Neue Impulse für Kultur:Blumen, Bier und Bordsteinkunst

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Ist Bier Kultur? Für die Genossen im Dachauer Stadtrat auf jeden Fall. Die CSU-Fraktion zeigt sich skeptisch. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die SPD steuert eine ganze Palette kreativer Ideen für das kulturelle Leben der Stadt Dachau bei

Von Viktoria Großmann, Dachau

Eigentlich braucht die Kultur von der Politik nichts anderes als Geld. Das setzt manchmal ein gewisses Verständnis und Einsicht in die Notwendigkeit dieser von Aktenordnern tragenden Pragmatikern als eher zweckfrei betrachteten Disziplin voraus. Meist kann man aber mit den Argumenten Verschönerung, allgemeine Erbauung, Baulücke oder Touristenattraktion einiges erreichen. Manchmal jedoch wollen die Politiker, sie nennen sich dann Kulturpolitiker, auch mal selbst eine Idee haben. Die nicht selten zwischen Aktendeckeln zerrieben wird oder sich den Spott echter Kreativer zuzieht.

Die SPD-Fraktion sah im vergangenen Kulturausschuss gleich zwei ihrer farbenfrohen Anträge zu grauem Bedenkenträgerstaub zerbröseln. Auf ihrer Homepage beschwert sich die rote Tischseite über Ablehnungen "ohne glaubwürdige Argumente". So ein bisschen fehlten diese allerdings auch beim Antragsteller. Es ging um Kunst im Kreisverkehr und Bierbrauer auf dem Musiksommer.

Stellte sich die Frage: Ist Bier Kultur? Ausgerechnet von der CSU, der bayerischen Brauchtumspartei, kam diese skeptische Überlegung. Natürlich ist die CSU auch eine wirtschaftsfreundliche Partei und im Stadtrat größter Verteidiger der Regionalmesse Diva, die denn auch als geeigneter Ort genannt wurde, auf dem sich kleinere und kleinste Brauereien aus dem Landkreis präsentieren könnten. Der SPD war ganz offensichtlich eher nach Freibier, im Sinne von Bier im Freien genießen, zumute. Sie warb in ihrem Antrag für einen Brautreff, auf dem Brauer und Bierliebhaber zusammenfinden können, als Ergänzung zum Dachauer Musiksommer. Auf dem ja sowieso auch getrunken wird, irgendwie. Mehrere Kollegen aus anderen Fraktionen rangen sich zu dem Urteil "charmant" für diesen Antrag durch, der sie erkennbar ratlos machte. Nein, auch prüfen sollte die Stadt nicht erst, wie man das umsetzen könnte. So etwas müsste dann schon als Privatinitiative von den Unternehmern selbst kommen, dann unterstütze die Stadt dies sicher gern, hieß es aus den Reihen von ÜB, CSU und Bündnis.

Einen klaren Sieg in der Argumentation, nicht aber in der Sache, erlangte die SPD immerhin beim Thema Kunst in Kreisverkehren. Als Entree der Stadt sollten diese entsprechend gestaltet werden, nebenbei bekämen Künstler Ausstellungsfläche. So weit die sehr verständliche und weltweit sichtbar häufig umgesetzte Idee.

Hier nun stimmten CSU und Bündnis ein Loblied auf die Stadtgärtnerei an, welche die Kreisverkehre an den Einlasstoren Dachaus auf berückende Weise gestalte, so schön, man werde direkt von entzückten Bürgern auf der Straße darauf angesprochen. Kunst also müsse nicht sein, die Gestaltung sei bereits hinreißend und überhaupt, wer habe denn beim Autofahren Zeit, Kunst zu würdigen.

Mit einem innerlichen und beinahe auch äußerlich hörbaren "Ha!" entgegnete pointiert SPD-Stadtrat Sören Schneider, wer beim Autofahren Zeit habe, kleine Blütenkelche wahrzunehmen, dem entginge wohl erst recht kein Kunstwerk. Wenn nun aber jemandem das Kunstwerk so sehr den Kopf verdrehe, dass er gar nicht mehr auf den Verkehr achten könne, klagte Horst Ullmann, wie alle in der Fraktion Bürger für Dachau - sofern es nicht um die Weihnachtsbeleuchtung der Münchner Straße geht - stets aufs Sparen bedacht.

Auf die Kosten verweisend wiegte die Mehrheit der Kulturausschussmitglieder die von den nächsten Haushaltszahlen schweren Köpfe und hob mehr oder weniger ehrlich bedauernd die Schultern. Da half es auch nichts, dass Wolfgang Moll (parteilos) vorschlug, die Stadt möge sich Kunstpaten, also Geldgeber für die bildnerischen Werke im Kreisel suchen. Es seien schon so viele Beschlüsse für die Kunst im öffentlichen Raum gefasst worden, warf Franz Vieregg (ÜB) ein. Die könne man doch zuerst mal umsetzen. Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) mahnte sanft, dass die Beschlüsse dann wieder aktiviert werden müssten. Sie seien von den Stadträten zurück gestellt worden. Zum Aktivieren hatte ad hoc keiner Lust, die Kunst im Kreisel wurde trotzdem abgelehnt. Geld, die Kriminalpolizei weiß das, ist ein Totschlagargument.

© SZ vom 24.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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