Protestkundgebung:"Nur ein richtiger Arbeitskampf hilft weiter"

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Der Betriebsrat des Helios-Klinikums in Dachau ruft zum Protest auf und fordert neue Arbeitsplätze, um die Pflege entscheidend zu verbessern. Anscheinend ist die Belegschaft zu massiven Streiks bereit

Von Wolfgang Eitler, Dachau

Die Auseinandersetzungen zwischen der Belegschaft des Helios-Klinikums in Dachau und der Leitung spitzen sich zu. Der Betriebsrat pocht auf mehr Personal, nachdem ein Sieben-Punkte-Plan der Geschäftsführung aus seiner Sicht kläglich gescheitert ist. Er bezeichnet die Situation der Pflegekräfte als unerträglich. Deswegen ruft er gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi zu einer Protestkundgebung an diesem Donnerstag, 11. Mai, um elf Uhr am Eingang zum Klinikum auf. Während einer Podiumsdiskussion der Partei Die Linke am Dienstagabend in Dachau wurde zugleich deutlich, dass die Bereitschaft zu langen und harten Streiks für eine bessere Pflege wächst.

Nach dieser Veranstaltung der Linken darf man mit Lenin fragen: Was tun? Der Revolutionär und Mitbegründer der ehemaligen Sowjetunion wusste seine Antworten. Die Vorsitzende der Linken der beiden Landkreise Dachau und Fürstenfeldbruck, Renate Schiefer, wollte von den Teilnehmern der Podiumsdiskussion und den 31 Zuhörern im Gasthaus Drei Rosen in Dachau genau wissen, was geschehen soll.

Die Geschäftsführung ist nicht bereit, die Forderungen des Betriebsrates zu erfüllen

An der Einschätzung der Pflege durch die Belegschaft hat sich in den vergangenen Monaten nichts geändert. Die Geschäftsführung von Helios in Dachau und mehr noch des Konzernvorstands in Berlin sind demnach nicht bereit, die grundlegende Forderungen des Betriebsrats zu erfüllen. Die Tätigkeiten von Fremdfirmen sollten eingeschränkt werden. Die Arbeit sollte nicht mehr aufgesplittert werden, damit die Fachkräfte beispielsweise die Sauberkeit auf ihren Stationen wieder beeinflussen können. Es sollten wieder "Teams" gebildet werden. Diese Gemeinsamkeit, mit dem Ziel einer ethischen Ansprüchen genügenden Versorgung der Patienten, wünschte sich im Herbst vergangenen Jahres auch der Dachauer Kreistag. Der Landkreis ist mit 5,1 Prozent an der Helios-Amperklinikum Dachau AG beteiligt und nimmt für sich in Anspruch, die Geschicke des Unternehmens beeinflussen zu können.

Auf der Podiumsdiskussion zogen Helios-Betriebsratsvorsitzender Claus-Dieter Möbs und Krankenpfleger Matthias Gramlich von der unabhängigen Betriebsgruppe ein gemeinsames Fazit: "Das ist ein Null-Punkte-Plan." Die Geschäftsführung schwärme von besseren Arbeitsabläufen. "Aber von den Betroffenen hört man nur das Gegenteil", sagte Möbs. Gramlich: "Am despektierlichen Umgang von Helios mit dem Personal hat sich nichts geändert."

Bezahlung komme "Einstieg in die Altersarmut" gleich

Neu hingegen sind die düsteren Aussichten für das Personal wegen des Haustarifvertrags. Ausdrücklich warnte der Vertreter der Gewerkschaft Verdi, Christian Reischl, vor einer Anstellung bei Helios. Denn die Bezahlung komme einem "Einstieg in die Altersarmut" gleich. Im Gegensatz zu den Tarifverträgen bei Stiftungen oder kommunalen Kliniken fehle bei Helios in Dachau in allen neu abgeschlossenen Verträgen die für die Rente maßgebliche Zusatzversorgung durch den Arbeitgeber von ungefähr acht Prozent des jeweiligen jährlichen Bruttolohns. Bisher lobten Kreisräte parteiübergreifend die übertarifliche Bezahlung. Nach Berechnungen von Verdi fehlen in Dachau 70 Planstellen. Von den genehmigten seien 15 nicht besetzt.

Linken-Kreisvorsitzende Schiefer hatte neben Reischl den gesundheitspolitischen Sprecher im Bundestag, Harald Weinberg, zu der Diskussion eingeladen. Beide sollten den politischen Hintergrund der Krankenhauspolitik ausleuchten. Der Sachverhalt ist unumstritten: Seit dem Jahr 1996 hat die Bundespolitik in mehreren Schritten darauf gedrängt, dass an den Kliniken nach privatwirtschaftlichen Prinzipien gehandelt wird und damit die Privatisierung vorangetrieben. Mit der Folge, dass die Pflege als Kostenfaktor bewertet wird. Deswegen stiegen zusehends mehr Pflegekräfte aus dem Beruf aus. Verdi-Sprecher Christian Reischl: "Wir haben nicht zu wenig ausgebildete Pflegerinnen und Pfleger." Die Arbeit werde als unzumutbar empfunden.

Absurdes System

Weinberg bemühte eine Analogie, um darzulegen, wie absurd das System mittlerweile geworden sei. An Kliniken werde nach Fallpauschalen bezahlt. Würde diese Abrechnungsmethode beispielsweise bei Feuerwehren eingeführt, müsste sie Brände legen, damit sich ihre teuren Gerätschaften amortisierten. Reischl wie auch Weinberg pochten auf Änderungen in der Gesundheitspolitik. Gewinne dürften nicht mehr ausgezahlt werden: "Das sind unsere Krankenkassenbeiträge, die als Dividenden ausgezahlt werden."

Die Geschäftsführung tut zu wenig, kritisiert Claus-Dieter Möbs, Betriebsratsvorsitzender in der Helios-Klinik. (Foto: Niels P. Joergensen)

Mit diesen Vorschlägen überzeugten Weinberg und Reischl die Zuhörer nicht. Sie fragten: "Was nützt uns diese politische Diskussion kurzfristig?" - "Was muss passieren, damit sich jetzt etwas verbessert?" Matthias Gramlich von der unabhängigen Betriebsgruppe zeigte sich desillusioniert. "Von der Politik erwarte ich nichts mehr." Seine Lösung lautet: "Nur ein richtiger Arbeitskampf hilft uns weiter." - "Wir müssen auf unsere eigene Kraft vertrauen." Möbs setzt auf die Beharrlichkeit von Verhandlungen: "Ich gebe die Hoffnung nicht auf." Beide wünschen sich eine kritische Öffentlichkeit in Dachau, die sich mit den Pflegekräften solidarisiert und es nicht bei der Kritik an Missständen belässt. Der Protest ist Teil einer bundesweiten Verdi-Unterschriftenaktion für eine bessere Pflege.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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