Petition gegen Flüchtlingswohnheim:Riskantes Spiel mit der Angst

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Es gibt einen Unterschied zwischen Angst und Fremdenfeindlichkeit. Die gesamte Gesellschaft ist gefragt, solche Motive zu erkennen und sie nicht zu verharmlosen

Von Viktoria Großmann

Die Stimmung auf der Informationsveranstaltung im Ludwig-Thoma-Haus in Dachau zur geplanten Flüchtlingsunterkunft am Himmelreichweg ist aufgeheizt. (Foto: Toni Heigl)

Angst, das sagen immer mehr Menschen auch in Dachau, treibe sie dazu, Flüchtlingsunterkünfte abzulehnen. Doch was sie treibt, ist nicht Angst. Es sind Vorurteile. Angst ist ein Gefühl, dem man begegnen kann. Vorurteilen, das hat die Veranstaltung am Donnerstag im Thoma-Haus gezeigt, nicht. Oberbürgermeister Florian Hartmann und Landrat Stefan Löwl haben in der Informationsveranstaltung zur Flüchtlingsunterkunft am Himmelreichweg vorbildlich gezeigt, wie Politiker auf Befürchtungen der Bevölkerung eingehen können.

Sie haben informiert, sie haben erklärt, sie haben ihre eigene Lage geschildert. Sie haben die Grenzen ihres Einflusses und ihrer Zuständigkeit aufgezeigt, auch Ratlosigkeit eingestanden. Der eine trat etwas leiser, der andere etwas lauter auf, der eine volksnäher und wortgewandter, der andere distanzierter und technischer, aber beide lösungsorientiert und menschlich.

Besser können zwei Lokalpolitiker, die unterschiedlichen Parteien angehören und nicht gerade dicke Freunde sind, in einem überfüllten Saal mit aufgeheizter Stimmung kaum bestehen. Die Dachauer können froh sein, dass ihnen die Lautsprecher und Populisten anderer Landkreise erspart bleiben. Löwl hat seinen Sanktionenkatalog für Flüchtlinge, die ihre Küchen nicht putzen, glücklicherweise in die Ecke gelegt und ist zurückgeschwenkt zum Werben um Verständnis für allgemein menschliche Schwächen und zum Betonen von Gemeinsamkeiten. Hartmann hat deutlich wie nie Position bezogen, sein persönliches Mitgefühl mit Kriegsflüchtlingen nicht versteckt und um Solidarität geworben. Die gemeinsame Aussage: Wir müssen alle zusammenhelfen.

Doch die Debatte hat einen Punkt erreicht, an dem eine Statistik, die ein uniformierter Polizeibeamter vorträgt, von manchen schlicht nicht geglaubt wird. An dem Gerüchte, die der Landrat gerade widerlegt hat, einfach erneut behauptet werden. An dem Helfer ausgebuht werden, in Dachau, im Thoma-Haus. An dem 519 Dachauer eine Petition gegen eine Flüchtlingsunterkunft am Himmelreichweg unterzeichnen.

Wer behauptet, das aus Angst zu tun, der lügt. Gründe für Befürchtungen haben Hartmann, Löwl, Polizei, Caritas und Helfer im Thoma-Haus ausgeräumt. Sie haben ihre Hand gereicht und eingeladen, mitzuhelfen, die bis Jahresende vielleicht 3200 Flüchtlinge, das wären 2,17 Prozent der Landkreisbevölkerung, zu integrieren.

Die Motive, die ausgestreckte Hand auszuschlagen, sind nicht Angst, sondern Fremdenfeindlichkeit und Menschenverachtung. Es wird eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft sein, solche Motive zu erkennen, sie nicht zu verharmlosen, sich von ihnen nicht instrumentalisieren und vereinnahmen und sie nicht die Oberhand gewinnen zu lassen.

© SZ vom 30.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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