Infrastruktur:Millionenrechnung für die Dachauer Bürger

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Innerhalb einer Vierjahresfrist müssen die Kommunen alle Straßen ordnungsgemäß ausbauen. Für die Anwohner wird das teuer.

Von Viktoria Großmann, Dachau

Stadt und Bürger Dachaus werden in den kommenden Jahren bis April 2021 insgesamt etwa 15 Millionen Euro in den Straßenbau investieren müssen. Den größten Teil der Summe werden voraussichtlich Anwohner tragen. Grund dafür ist eine Entscheidung des bayerischen Landtags. Die Kommunen in ganz Bayern sind nach einer Gesetzesänderung aufgefordert, Straßen nach geltendem Standard ordnungsgemäß herzustellen. Klingt wie eine Selbstverständlichkeit, wird aber offenbar von Kommunen gerne verbummelt. Dabei sind von diesen sogenannten Ersterschließungen in erster Linie die Anwohner betroffen, sie müssen bis zu 90 Prozent der Kosten tragen.

Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD), der sich große Worte üblicherweise für die passenden Anlässe aufspart, nannte den Vorgang im Umwelt- und Verkehrsausschuss am Dienstag "einen absoluten Hammer". Die Stadt sei "im Zugzwang". Die Verwaltung kann die Aufgabe nicht zusätzlich schultern, fünf zusätzliche Arbeitskräfte werden benötigt. Außerdem wird mit Rechtsstreits gerechnet. Hinzu kommt die Sorge, überhaupt Fachkräfte und Baufirmen zu bekommen. Schließlich wird der gesamte Freistaat nun Aufträge vergeben.

Aus Sicht der Stadt und Rechtsaufsicht des Landratsamtes hat die Stadt keine andere Wahl, als sofort mit den Baumaßnahmen an 46 Straßen zu beginnen. Es geht zunächst um Straßen, die bereits seit mindestens 25 Jahren existieren. Wenn die Städte und Gemeinden diese nicht bis 1. April 2021 ordnungsgemäß ausbauen, verlieren sie ihren Anspruch darauf, den Anteil der Bürger einzufordern. Die Stadt würde dadurch mehr öffentliche Gelder ausgeben müssen, was wiederum als Veruntreuung ausgelegt werden könnte - die ist strafbar.

Einige Maßnahmen werden schon seit Jahrzehnten aufgeschoben

"Dem Gesetzgeber geht es darum, Gerechtigkeit herzustellen", erklärte Hartmann. Viele andere Anwohner in Dachau haben schließlich längst für die Erschließung ihrer Straßen gezahlt. Selbstkritisch räumten die Stadträte ein, dass über Jahre hinweg viel versäumt wurde. "Wir haben immer mal Geld in den Haushalt eingestellt und dann doch wieder heraus genommen, weil wir es anderswo brauchen konnten", sagte Gertrud Schmidt-Podolsky (CSU). Einige Maßnahmen werden allerdings seit 40 oder mehr Jahren aufgeschoben und den Straßen ist häufig durchaus nicht anzusehen, dass sie nicht ordnungsgemäß hergestellt sind. Daher ist auch die jetzige Kostenplanung "eher geraten, als geschätzt", sagte Bauamtsleiter Michael Simon. Nicht nur Ingenieure für den Straßenbau braucht es jetzt, vor den Verwaltungsmitarbeitern steht ein unendliches Aktenstudium. Jahrzehnte alte Papiere müssen geprüft werden, um herauszufinden, wie der Status der Straßen ist, was zu welcher Zeit gebaut wurde, ob Anwohner möglicherweise schon in den Siebzigern Zahlungen geleistet haben.

Mit erheblichen Erschließungskosten müssen wohl auch die Anwohner der Prälat-Wolker-Straße rechnen. (Foto: Toni Heigl)

Allzu lange hielt man sich mit der Frage nach den Schuldigen nicht auf. Die Stadträte waren höchst alarmiert und einigten sich in kürzester Zeit darauf, dass die Stadt eine neue Stelle für einen Ingenieur schaffen muss. "Wir sollten die Stelle unbefristet ausschreiben, weil wir sonst kein erfahrenes Personal finden", wandte Tiefbauamtsleiter Andreas Meyer ein. Der Vorschlag wurde umgehend aufgenommen. Ein erstaunliches Eilverfahren. Dazu soll auch noch eine Buchhaltungsstelle geschaffen werden. Die restlichen Arbeiten will die Stadt extern vergeben. Die Kosten der Bauarbeiten wird zunächst die Stadt tragen. Ohne Diskussion wurden 3,5 Millionen Euro für den Haushalt 2017 eingeplant, weitere 11,5 Millionen sollen für die Jahre 2018 bis 2020 eingestellt werden.

Bürger fühlen sich hintergangen

Begründete Befürchtungen hegen die Stadträte vor dem Unmut der Anwohner und vor Klagen, weshalb sie präventiv einen Mediator beauftragen wollen. Der Streit um den Anteil der Bewohner der Dr.-Muhler-Straße an der Sanierung ihrer Straße wurde erbittert geführt und ist wohl noch nicht beendet. Die Stadt präsentierte im Februar ein Gutachten, dass ihr Vorgehen rechtfertigen soll. Die Bürger fühlen sich aber hintergangen. Vor dem Verwaltungsgericht in München landete der Fall der Purtlhofer Straße in Ampermoching, sie wurde schließlich als bereits hergestellt erachtet. Dadurch mussten die Anwohner weniger zahlen. In Langengern in der Gemeinde Erdweg gibt es derzeit Streit wegen des Ausbaus der Römerstraße. Für den Einzelnen können die Kosten in die Zehntausende gehen.

Der Landtag wollte mit dem neuen Gesetz solche Streits eigentlich verhindern. Neu ist nämlich die Möglichkeit, die Last der Kosten nicht nur auf die direkten Anlieger, sondern auf eine größere Nachbarschaft zu verteilen. Eine Lösung, die in Karlsfeld ersehnt wurde und vermutlich umgesetzt wird. Überhaupt steht für andere Gemeinden die Konsequenz aus der neuen Verordnung noch längst nicht so fest. Karlsfeld plant eine Sondersitzung zu dem Thema. Auch in Langengern ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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