Räuber Kneißl:Erstaunlich lebendig

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Mathias Kneißl, der legendäre Räuber aus dem Dachauer Land, wurde vor 110 Jahren hingerichtet. Nun kehrt er in seine Heimat zurück - mit dem Theaterstück "Der Schatten eines Fluges".

Gregor Schiegl

Die Mutter kaufte die Leiche ihres Sohnes für 60 Mark frei, der Kopf aber fehlte. Am 21. Februar 1902 war Mathias Kneißl kurz nach sieben Uhr in Augsburg durch das Fallbeil enthauptet worden. Den Kopf bewahrte man wie eine Trophäe auf. Bis zum Sommer 1944 lag er in der Münchner Anatomie. Dann kam ein Bombenangriff. Seitdem gilt er als verschollen.

Und trotzdem ist er nicht totzukriegen, dieser Mathias Kneißl aus dem Dachauer Land. Im Gegenteil: 2008 brachte Regisseur Marcus H. Rosenmüller die Geschichte in die Kinos. Und nun kommt Felix Gattinger, Leiter des Fraunhofer-Theaters in München, mit einer Kneißl-Theaterproduktion. "Der Schatten eines Fluges" heißt das poetische Stück von Wolfgang Maria Bauer, das er im September im Ludwig-Thoma-Haus zeigt - gefördert von der Stadt Dachau und dem Bezirk Oberbayern. "Man muss den Kneißl dahin zurückbringen, wo er hingehört", sagt Gattinger. "Zurück ins Dachauer Moos."

Denn nicht nur bei den Kunstschaffenden ist der legendäre bayerische Räuber immer noch erstaunlich lebendig, wie sich der Theatermacher aus München selbst überzeugen konnte. Auch in der Dachauer Landbevölkerung ist die Erinnerung an den gewitzten Schurken immer noch präsent. "Wenn man mit den Leuten redet, kann man kaum glauben, dass Kneißl schon so lange tot ist." Und bis heute scheiden sich die Geister am Kneißl. "Manche sagen: Das ist ein Guter." Andere seien einfach weggegangen, weil sie die alte Geschichte schon nicht mehr hören konnten.

Manche seien auch verärgert gewesen, wie die Geschichte dargestellt wird: Etwa, dass es 60 Polizisten gewesen seien, die ihn im März 1901 im Aumacher-Anwesen in Geisenhofen umstellten und es eine halbe Stunde lang mit Kugeln durchsiebten. Mathias Kneißl wurde schwer verwundet herausgetragen. Dann geheilt, verurteilt - geköpft. Ein trauriges Ende. "Er hatte nichts Heldenhaftes an sich", sagt Gattinger. "Alles was er hatte, war sein Fahrrad, seine berühmte Drillingsbüchse und der Sumpf, in dem er sich versteckte."

Und trotzdem hat es der Räuber Kneißl zu fast so etwas wie einem Volkshelden gebracht. "Der Räuber Kneißl steht in Bayern in einer Traditionslinie mit dem Wilderer Jennerwein und dem Bayerischen Hiasl", sagt Gattinger: ein gesetzloser Wohltäter. In jedem Wildererfilm gebe es diese klischeehafte Szene, in der der Verfolgte Kopf und Kragen riskiert, um jemandem aus Lebensgefahr zu retten. Auch Kneißl wurde verklärt. Als romantischer Frauenverführer, als tollkühner Wilderer, als diskriminierter Außenseiter, als Freiheitskämpfer oder gar "bayerischer Robin Hood".

Natürlich kann man das alles abtun als Verkitschung und Legendenbildung. Aber der Mythos, der ja bereits zu Kneißls Lebzeiten entstand, wirft für Theatermacher Gattinger auch eine Frage auf, die heute noch relevant ist: "Wie dünn ist eigentlich die Trennwand zwischen Terrorist, Freiheitskämpfer, Schwerverbrecher?" Und wie kann man gleichzeitig Held und Schurke sein - ohne dass es einen zerreißt? Wie länge hält die eigene Identität solche Spannungen aus?

Der Schatten eines Fluges" zeichnet auch nach, wie sich die dramatischen Ereignisse auf Kneißls Seelenleben auswirken. Surreale Traumbilder illustrieren die "psychische Talfahrt", wie Gattinger es nennt: Realitätsverlust, fortschreitende Isolation, Kneißls überreizte Wachsamkeit, die immer mehr in Paranoia umschlägt. Irgendwann ist die ganze Welt nur mehr Feind, und niemand mehr da, dem er traut.

Die Darsteller sind Vera Lippisch, Julia Loibl, Oliver Bitzer, Andreas Mayer, Helmut Ruge. Auch Felix Gattinger selbst spielt mit, allerdings nur in einer kleinen Nebenrolle. Hauptdarsteller ist Christopher Walther, Absolvent der Schauspielschule Charlottenburg, und damit "im Original-Kneißl-Alter". Musikalisch begleitet wird die Theateraufführung von der Oberammergauer Musikgruppe Kofelgschroa.

Premiere am Freitag, 21. September, weitere Aufführungen am 22. /28. / 29. September; Beginn jeweils 20 Uhr im Dachauer Ludwig-Thoma-Haus. Karten zu 15, beziehungsweise 10 Euro gibt es bei der Dachauer Rundschau, Konrad-Adenauer-Straße 27, Dachau, Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 9 bis 12 Uhr und 13 bis 17 Uhr sowie Freitag 9 bis 17 Uhr, Telefon: 08131/51 81 11, E-Mail: brigitte.haindl@dachauer-rundschau.de. Reservierung Abendkasse: 089 / 890 40 771

© SZ vom 21.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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