Gerüchte um Atomwaffen in Dachau:Erinnerungen mit Sprengkraft

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Ein ehemaliger US-Major berichtet Unglaubliches: In den 70er Jahren sollen mitten in Dachau Atomwaffen gelagert worden sein. Eine brisante Enthüllung oder nur ein Veteranenmärchen?

Gregor Schiegl

Es sollte für Vern Mathern nur eine Nostalgie-Reise werden. Noch einmal wollte der 72-jährige ehemalige US-Major seinen früheren Einsatzort besuchen: die US-Militärbasis in Dachau, in der er von Januar 1970 bis Juli 1971 als stellvertretender Kommandant der Artillerie arbeitete. Bis 1945 war dort die SS untergebracht, seit 1973 ist das Areal Standort der Bereitschaftspolizei.

Der ehemalige US-Major Vernon Mathern (Mitte) Kollegen der Bereitschaftspolizei Dachau. (Foto: Toni Heigl)

Also ging Vern Mathern am Dienstag mit Polizisten über das Gelände - und gab dabei Erinnerungen mit erheblicher Sprengkraft preis: Die US-Armee soll in den 1970er Jahren hier Atomwaffen gelagert haben. Mathern erzählte, er sei selbst "zuständig für die nukleare Sicherheit" gewesen. Das gefährliche Material habe angeblich im Untergeschoss eines streng gesicherten Gebäudes gelagert. Nur Militärangehörige, deren Hintergrund vorher genauestens durchleuchtet worden sei, hätten Zugang gehabt.

Das fragliche Gebäude wurde inzwischen abgerissen. "Das war auch bei uns ein großes Geheimnis", erzählte Mathern den verblüfften Bereitschaftspolizisten.

Atomwaffen mitten in der Stadt und direkt neben dem früheren Konzentrationslager: eine brisante Enthüllung oder eher ein Veteranenmärchen? Eine offizielle Bestätigung durch US-Stellen gibt es nicht. Anfragen der SZ wurden bislang nicht beantwortet.

Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informationszentrums für Transatlantische Sicherheit, hält ein Atomwaffenlager in Dachau durchaus für möglich. "Irritierend" finde er es allerdings, dass Trägersystem und Sprengköpfe an einem Ort gelagert worden seien. Zumindest in den 1980er Jahren seien beide Komponenten immer getrennt gelagert worden. Quellen, die belegten, dass die in Dachau eingesetzte 37. Feldartillerie einen nuklearen Auftrag oder Nuklearwaffen gelagert hatte, finden sich nicht.

Sicher ist, dass es mit dem nahen Fliegerhorst Fürstenfeldbruck einen weitaus geeigneteren US-Standort dafür gegeben hätte. Nukleararsenale wie das Sondermunitionslager Landsberg-Leeder waren zudem strenger bewacht als die "Eastman Barracks" in Dachau. Sollte es dort Atomwaffen gegeben haben, dürften es kleine taktische Kernwaffen mit einer Sprengkraft von 100 Tonnen TNT gewesen sein. Die entsprechenden Geschütze vom Kaliber 155 Millimeter gab es im Bataillon.

Klar wird, wie wenig über das Gelände nach 1945 bekannt ist. Die Bereitschaftspolizei will das ändern und hat deshalb "Geschichtsbeauftragte" eingesetzt. Für diese sei der Besuch von Vern Mathern "natürlich höchst interessant gewesen", heißt es.

© SZ vom 01.06.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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