Landkreis Dachau:Die Landärzte verschwinden

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Die Medizinische Versorgung im Landkreis konzentriert sich immer mehr auf die Zentren, es ergibt sich ein starkes Stadt-Land-Gefälle.

Rudi Kanamüller und Gregor Schiegl

Das Versorgungsnetz mit Hausärzten im Landkreis Dachau wird immer löchriger. Wenn nicht langsam eine Lösung gefunden wird, befürchtet das Vorstandsmitglied des Ärztlichen Kreisverbandes Dachau, der Erdweger Mediziner Andreas Schneider, "bricht das System über kurz oder lang zusammen". Die Lage, so Schneider im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, sei dramatisch.

So soll es auch in Zukunft bleiben: Ein Schild weist in ländlichen Regionen den Weg zum nächsten Arzt. (Foto: Simon Book/dpa)

Die Gründen seien vielfältig: Einerseits bestehe im Landkreis Dachau immer noch eine Niederlassungssperre für Ärzte, andererseits konzentriere sich die ärztliche Versorgung im Landkreis immer mehr auf die Zentren Dachau und Karlsfeld. Schneider: "Wir haben ein sehr starkes Stadt-Land-Gefälle." Dazu komme, dass sich immer mehr Mediziner in Ärztezentren oder Gemeinschaftspraxen zusammenschließen würden, um den enormen Kostendruck zu lindern. Die Folge: Die ärztliche Versorgung im Hinterland verschlechtert sich zusehends.

Ein weiteres Problem sei, dass nach einer Verordnung zufolge Kollegen, die mehr als 60 Jahre alt sind, eigentlich nicht mehr zu Notdiensten herangezogen werden dürften. Dass der ärztliche Bereitschaftsdienst immer noch funktioniere, liege an den Kollegen, die den Notdienst gemeinsam schultern. Derzeit werde der ärztliche Bereitschaftsdienst im Hinterland nur noch von acht oder neun Ärzten aufrechterhalten. Insgesamt, so Schneider, befinde sich der Landkreis Dachau aber noch in der glücklichen Lage, dass die Altersstruktur bei den Ärzten, im Gegensatz zu anderen Landkreisen, mit einem Altersdurchschnitt von etwa 58 Jahren noch einigermaßen günstig ausfalle.

Die Stimmen aus der ärztlichen Praxis bestätigen die Auffassung des Erdweger Mediziners. In Sulzemoos hat ein Ärztepaar die einzige Hausarztpraxis im Ort geschlossen. "Der Hausarzt-Notstand ist in der Region bereits da", sagt Kurt Huttenloher, Hausarzt in Odelzhausen. "Künftig müssen die Patienten mobil sein". Huttenloher weiter: Ältere Menschen fielen einfach hinten runter. Das sei "eine brutale Entwicklung". Der Odelzhausener Arzt versucht gegenzusteuern: Er hat sich mit Willi Wegele und weiteren Allgemeinmedizinern in einer Genossenschaft zusammengeschlossen, um ein Ärztehaus in Odelzhausen zu betreiben. Im Frühjahr soll der Bau beginnen. Im Mai soll es bezugsfertig sein. "Wir sehen das als Pionierprojekt."

Das Grundproblem der Hausärzte auf dem Land bleibe dennoch bestehen: Damit sich eine Praxis trage, brauche sie viele Patienten. "Es geht letztlich nur ums Geld", sagt Huttenloher, "wir spüren immer die Faust im Nacken." Er arbeite im Schnitt 70 Stunden die Woche, mache Hausbesuche. Patienten könnten auch spätabends noch auf dem Handy anrufen. "Bei mir ist viel Herzblut dabei, aber bei diesen Arbeitsbedingungen geht den meisten der Idealismus irgendwann verloren, das ist traurig."

Die Lösung des Problems liegt für seinen Kollegen Andreas Schneider auf der Hand: Politik und Krankenkassen müssten die Hausarztverträge an die aktuelle Situation anpassen und so den Beruf des Hausarztes wieder attraktiver machen. Dann würden sich auch mittelfristig wieder mehr jüngere Kollegen dazu entschließen, sich mit einer Praxis im ländlichen Gebiet niederzulassen. Momentan besteht aber seiner Ansicht nach für jüngere Ärzte keine Planungssicherheit. Schneider: "Wenn jemand zwischen 200 000 und 300 000 Euro in eine Praxisneugründung investiert, dann muss er wissen, ob das auf Dauer Sinn hat."

© SZ vom 23.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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