Markt Indersdorf:Das Kreuz mit der Wirtschaft

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Von fünf bayerischen Lokalen ist in Markt Indersdorf nur noch eines übrig geblieben. Ein Grieche hat jetzt den denkmalgeschützten Gasthof Steidle gekauft. Aber es gibt noch ein Problem.

Robert Stocker

- Niko Zahoropoulos blickt in ein Loch. Ganz unten ist ein Gang mit einem gemauerten Rundbogen zu erkennen, der zu einem unterirdischen Labyrinth gehört. Das verschachtelte Gangsystem liegt unter dem früheren Gasthaus Steidle, das der Grieche erworben hat und jetzt mit hohem Aufwand saniert. Ein Fass ohne Boden ist vor allem das Kellergewölbe, in dem zu Zeiten des Brauereigasthofs Steiger Eisblöcke und Kohlen gelagert wurden. Bis 1920 stand hier noch ein Bräuhaus, neben der Brauerei des Augustiner Chorherrenstifts einst die zweite Sudstätte in Markt Indersdorf. Die Kellerräume sind feucht und voller Schimmel; Zahoropoulos versucht sie trocken zu legen. "Immer wieder", sagt der Investor aus dem krisengeschüttelten Griechenland, der seit 33 Jahren in Deutschland lebt, "stoßen wir bei der Renovierung auf Überraschungen. Einen Schatz haben wir leider noch nicht gefunden." Statt dessen arbeiten sie sich von Loch zu Loch, das sich plötzlich vor ihnen auftut.

Ein tiefes Loch klafft auch in der gastronomischen Landschaft des Ortes, die der Grieche wieder gern beleben würde. Jahrzehnte lang war das Gasthaus Steidle eine überaus beliebte bayerische Wirtschaft, in der die Indersdorfer gern ihren Sonntagsbraten verzehrten. Stammtischbrüder trafen sich hier, im Saal wurden rauschende Faschingsbälle gefeiert, die Fußballer des TSV Indersdorf begossen Siege und Niederlagen, Vereine, Verbände oder Parteien hielten dort Versammlungen ab. Das Gasthaus war ein Hort des Gesellschaftslebens, aber auch für Klatsch und Tratsch, der im Gastzimmer die Runde machte. Weil das Wirtsehepaar keinen Nachfolger hatte, wurde das Lokal verpachtet, wenig später stand es zum Verkauf. Seitdem ist die Traditionsgaststätte verwaist. Vor einigen Jahren gab es in Markt Indersdorf noch fünf alt eingesessene Wirtshäuser, die das Attribut bayerisch verdienten; zwei davon sind inzwischen abgerissen, zwei stehen leer und werden saniert. Wann und ob das Gasthaus Steidle und die Klostergaststätte jemals wieder ihren Betrieb aufnehmen, steht derzeit in den Sternen. Wie lange die letzte bayerische Wirtschaft, das Gasthaus Funk neben dem Kloster, noch besteht, ist ebenfalls unklar. Immer wieder kursieren Gerüchte, dass die Besitzer den Wirtshausbetrieb einstellen, weil die Kinder das Lokal nicht übernehmen wollen.

Niko Zahoropoulos würde "den Steidle", wie die Indersdorfer den Gasthof nennen, gern wieder reaktivieren - nicht mit einer griechischen Taverne, sondern mit einem deutschen Wirt. Bisher hat er keinen gefunden. "Das muss jemand sein, der etwas von seinem Fach versteht, bayerische und internationale Küche anbietet und den Job mit Engagement macht", sagt Zahoropoulos, der in der Dachauer Bahnhofstraße eine kleine Kneipe betreibt und Jahre lang in Markt Indersdorf - neben dem längst abgerissenen Müllerbräu - als fliegender Händler Obst und Gemüse verkaufte. Küche und Gastzimmer sind noch völlig intakt, das Wirtshaus wurde vor nicht all zu langer Zeit neu ausgestattet. "Ein neuer Wirt könnte eigentlich sofort anfangen", sagt Zahoropoulos. Der könnte jetzt mit Gas kochen und nicht mehr mit Strom. Nur der richtige müsste es eben sein.

Dass der Grieche das Anwesen in Markt Indersdorf erwarb, ist nach seiner Darstellung reiner Zufall. Vor eineinhalb Jahren fuhr er durch den Ort und sah an der Tür einen Zettel hängen, dass das Objekt zu verkaufen sei. Weil der Preis nach seiner Ansicht stimmte - der Besitzer musste seine Vorstellungen deutlich korrigieren - schlug Zahoropoulos kurz entschlossen zu. Er begann, die Fremdenzimmer zu renovieren - das finanzielle Standbein seines Projekts. Der Gasthof verfügt jetzt über 20 Gästezimmer, die der geschäftstüchtige neue Eigentümer nur monatlich an Privatleute und Unternehmen vermietet, die ein Quartier für ihre Beschäftigten suchen. Alle Zimmer sind derzeit belegt, für 350 Euro pro Person und Monat. Einige Zimmer haben mehrere Betten.

Zahoropoulos rechnet mit 300 000 bis 400 000 Euro, die er in die Sanierung des Anwesens stecken muss. Das Dach des Rückgebäudes hat er erneuert und die Wände neu verputzt. Dort installierte er auch ein Blockheizkraftwerk, das 100 000 Euro gekostet hat. Es versorgt das gesamte Gebäude mit Strom und Wärme, überschüssiger Strom wird ins Netz eingespeist. "Ich könnte auch meine Nachbarn mitversorgen", sagt Zahoropoulos. Nur das Kellergewölbe bereitet ihm einiges Kopfzerbrechen. Um die Feuchtigkeit und den Schimmel aus den alten Steinen zu holen, wendete er ein neuartiges Sandstrahlverfahren an, durchbrach Zwischenmauern und schuf Abzugslöcher, damit die Luft im Gewölbe besser zirkulieren kann. Eine Lüftungsanlage soll in allen Kellerräumen für Frischluft sorgen. Für jede bauliche Veränderung in dem wohl 500 Jahre alten Gemäuer braucht Zahoropoulos die Genehmigung der Denkmalbehörden. Irgendwann soll es dort unten ein Weinlokal geben. Bis dahin könnte er noch auf viele Löcher stoßen.

© SZ vom 31.10.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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