SPD:Vom Bohren dicker Bretter

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Auf einem Bildungskongress der SPD-Landtagsfraktion in Dachau geht es um Ganztags- und Gemeinschaftsschule sowie neue Formen des Lernens. Spitzenkandidat Ude mahnt, die Bevölkerung mit ins Boot zu nehmen.

Walter Gierlich

Unter Leitung von BR-Journalistin Susanne Rohrer (Mitte) diskutierten im Thoma-Haus (von links) Martin Güll, der Schweizer Schulleiter Reto Ammann, Christian Ude und Gymnasialdirektorin Claudia Langer über Bildungspolitik. (Foto: Toni Heigl)

- Münchens Oberbürgermeister Christian Ude mahnte zur Vorsicht. Der SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl im September 2013, gab sich in der Gesprächsrunde beim Bildungskongress der SPD-Landtagsfraktion im Ludwig-Thoma-Haus am Freitagabend als Warner vor allzu viel Euphorie. Er nahm zusammen mit dem Dachauer Landtagsabgeordneten und Vorsitzenden des Bildungsausschusses im Maximilianeum, Martin Güll, der Gymnasialdirektorin Claudia Langer aus Öttingen und dem Leiter der SBW-Lernhäuser im schweizerischen Romanshorn, Reto Ammann, an einer Gesprächsrunde unter Leitung von BR-Journalistin Susanne Rohrer teil, die den politischen Höhepunkt der siebenstündigen Veranstaltungen mit mehr als 220 Teilnehmern bildete. Darunter waren nicht nur Pädagogen aus ganz Bayern sondern auch zahlreiche Kommunalpolitiker, nicht nur von der SPD, sondern etwa auch die Bürgermeister von Petershausen und Röhrmoos, Günther Fuchs (CSU) und Hans Lingl (Freie Wähler).

Angelehnt an einen Spruch des früheren Bundeskanzlers Kurt-Georg Kiesinger ("Ich sage nur China, China, China") sagte Ude: "Ich sage nur Hamburg, Hamburg, Hamburg." In der Hansestadt ist vor einigen Jahren unter einer Koalition von CDU und Grünen die Einführung eines neuen Schulmodells am Beharrungsvermögen eines großen Teils des Bürgertums gescheitert. "Es hilft nicht einmal, wenn die Grünen die Schwarzen zwingen, rote Positionen zu übernehmen, wenn traditionelle Positionen entgegenstehen", sagte er. Daher sei Gülls Ansatz richtig, der für seine Pläne zur Einführung der Gemeinschaftsschule auch "die Bevölkerung mit sehr konservativen Vorstellungen mit ins Boot nehmen" wolle. "Seit 40 Jahren dümpeln die Probleme vor sich hin", seien soziale Auslese und Leistungsdruck eher schlimmer geworden. Doch nun gebe es mit der Gemeinschaftsschule die Chance auf einen Durchbruch, habe man sie doch "auf Augenhöhe mit Kommunen und Elternbeiräten entwickelt". Doch als Langer sagte, Kinder seien das Wichtigste, und es wäre " schön, wenn wir nicht aufs Geld schauen müssten", hakte Ude ein. Er sei als Spitzenkandidat ja mit vielen Themen befasst, von Rente und Pflege bis Verkehr, Energie und Breitband. "Immer kommt man zu dem überraschenden Ergebnis, dass man mit ein paar Milliarden mehr machen könnte", sagte er ironisch. "Mehr Geld, und dann ist alles gerichtet, das greift zu kurz."

Güll selbst sprach von einem "Weg, den wir miteinander entwickeln müssen. Es geht nur gemeinsam mit den Menschen, wir können nicht einfach sagen, so machen wir's." Auf 28 Veranstaltungen in ganz Bayern hätten er und seine SPD-Kolleginnen aus dem Bildungsausschuss ihr Konzept der Gemeinschaftsschule vorgestellt, bei dem Kinder nicht mit zehn Jahren nach Schulformen sortiert würden. "Jetzt wissen wir, wie es geht." Schwieriger als die Menschen mitzunehmen, von denen zwei Drittel nicht nur eine Ganztagsschule wollten, sondern auch längeres gemeinsame Lernen, sei es, die Kollegen im Bildungsausschuss zu überzeugen. "Es ist ein Bohren dicker Bretter, aber es sind schon Löcher zu erkennen."

Vor der Diskussionsrunde war es weniger um politische Themen, eher um pädagogische Fachfragen gegangen. Zunächst mit einem Referat des Pädagogikprofessors Jürgen Oelkers von der Universität Zürich, der in seiner Eröffnungsrede darlegte, was eine gute Ganztagsschule ausmache. Danach gab es drei Foren zu den Themen neue Schularchitektur, neue Wege der Pädagogik am Gymnasium und neues Lernen am Bespiel der privaten SBW-Lernhäuser aus der Schweiz. Am Ende standen ein Vortrag mit Film des Autors und Regisseurs Reinhard Kahl, ehe der Kabarettist André Hartmann für einen launigen Ausklang sorgte.

"Die Schule muss sich neu erfinden und mehr bieten als nur eine Abfolge von Unterrichtslektionen", hatte zu Beginn Oelkers gesagt. Gebraucht würden dazu neben Lehrern auch Erzieherinnen, Sozial-, Sport- und Musikpädagogen, aber auch Ehrenamtliche wie Lesepaten. Man dürfe die Ganztagsschule nicht isoliert betrachten, sondern müsse sie in ihrer kommunalen Verzahnung mit Sportvereinen und Musikschulen sehen. Ganztagsschulen würden rasch auch in Bayern flächendeckend kommen, dafür sorge schon der gesellschaftliche Druck, kündigte Oelkers zuversichtlich an: "Das Problem verlagert sich von der Ideologie auf die Wirklichkeit."

© SZ vom 03.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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