Integration:Der Weichensteller geht

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Geschäftsführer Markus Tolksdorf verlässt das Franziskuswerk in Schönbrunn. Seine Nachfolger Michaela Streich und Markus Holl verfolgen den eingeschlagenen Kurs der Inklusion behinderter Menschen

Von Robert Stocker, Röhrmoos

Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft zu integrieren, sie am öffentlichen Leben teilnehmen zu lassen - das steckt hinter dem Begriff Inklusion. Diese Integration kann am besten gelingen, wenn behinderte Menschen mit Kollegen ohne Handicap zusammenarbeiten, wenn sie mitten unter der Bevölkerung leben oder in Regelschulen unterrichtet werden. Das ist der Weg, den die Viktoria-von-Butler-Stiftung mit der gemeinnützigen Franziskuswerk GmbH in Schönbrunn verfolgt. Markus Tolksdorf hat diese Entwicklung maßgeblich angestoßen. Doch der Vorstandsvorsitzende der Stiftung und Geschäftsführer der GmbH muss zum Jahresende aus gesundheitlichen Gründen diese Posten aufgeben. Die Umsetzung der "Vision 2030" bleibt auch unter der neuen Führung das große Ziel in Schönbrunn.

Tolksdorf, seit 2011 alleiniger Geschäftsführer der gemeinnützigen Franziskuswerk Schönbrunn GmbH und seit 2016 Vorstandsvorsitzender der Viktoria-von-Butler-Stiftung, hat sich mit dem Stiftungsrat geeinigt, seinen bis Ende 2020 laufenden Vertag vorzeitig zu beenden. Ihm folgen die Stiftungsvorstände Michaela Streich und Markus Holl nach. Die Diplom-Psychologin verantwortet seit Herbst 2011 die Bereiche Soziale Dienste, Bildung und Teilhabe. Der Bankkaufmann und Betriebswirt ist ebenfalls seit Herbst 2011 für die Bereiche Personal, Finanzen und Betrieb zuständig. Beide wurden mit der Stiftungsgründung Anfang 2016 in den Vorstand berufen. Streich und Holl werden künftig allein vertretungsberechtigte Vorstände der Stiftung und allein vertretungsberechtigte Geschäftsführer der gemeinnützigen Gesellschaft sein. Markus Tolksdorf habe wichtige Weichen für die Zukunft gestellt, so der Stiftungsrat. Doch die Stiftung und die Geschäftsführung müssten handlungsfähig sein, um die Entwicklung der mit ihr verbundenen Unternehmen voranzutreiben und die Weichen für die Veränderungen zu stellen. Tolksdorf scheidet vorläufig aus dem Unternehmen aus, das mit etwa 1500 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber im Landkreis ist.

Der von Tolksdorf eingeschlagene Weg gehe weiter, versichert Sigrun Wedler, Sprecherin des Franziskuswerks. Dass Michaela Streich und Markus Holl Stiftung und Gesellschaft in Personalunion führen, habe mit der engen Verzahnung zwischen Stiftung und Geschäftsführung zu tun. Das sei schon bei der Gründung der Stiftung 2016 festgelegt worden. Wedler: "Das Franziskuswerk kann nicht ohne Stiftung und umgekehrt." Streich und Holl arbeiteten eng mit Tolksdorf zusammen und seien in allen Themen drin. Sie seien in einem ständigen Austausch gewesen. "Da geht der Weg weiter, es gibt keinen Bruch", betont die Sprecherin des Franziskuswerks. Dieser Weg führt zu einschneidenden Veränderungen, die das Bundesteilhabegesetz für behinderte Menschen vorsieht. Ein zentrales Anliegen des Gesetzes ist es, dass diese Menschen tatsächlich mitten in der Gesellschaft leben. Sie sollen, so weit es möglich ist, außerhalb von behüteten Heimen wohnen, in gewöhnlichen Unternehmen arbeiten und Regelschulen besuchen. 180 Wohnplätze hat das Franziskuswerk schon aus Schönbrunn in andere Ortschaften verlegt - nach Dachau, Petershausen, Röhrmoos, Vierkirchen, Markt Indersdorf, Niederroth, Hilgertshausen und Stetten. "Mit den im Landkreis Dachau geschaffenen Wohnalternativen haben Menschen mit Behinderung die Wahl, wo sie gerne wohnen möchten. Das Franziskuswerk hat damit einen wichtigen Schritt zur Umsetzung der Vision 2030 und der UN-Behindertenrechtskonvention gemacht", betonte Michaela Streich aus Anlass der Fertigstellung. Eine Wohnung für behinderte Menschen innerhalb einer Gemeinde fördere die Möglichkeit, sich kennenzulernen und Vorurteile abzubauen. Weil die Zahl der Wohnplätze in Schönbrunn abnahm, ist die Wohnqualität nach Streichs Einschätzung hier gestiegen. Alte Gebäude seien zurückgebaut und durch Neubauten ersetzt worden. Zudem gebe es jetzt mehr Einzelzimmer. "Wir gehen weg vom Heimcharakter", sagt Sigrun Wedler.

Schönbrunn wird sich in den nächsten Jahren stark verändern. Die Ortschaft soll sich zu einem Dorf entwickeln, in dem Menschen mit und ohne Behinderung ganz selbstverständlich zusammenleben. Das Franziskuswerk schrieb deshalb einen städtebaulichen Ideenwettbewerb aus, der dieses Ziel als Vorgabe hat. Im Dorf wird es eine neue Hauptstraße geben, neben den bestehenden Einrichtungen ist ein Neubaugebiet geplant. Für Menschen, die eine Wohnung suchen - Familien mit Kindern, Studenten oder auch Rentner. Wedler: "Schönbrunn soll eine ganz normale Ortschaft sein." Der Weg dazu ist eingeschlagen. Doch es gebe noch viel zu tun, bis Menschen mit einer Behinderung in allen Bereichen ihres Lebens teilhaben können, hieß es auf der Feier zum Neubau der Wohnungen.

© SZ vom 13.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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