Mitten in Dachau:Dein Freund und Dealer

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Ein Busfahrer findet ein Tütchen Marihuana und überbringt es der Polizei. Die ruft den "Verlierer" dazu auf, seinen Besitz auf der Wache abzuholen.

Von Benjamin Emonts

Die Polizei, dein Freund und Helfer. Oft trifft dieser Satz zu. Beispielsweise wenn man angegriffen wird, einen Einbruch daheim verkraften muss oder wenn einem das Auto gestohlen wird. Wenn man viel Glück hat, kann man bei der Polizei sogar sein verloren oder gestohlen geglaubtes Smartphone abholen, falls es dort freundlicherweise abgegeben wurde.

Aber die Polizei kann auch anders - und vom Abholen gewisser Besitztümer auf dem Polizeirevier muss manchmal dringend abgeraten werden, wie eine Begebenheit aus Dachau zeigt. Ein Busfahrer der Stadtwerke hatte am Mittwochmorgen - sehr vorbildlich - bei der Dachauer Polizei angerufen und vermeldet, dass er in seinem Bus ein kleines Tütchen mit Marihuana gefunden hatte. Anstatt es zu verqualmen, was sich als Busfahrer und auch sonst natürlich verbietet, wollte er das Päckchen abgeben. An der Haltestelle Polizei machte er also einen kurzen Stopp und überreichte den Beamten das Marihuana, wie er es sonst nur mit verlorenen Zeitfahrkarten macht. Auf dem Revier kam das Marihuana dann vermutlich in irgendeine Aservatenkammer, wo es auf seine Vernichtung wartet. Wie auch immer. Der Pressesprecher der Polizei schrieb später: "Offensichtlich hat eine bislang unbekannte Person das Rauschgift im Bus verloren oder vergessen." Und er notierte den bemerkenswerten Zusatz: "Der Verlierer kann es sich natürlich bei der Polizeiinspektion Dachau abholen."

Restriktive Drogenpolitik

Moment. Ist Marihuana im Freistaat Bayern inzwischen legal? Kann der (ehemalige) Besitzer - oder wie es die Polizei formuliert "der Verlierer" - des kleinen Tütchens einfach in die Wache marschieren und sie samt Marihuana breit grinsend wieder verlassen? So nach dem Motto: Die Polizei, dein Freund, Helfer und Dealer? Mit Sicherheit nicht! Der Besitz und Verkauf von Cannabis ist in Bayern strengstens verboten. Sollte Marihuana jemals entkriminalisiert oder legalisiert werden, dann im Freistaat Bayern, der für seine restriktive Drogenpolitik bekannt ist, ganz sicher zu allerletzt.

Dem "Verlierer" des Marihuana kann deshalb nicht dazu geraten werden, sich das Kraut auf dem Revier wieder zu holen. Besonders wenn er keine Lust auf eine Anzeige mit anschließender Leibesvisitation und Hausdurchsuchung hat. Bei Marihuana hört sich der Spaß nämlich auf. Obwohl die Einladung der Polizei eigentlich sehr zuvorkommend geklungen hat.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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