Prozess vor dem Amtsgericht:Zwielichtige Sicherheitskräfte

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Beim Prozess um eine Schlägerei in der ehemaligen Traglufthalle in Karlsfeld stellt sich heraus, dass zwei der Angeklagten in Schutzgelderpressungen in Ostdeutschland verwickelt und einschlägig vorbestraft sind

Von Benjamin Emonts, Dachau

Es waren tumultartige Szenen, die sich am 13. Dezember 2015 vor der Asyl-Sammelunterkunft in Karlsfeld abspielten. Nach einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen einem senegalesischen Asylbewerber und einem Security-Mitarbeiter schlossen sich etwa 40 bis 50 Flüchtlinge zusammen und bewarfen den Sicherheitsdienst mit Steinen. Einer der Flüchtlinge erlitt durch Schläge einen doppelten Bruch des Unterkiefers und verlor einen Backenzahn. Er musste operiert werden. Erst die Polizei konnte die Situation mit einem Großaufgebot von 40 Beamten auflösen. Die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck nahm die Ermittlungen auf.

Am Montag mussten sich nun drei Security-Mitarbeiter und zwei senegalesische Flüchtlinge vor dem Amtsgericht Dachau verantworten. Den Asylbewerbern wurde versuchte gefährliche Körperverletzung, Landfriedensbruch in besonders schwerem Fall und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen; den Mitarbeitern des Sicherheitsdiensts vorsätzliche Körperverletzung und gefährliche Körperverletzung. Alle drei Sicherheitsmänner gaben an, zum Tatzeitpunkt bei einem Subunternehmen aus Ostdeutschland Praktikanten gewesen zu sein. Das Unternehmen wurde vom Altomünsterer Sicherheitsunternehmen D&T Security engagiert, das Alexander Dallmayr, der Leiter des Sachgebiets 31 "Personenstands- und Ausländerwesen" im Dachauer Landratsamt, als offiziell genehmigte Nebentätigkeit führt. Die Kreisräte Martin Güll (SPD) und Marese Hoffmann (Grüne) hatten diese Verquickung von Funktionen kritisiert.

Zwei der Angeklagten, ein 38-jähriger Mann aus Cottbus und ein 27-Jähriger aus Ludwigsfelde bei Berlin, haben bereits etliche Straftaten angesammelt, von Hehlerei über Diebstahl bis hin zu gefährlicher Körperverletzung und unerlaubtem Waffenbesitz. Das Amtsgericht Zossen verurteilte die Männer im Mai 2016 zu Freiheitsstrafen von drei beziehungsweise zwei Jahren und acht Monaten. Laut einem Gerichtsbericht der Märkischen Allgemeinen soll der Cottbusser den Hells Angels angehören. Im Jahr 2014 sollen die Männer versucht haben, den Betreiber eines Tattoo-Studios in Ludwigsfelde zu erpressen. Der Cottbusser soll dem Betreiber mehrere Faustschläge versetzt und ein monatliches Schutzgeld von 600 Euro verlangt haben. Das Opfer ging zur Polizei. Einer der drei Angeklagten versuchte die Asylbewerber noch im Dachauer Gerichtssaal mit bedrohlichen Blicken einzuschüchtern.

Angespanntes Verhältnis

Obwohl die Ermittlungen bereits liefen, wurden die Männer im Dezember 2015 als Sicherheitskräfte in der Karlsfelder Traglufthalle eingesetzt. In der inzwischen geschlossenen Unterkunft lebten seinerzeit etwa 250 Flüchtlinge auf engstem Raum. Ihr Verhältnis zu den Security-Mitarbeitern sei angespannt gewesen, berichten beide Seiten. Am 13. Dezember gegen 13 Uhr eskalierte die Situation. Asylsuchende und Sicherheitsdienst prügelten sich. Es flogen Steine, Stühle und Schuhe. Einige Flüchtlinge sollen sich mit Holzprügeln bewaffnet haben. Security-Mitarbeiter sollen Pfefferspray und einen Schlagstock eingesetzt haben. Welche Personen die Taten im einzelnen verübt haben, konnte in der sechsstündigen Verhandlung nicht abschließend geklärt werden. "Es war eine sehr unübersichtliche Situation mit vielen Beteiligten", sagte der Amtsrichter.

Das Verfahren gegen die zwei vorbestraften Security-Mitarbeiter wurde vorläufig eingestellt. Es wird nun abgewartet, wie der Prozess wegen räuberischer Erpressung gegen beide Männer endet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Im Falle einer definitiven Verurteilung werden die in Dachau erhobenen Vorwürfe nicht mehr verfolgt, weil sie in Hinsicht auf die ausgesprochenen Haftstrafen als geringfügig gelten und zu keiner Erhöhung des Strafmaßes führen würden. Im Falle eines Freispruchs würde das Verfahren wieder aufgenommen. Die Schläge, welche die Männer den Flüchtlingen versetzt haben sollen, konnten ihnen nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden.

Das Verfahren gegen einen 20-jährigen Security-Mitarbeiter wurde wegen Geringfügigkeit gegen eine Zahlung von 300 Euro vorläufig eingestellt. Er war mit einem der Afrikaner in die Auseinandersetzung verwickelt, die Ausgangspunkt der Ausschreitungen war. Sein Kontrahent räumte ein, einen Stein nach dem Mann geworfen zu haben. Er wurde wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt. Der zweite Senegalese wurde frei gesprochen.

© SZ vom 16.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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