Petershausen:Lockerheit mit Struktur

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Die Freie Schule in Petershausen freut sich nach Anfangsproblemen über wachsenden Zuspruch und will bereits zum nächsten Herbst insgesamt 40 Kinder unterrichten. Eltern aus dem ganzen Landkreis sind begeistert.

Von Petra Schafflik

Schulleiterin Verena Seibt übt Rechnen mit Giuliana. (Foto: DAH)

In der Pause haben sich die 29 Kinder auf dem Hof ausgetobt, jetzt kehrt in den Schulräumen entspannte Ruhe ein. Der sechsjährige Finley zieht sich mit einem Kinderbuch auf die Fensterbank zurück. Konzentriert arbeitet er sich Zeile für Zeile durch die spannende Geschichte. Nebenan in der Werkstatt will Jona an seinem Wasserrad weiterbauen, sägt dafür nun akkurat die Flügelblätter zurecht. Im großen Schulzimmer nebenan wird am Boden und an Tischen gerechnet, geschrieben und konzipiert. In der Computerecke tippt die neunjährige Antonia eifrig ihren Beitrag für die Schülerzeitung in den Rechner. Freiarbeit - dieses feste Zeitkontingent, in dem die Schüler nach ihren Interessen eigenständig lernen und arbeiten, ist wesentlicher Baustein im Konzept der Aktiven Schule Petershausen. Die 2009 gegründete Grundschule in freier Trägerschaft hat sich inzwischen im Landkreis etabliert. Die Nachfrage steigt, im kommenden Schuljahr wird eine zweite Lerngruppe eingerichtet.

Was auf den ersten Blick nach grenzenloser Freiheit aussieht, folgt doch einer klaren Struktur: Jeden Morgen treffen sich die 29 Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren in den Schulräumen an der Jetzendorfer Straße zum gemeinsamen Frühstück, bevor es mit festen Unterrichtsthemen in kleinen Arbeitsgruppen weitergeht. Nach der Pause arbeiten die Mädchen und Jungen nach ihren Interessen an Projekten, üben wichtige Fertigkeiten und erledigen Aufträge, die ihnen ihr individueller Wochenplan vorgibt. Begleitet und betreut werden die Kinder dabei von Grundschullehrerin Verena Seibt, die weitere Pädagogen unterstützen.

Jedes Kind bekommt immer wieder bei Bedarf kleine Hinweise, Anleitung und Anregung, wird in seinem selbständigen Lernen gefördert. An zwei Tagen betreuen zwei Lernbegleiter mit Englisch und Spanisch als Muttersprache die Kinder, die quasi wie nebenbei im Schulalltag mit diesen Sprachen in Kontakt kommen. Von und mit der Natur wird am speziellen "Draußentag" gelernt. Die Aktive Schule ist außerdem als Ganztagsschule konzipiert, nach dem gemeinsamen Mittagessen geht der Schultag bis 15 Uhr weiter. In der Freien Aktiven Schule, so der Grundgedanke der Initiatoren, sollen Kinder selbstbestimmt lernen, ohne starren 45-Minuten-Takt, ohne permanente Leistungsbewertung, dafür mit anregendem Lernmaterial und viel Bewegung. Dieses Konzept, erarbeitet von Eltern, deren Kinder zuvor Wald- und Naturkindergärten besuchten, überzeugt inzwischen immer mehr Familien. "Wir stoßen auf enormes Interesse", sagt Claudia Schaller, die als Geschäftsführerin für den Trägerverein die Schule organisiert. Bereits seit vorigem Schuljahr gebe es "mehr Nachfrage als Plätze". Die Schüler kämen bis aus Karlsfeld und Freising in die Petershausener Schule, auch für das nächste Schuljahr "sind wir schon fast wieder voll".

So rund lief es nicht von Anfang an. Lange hatte sich in der Gründungsphase der Schulstart ein ums andere Mal verzögert. Letztlich mussten sich die Initiatoren die Genehmigung für ihr alternatives Schulprojekt sogar vor dem Verwaltungsgericht erstreiten. Diese schwierigen Anfänge sind inzwischen vergessen. Heute ziehen Familien, die von auswärts in die Region München kommen, wegen des besonderen Schulangebots extra nach Petershausen, sagt Geschäftsführerin Schaller. Auch Rückkehrer aus dem Ausland fragen an. "Diese Eltern kommen aus Überzeugung, weil sie hinter unserem Konzept stehen." Einige Quereinsteiger besuchen die Schule, Mädchen und Jungen, die im regulären Schulsystem nicht zurechtgekommen sind und hier aufblühen.

Weil das Interesse am alternativen pädagogischen Konzept groß ist, hat der Trägerverein als ergänzendes Angebot bereits im vorigen Jahr eine Vorschule initiiert, die im Schulhaus integriert ist. Ein Projekt, das vom ersten Tag an ausgebucht war. Während aber ganz offenbar Eltern aus der Region das pädagogische Konzept von Vorschule und Schule mehr und mehr schätzen, vermissen die Initiatoren ein wenig die Wertschätzung aus dem heimischen Rathaus. Dass die Aktive Schule Petershausen für die Gemeinde ein Standortfaktor sein könnte, "das wird nicht so gesehen".

Um der Nachfrage nach Schulplätzen besser gerecht zu werden, wird die Schule ihre Kapazität von September an auf 40 Schüler erweitern. Dazu werden die vorhandenen Schulräume im Sommer umgebaut, sodass zwei gleichwertige, große Klassenräume für künftig parallel laufende Lerngruppen entstehen. Am Ziel ist die Freie Aktive Schule damit aber noch nicht angekommen. Langfristig wird der Ausbau zu einer Volksschule bis zur zehnten Jahrgangsstufe und mit verschiedenen Schulabschlüssen angestrebt. Eine gewaltige Aufgabe, die derzeit noch Zukunftsmusik ist.

© SZ vom 26.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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