Plug & Play:Von Ekstase bis Stille

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Das elfte Plug & Play-Festival begeistert die Dachauer durch seine Vielseitigkeit. Im Mittelpunkt steht der Spaß an der Musik

Von Laura Winter, Dachau

Als die ersten Töne der markanten Gitarren erklingen, haben sie den gesamten Saal in ihrem Bann. Mit "Whole Lotta Love" von Led Zeppelin eröffnen Boxhead ihren Auftritt. Ein Wunder, dass Andi Pernpeintner nicht vom Hocker seiner Hammond-Orgel fällt; er haut in die Tasten, wirft den Kopf nach vorne. Bald kniet er auf seinem Instrument. Die Band steigert sich in wilde Rocker-Ekstase, das Publikum tut es ihnen gleich. So manch einer dürfte sich über seine Kurzhaar-Frisur geärgert haben. Was jedoch niemanden davon abhält, den Kopf im Rhythmus der Rock-Hits nach vorn zu werfen. Nicht einmal der Ausfall des Verstärkers kann Boxhead stoppen.

Für einen kurzen Moment verstummen die Gitarren, rasch versucht Florian Ebner, sein Instrument für das Solo wieder funktionstüchtig zu machen. Ihr Improvisationstalent zeigen sie schnell: Sänger Mickey Wenzel umschließt das Mikrofon fest mit seinen Händen, holt tief Luft und beginnt, mit seiner Stimme die Gitarre zu imitieren. Als kurz darauf die richtige Gitarre wieder erklingt, sind alle restlos begeistert.

"Halleluja, war des a bisl gut", kommentiert Robert Freudenberg, Gitarrist und Sänger der Band Just Chanpero, den Auftritt der Dachauer Rock-Band. Und sie bleiben nicht die einzigen, die die Menge an diesem Abend mitreißen. Insgesamt elf Bands spielen, 1111 Sekunden hat jede dafür Zeit. Ein Monitor zeigt den Countdown an. Das bedeutet: knapp 18 Minuten voll Abwechslung, Begeisterung und Spaß. Denn das elfte "Plug & Play" im Ludwig-Thoma-Haus vermittelt vor allem eins: Spaß an der Musik. Die Reihenfolge, in der sie auftreten, wird kurz vor Beginn ausgelost. Beim diesjährigen Jubiläum beginnen die Sistas mit ihrem Female Rock'n'Soul. Sie eröffnen das Festival gut gelaunt, bei ihrem Song "Leben in der Stadt" grooven die Zuhörer mit ihnen.

Das Thoma-Haus bebt

Trotz einiger kleiner Pannen und Umstrukturierungen bieten die Veranstalter ihren Gästen einen genialen Abend, bei dem jeder auf seinen Geschmack gekommen sein dürfte. Rainer Rackl, Sänger der Band T4U, hatte knapp ein halbes Jahr Arbeit in die Vorbereitungen für das Festival gesteckt. Um so ärgerlicher, dass er ausgerechnet am großen Abend krank daheim im Bett liegt. Der Auftritt von T4U wurde abgesagt, Ersatz fand Freudenberg in letzter Sekunde mit der Punkrock-Band Kalapi. Was laut Freudenberg wie eine "asiatische Süßspeise" klingt, bringt das gesamte Haus zum Beben. Einige wenige verlassen den Raum, die lauten E-Gitarren und der heisere Punkrock steht in krassem Kontrast zu den X.anglbuam, die zuvor gespielt hatten. Vor der Bühne bildet sich eine Menschentraube. Sie beginnen zu klatschen, zu kreischen, zu springen. Bald pogen sie unaufhaltsam, knapp 18 Minuten am Stück. Spätestens mit "Schrei nach Liebe" von den Ärzten bringen Kalapi dann alle zum Tanzen.

Für Susi und die Schreinerbuam, die ebenfalls krank sind, springt Sascha Seelemann ein. Es sind vor allem sanfte Balladen, die er an diesem Abend spielt. Er wird von Zuhörern umringt, manche setzen sich neben ihn, singen mit oder lauschen aufmerksam den ruhigen Melodien. Ein Beweis für die Vielseitigkeit des "Plug & Play" sind aber auch die MTV Unplugged Tribute Show oder die Gruppe Glam Revolution. Mit langen Perücken und schrill-bunten Kostümen betreten sie selbstsicher die Bühne. Gelassen bis rockig singen sie Hits der 1970er, die im Publikum ebenfalls auf große Resonanz stoßen.

Die wohl leiseste Band beim diesjährigen "Plug & Play" war Garou. Die vier Musiker, die man bereits von "Orange Fizz" und "Mama Makes Coffee" kennt, spielen sanfte Akustik-Cover. Bei ihrem Auftritt herrscht beinahe Stille im Raum, nur einige wenige flüstern. Sie durchbrechen die wilde, exzessive Stimmung des Abends und überzeugen durch ihre authentische Musik. Passend zu der angenehmen Ruhe, die sie verbreiten, beenden sie ihre 1111 Sekunden mit "Not with haste" von Mumford and Sons.

Zum Abschluss spielt die Dachauer Bigband. Sie fasst das gesamte Festival in einem Auftritt zusammen: Sie feiert ausgelassen, leitet über zu sanften Passagen, um im nächsten Augenblick erneut vollkommen auszurasten. Eine grandiose Mischung, die allen sichtlich Spaß macht.

© SZ vom 19.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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