Lehrermangel:Am Limit

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Zwei Buben blicken zur Einschulung im September gespannt ihrer Lehrerin an der Grundschule Petershausen entgegen. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Schülerzahlen im Landkreis Dachau steigen. Schon jetzt haben die Grundschulen zu wenige Lehrer. Wenn die Grippewelle zuschlägt, müssen Rektoren improvisieren und Unterricht zusammenlegen

Von Robert Stocker, Dachau

Lehrkräftemangel, Unterrichtsausfall, hohe Arbeitsbelastung - der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) schlagen Alarm wegen der Situation an den Grundschulen. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung wird sich die Personalnot in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Aus Sicht der Gewerkschaft wird die Situation schon zum Schulhalbjahr besonders dramatisch, weil viele Pensionierungen zu erwarten seien. Auch Lehrkräfte an den Grundschulen im Landkreis arbeiten am Anschlag. Wenn die Grippewelle zuschlägt, wird es eng. Dann müssen die Schulen improvisieren, Vertretungen organisieren und Klassen zusammenlegen.

Die Gewerkschaft spricht von "Flickschusterei"

Nach Berechnungen des BLLV gehen bis zum Jahr 2030 etwa 10 600 Grundschullehrkräfte in Pension. Gleichzeitig steigen die Schülerzahlen an den bayerischen Grundschulen im selben Zeitraum um zwölf Prozent. Um diese Lücke zu schließen, wären weitere 3200 Lehrerinnen und Lehrer nötig, heißt es in einer Mitteilung des Verbandes. Das Kultusministerium müsse eine solide und langfristige Personalplanung machen statt mit kurzfristigen Maßnahmen die Not an den Schulen zu lindern. Von "Flickschusterei" spricht die GEW - und meint damit den Einsatz mobiler Reserven, die Zusammenlegung von Klassen in bestimmten Fächern, die Besetzung offener Stellen mit Gymnasial- und Realschullehrern.

An der Grundschule Dachau-Süd blieben große Krankheitswellen in diesem Schuljahr bisher aus. "Die Kolleginnen halten sich wacker", freut sich Schulleiterin Michaela Frost. Und wenn eine Kollegin krank geworden sei, habe man eine Vertretung aus der mobilen Reserve bekommen. Bei Engpässen würden auch Klassen zusammengelegt. Die Rektorin lässt aber keinen Zweifel daran, dass die Schule an den Grenzen ihrer Kapazität angelangt ist. "In jeder Jahrgangsstufe sind wir am Limit." Die Schülerzahlen stiegen im Speckgürtel von München rapide. "Vor einigen Jahren hatten wir gut 200 Schülerinnen und Schüler. Jetzt sind es 410 - trotz der Grundschule in Augustenfeld." Auch die Grundschule in Markt Indersdorf muss bei einer Krankheitswelle im Kollegium improvisieren. "Klassen eines Jahrgangs werden dann für den Unterricht in bestimmten Fächern zusammengelegt - das ist gang und gäbe", sagt Rektorin Renate Krucker. In diesem Schuljahr geht in Indersdorf aber keine Lehrkraft in Pension. Eine gute Nachricht für die Leiterin.

"Die Unterrichtsversorgung ist auf Kante genäht"

Martin Güll, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und Vorsitzender des Bildungsausschusses des Bayerischen Landtags, sieht im Moment die Grundschulen mit Lehrkräften noch einigermaßen versorgt. Der Pflichtunterricht könne gerade noch abgedeckt werden, beim Förderunterricht gebe es aber Probleme. Güll: "Die Unterrichtsversorgung ist auf Kante genäht. Und die Kapazitäten der mobilen Reserve sind viel zu knapp." Als Beleg dafür nennt er die Situation an der Grundschule in Petershausen, die von seiner Frau geleitet wird. "Als Leiterin hält sie so viel Unterricht wie lange nicht mehr", sagt der SPD-Landtagsabgeordnete und Bildungsexperte. Die Zahl der Vertretungslehrer sei schon jetzt zu klein. In den nächsten Jahren komme eine Pensionierungswelle hinzu, steigende Schülerzahlen und der Ausbau der Ganztagsschule erforderten weitere Lehrer. Seit Jahren würden nur Lehrkräfte eingestellt, die man unbedingt brauche. "Das ist keine vorausschauende Personalpolitik", kritisiert Güll. Außerdem müsse jetzt nachgedacht werden, wie die Lehrerausbildung reformiert werden kann. Sie müsse flexibler werden, Studenten sollten sich erst als Referendar für eine Schulart entscheiden können. Letztendlich müsse auch die Wertschätzung und Bezahlung einer Lehrkraft stimmen.

Das bayerische Kultusministerium weist indessen darauf hin, dass auf die steigenden Schülerzahlen an den Grundschulen reagiert worden sei. Zu Beginn des laufenden Schuljahrs wurden demnach 1700 Lehrkräfte eingestellt. Die Staatsregierung habe seit 2015 auch den massiven Zuzug von jungen Zuwanderern berücksichtigt. Um diese jungen Menschen unterrichten zu können, seien allein im Jahr 2016 etwa 1700 zusätzliche Stellen geschaffen worden. Der Freistaat werde auch in den kommenden Jahren alle Stellen für Lehrkräfte an den Grundschulen besetzen. Zu Beginn des Schuljahres 2017 / 18 konnten sich Bewerber, die bereits eine Lehramtsbefähigung für eine andere Schulart haben, für die Grundschule qualifizieren.

© SZ vom 02.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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