Freising/Dachau:Lieber in die Schule als in die Lehre

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Der Trend zu höheren Abschlüssen macht den Ausbildungsberufen zu schaffen. Das Handwerk findet kaum Nachwuchs

Von Petra Schnirch, Freising/Dachau

Auch für Jugendliche, die keine Traumnoten haben, stehen die Chancen in der Region sehr gut, einen Ausbildungsplatz zu finden. Etliche Betriebe, die gerne ausbilden würden, aber gehen leer aus - vor allem im Handwerk. Dieses Fazit zog Karin Weber, Chefin der Arbeitsagentur Freising am Dienstag bei einem Pressegespräch. Die Zahl der Bewerber im Berufsberatungsjahr 2015/16 ist nahezu identisch mit der im Jahr zuvor: In den vier Landkreisen Dachau, Ebersberg, Erding und Freising suchten insgesamt 3277 junge Leute eine Lehrstelle. 38 sind noch unversorgt. Bis Weihnachten könnten einige aber noch vermittelt werden, sagte Weber.

Für die Unternehmen ist die Situation deutlich schwieriger. 503 Stellen konnten bisher nicht besetzt werden. Stolz ist die Agentur-Chefin aber darauf, dass 56 weniger offen geblieben sind als im Jahr zuvor, obwohl die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze um 146 auf 3112 gestiegen ist. Was den Betrieben zu schaffen macht, ist der anhaltende Trend zu weiterführenden Schulen. Auch an den Mittelschulen sei der "Drang zu höherer Bildung sichtbar", sagte Albert Sikora, Rektor am Staatlichen Schulamt Dachau - viele wollten weitermachen, selbst wenn sie kaum eine Perspektive hätten. Dabei sei eine abgeschlossene Ausbildung besser als ein abgebrochenes Studium, fügte Florian Kaiser von der IHK München und Oberbayern hinzu. Dass viele Mittelschulen in der Region bei den Schülerzahlen leicht zulegen, führt Dieter Link, Leiter der Berufsschule Erding, darauf zurück, dass dort mittlere Bildungsabschlüsse möglich sind. Im Landkreis Freising haben 190 der etwa 600 Jugendlichen, die von der Mittelschule abgegangen sind, einen mittleren Schulabschluss. Sehr erfolgreich ist bisher das 9+2-Modell in Hallbergmoos. Dort kann die zehnte Jahrgangsstufe nach dem Quali in zwei Jahren absolviert werden - was 28 von 29 Schülern gelungen ist. Trotz aller Bemühungen der Kreishandwerksmeister, die ihre Berufe in Schulen, auf Ausbildungsmessen und bei Praktika vorstellen, haben gerade die Handwerksbetriebe seit Jahren Schwierigkeiten, Nachwuchs zu finden. In Erding gebe es in diesem Jahr keinen einzigen gemeldeten Ausbildungsabschluss im Gastronomie-Gewerbe, sagte Rudolf Waxenberger. Offenbar würden diese Berufe immer unattraktiver. In den Handwerksbetrieben im Landkreis Erding gibt es insgesamt 53 Ausbildungsverhältnisse weniger als 2014/15. Der Freisinger Kreishandwerksmeister Martin Reiter fügte hinzu, dass manchmal auch die Eltern das Problem seien. "Sie zerren ihre Kinder von unserem Stand regelrecht weg."

Einige Betriebe hätten gar keine Bewerbungen erhalten, vor allem im nördlichen Landkreis Freising. Dabei sei das Bildungssystem derart durchlässig, dass man auch "als Maurer noch Arzt werden kann", ergänzte der Erdinger Berufsschulleiter. Bei Arbeitslosenquoten zwischen 1,7 Prozent im Landkreis Erding und 2,3 Prozent im Landkreis Dachau ist der Arbeitsmarkt im Agenturbezirk Freising aber generell fast leer gefegt.

Ein klein wenig besser sieht die Zahl der Ausbildungsabschlüsse bei den kaufmännischen und technischen Berufen aus. Vor allem in Dachau mit 225 und Ebersberg mit 337 registriert die IHK jeweils einen Zuwachs um gut 16 Prozent, lediglich in Freising mit 628 Abschlüssen ging diese Zahl um 1,7 Prozent zurück.

Agentur-Chefin Weber erzählte zum Schluss noch von einem Azubi, der zunächst unbedingt ins Büro wollte, sich nach Monaten mit ausgesprochen schlechten Noten aber überzeugen ließ, ins Hotelfach zu wechseln. Mit seinem überzeugenden Auftreten kam er bei Gästen und Chefs gut an. Auch er selbst sei froh über seine Entscheidung.

© SZ vom 09.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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