt, aber wenn Sie das so wollen, dann können wir das machen. Das erspart uns viel Zeit und Mühe."

Das sah aber sein Parteifreund Volker C. Koch ganz anders und forderte, den Satz zu streichen. In den 24 Jahren, die er schon dem Stadtrat angehöre, sei bei den wenigsten Anträgen vorgeschlagen worden, woher das Geld kommen soll, dennoch seien sie "meist zielgerichtet gewesen". Daraufhin hob ein regelrechtes Feilschen an. Sören Schneider (SPD) machte den Kompromissvorschlag das Wörtchen "muss" durch "soll" zu ersetzen. Doch CSU-Fraktionschef Dominik Härtl erwiderte darauf streng: "Wir sollten das ernst nehmen ." Die Vorschrift sollte nach seiner Ansicht bleiben. "Es schadet nichts, wenn sich Fraktionen überlegen, wie man das finanziert, was sie fordern. Zum Ausschlusskriterium mochte er es aber auch nicht machen. Horst Ullmann (BfD) erklärte, dass man privat schließlich auch schauen müsse, wo man das Geld herbringe, das man ausgeben wolle. OB Hartmann machte schließlich einen Vorschlag zur Güte: Der Paragraf 24 bleibt unverändert, aber er werde sich die Anträge daraufhin anschauen, was sich die Stadt leisten könne. Einen Bedarf, über den Punkt abzustimmen, sah er nach ausgiebiger Diskussion ebenso wenig wie die Stadträte. Das ganze Papier wurde dann einstimmig abgenickt.

© SZ vom 05.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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