Heimatverein ad honorem Sittenbach:Die Wundermacher

Lesezeit: 3 min

Die Bürger vom "Heimatverein ad honorem Sittenbach" retten ein Jugendstilgebäude aus dem Jahr 1911 in Odelzhausen vor der Abrissbirne.

Von Renate Zauscher, Sittenbach

Historische Gebäude sind selten geworden im Dachauer Hinterland. In den vergangenen zwanzig, dreißig Jahren mussten die meisten von ihnen Neubauprojekten weichen, weil kaum jemand den Wert alter Bausubstanz und deren Bedeutung für das Selbstverständnis einer Dorfgemeinschaft erkannt hat. "Wegschieben" lautete deshalb die Devise so manches Gemeinderats, der bedenkenlos die Zustimmung zum Abriss erteilte.

"Ein Kampf, der unheimlich viel Kraft gekostet hat"

Genau dieses Schicksal drohte noch vor kurzem einem der ältesten Häuser in Sittenbach in der Gemeinde Odelzhausen. Wäre es nach dem Willen vor allem des Zweiten Bürgermeistes Johann Heitmair (CSU) und einiger weiterer Ratsmitglieder gegangen, dann wäre das mehr als einhundert Jahre alte, in Gemeindebesitz befindliche Jugendstilgebäude an der Hauptstraße mit seinen charakteristischen Erkern der Abrissbirne zum Opfer gefallen. Auch der damalige Bürgermeister Konrad Brandmair (CSU) war anfangs fürs "Wegschieben", änderte dann seine Meinung zumindest vorübergehend, ohne dass jedoch in der Sache etwas vorangegangen wäre.

1 / 3
(Foto: Niels P. Jørgensen)

Der Dachstuhl des historischen Hauses in Sittenbach ist auch nach mehr als 100 Jahren in einem guten Zustand.

2 / 3
(Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Gemeinde Odelzhausen wollte das Jugendstilgebäude abreißen,...

3 / 3
(Foto: Niels P. Jørgensen)

...aber eine Initiative um Johann Blank und Harald Edelmann (links) überzeugte die Kommunalpolitiker von seinem großen Wert.

Dass dann aber doch alles anders kam und sich die Abriss-Befürworter nicht durchsetzen konnten, ist so etwas wie ein kleines Wunder. Zustande gebracht hat es eine anfangs nur kleine Gruppe von Bürgern rund um Harald und Elfriede Edelmann und Hans Blank, die sich gegen die zunächst nur gerüchteweise bekannt gewordenen Abrisspläne zur Wehr setzte. Die Bürger sammelten Unterschriften, stellten Anträge auf Sanierung des Hauses bei der Gemeinde, schalteten Fachleute ein und gründeten den "Heimatverein ad honorem Sittenbach".

"Es war ein Kampf, der unheimlich viel Kraft gekostet hat", sagt Harald Edelmann rückblickend - ein Kampf, bei dem es um Kostenschätzungen und Expertengutachten ging, vor allem aber auch darum, den Widerstand in den Köpfen der Sanierungsgegner in Odelzhausen und teilweise auch in Sittenbach selbst zu überwinden. Unterstützung für den Heimatverein kam von Bauexperten, die trotz des zuletzt traurigen äußeren Erscheinungsbilds des alten Hauses dessen architektonische Bedeutung erkannten. Sie bestätigten, dass sich Mauerwerk und Dachstuhl in immer noch gutem Zustand befanden. Mit Hilfe der Fachleute konnte auch das Argument, die Renovierungsmaßnahme werde Kosten in gewaltiger, nicht abschätzbarer Höhe verursachen, entkräftet werden.

Auch Reste alter Terazzo Böden finden sich hier. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Mit der Wahl vom Bürgermeister Trinkl kam die Wende

Von Anfang an setzte sich die Fraktion der BGO im Gemeinderat für die Sanierung des Gebäudes ein. So hat sich vor allem die BGO-Vertreterin Elisabeth Kappes mit aller Kraft für die Erhaltung des Gemeindehauses stark gemacht: Sie schaltete Experten ein und kämpfte im Gemeinderat vehement für das Projekt.

Die eigentliche Wende kam 2014 mit der Wahl des parteilosen Markus Trinkl zum neuen Bürgermeister. Bereits im Wahlkampf hatte er zugesagt, die Sanierungspläne zu unterstützen. Trinkl ist es auch, der jetzt den Heimatverein für den Tassilo-Preis vorschlägt: "Die Leidenschaft und der persönliche Einsatz", mit dem sich der Verein für den Erhalt des Hauses eingesetzt habe und nach wie vor einsetzt, stellen laut Markus Trinkl "eine enorme Leistung dar".

Nur sechs Monate nach Trinkls Wahl, im November 2014, kam schließlich die endgültige Zusage, dass die Gemeinde 300 000 Euro für das Projekt zur Verfügung stellt. Seitdem ist viel geschehen: Das Dach wurde neu eingedeckt, die Außenwände neu verputzt und Fenster wie Außentüren erneuert. Das Haus sei dabei, "ein wahres Prachtstück zu werden", sagt Harald Edelmann; auch von Seiten der ursprünglichen Skeptiker komme mittlerweile viel Zuspruch.

Dem Heimatverein ging es zunächst primär um die Erhaltung des Gebäudes, gleichzeitig aber auch um die damit verbundene Ortsgeschichte, um Erinnerungen, die mit dem Haus zu tun haben und somit um "Heimat" im besten Sinne. Das Haus war ursprünglich 1911 für den ein Jahr vorher gegründeten Sittenbacher Burschenverein und die "Jungfrauenkongregation" gebaut worden. Fast jeder Sittenbacher hatte sich mit größeren und kleineren Spenden beteiligt, und der damalige Pfarr-Kooperator hatte das dafür nötige Grundstück sogar mit privaten Mitteln erworben. Das von der Odelzhausener Baufirma Brunetti errichtete Gebäude diente im Lauf der Jahre unterschiedlichsten Zwecken, war Versammlungsort für die Jugend, wurde für Kino- und Theatervorstellungen genutzt, später, nach dem Kauf durch die Gemeinde, zum Schulhaus und Sitz des Bürgermeisteramts umfunktioniert und zuletzt, in bereits stark heruntergekommenem Zustand, von zwei Familien bewohnt. Im Inneren war es zwar im Laufe seiner hundertjährigen Geschichte mehrfach umgebaut worden, behielt aber gleichzeitig unverändert sein markantes äußeres Erscheinungsbild.

Während das Mauerwerk weitestgehend intakt ist, gibt es an der Decke noch einiges zu tun. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Herzstück der Altgemeinde Sittenbach

Nachdem der Heimatverein 2014 endlich grünes Licht für die Renovierung des Hauses bekommen hatte, wurde das Projekt zum Katalysator eines neuen Gemeinschaftsbewusstseins im Ort. Neben dem harten Kern derer, die unter Leitung von Hans Blank und dem Bauunternehmen Brunetti seit gut eineinhalb Jahren praktisch jedes Wochenende auf der Baustelle mitarbeiten, sind viele andere Sittenbacher in das Projekt mit eingebunden. Dazu gehören vor allem der Sittenbacher Burschenverein und sein Pendant, der "Madlverein". Es gibt Erzählnachmittage, bei denen ältere Leute von früher berichten, die nähere Umgebung und ihre Geschichte wird erforscht, eine Ausstellung mit historischen Gegenständen ist geplant, es soll wieder Theater gespielt und gesungen werden. Vor allem aber soll hier den örtlichen Vereinen und Gruppierungen eine Heimat geboten werden. "Wir wollen die Leute vom Fernseher wegholen", sagt Edelmann, "und damit das Gemeinschaftsleben im Ort stärken."

Markus Trinkl drückt es ähnlich aus: "Das Haus ist gelebte Kultur", sagt er, es stelle "das Herzstück der Altgemeinde Sittenbach" dar, und der Einsatz für seine Erhaltung habe sich zu einer "starken bürgerschaftlichen Bewegung" entwickelt. Für ihn überzeugende Gründe, um den mittlerweile 73 Mitglieder umfassenden Heimatverein für den Tassilo-Preis vorzuschlagen.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: