Ein Europameister aus Erdweg:Gewichtheber mit 64 Jahren

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Für Max Mühlbauer zählt nur Platz eins: Er ist amtierender Europameister im Gewichtheben und 64 Jahre alt.

Isabella Bayer

Max Mühlbauer steht vor einer Langhantel, an deren Enden zwei runde Scheiben aus schwarzem Eisen befestigt sind. Dann geht der Athlet in die Knie, hebt die Eisenstange mit beiden Händen hoch, zunächst bis zur Hüfte. Noch zweimal Luft holen, Spannung aufbauen - dann wuchtet er die Stange in einer fließenden Bewegung auf Schulterhöhe und hält sie triumphierend über seinem Kopf.

Max Mühlbauer aus Erdweg ist amtierender Europameister im Gewichtheben. (Foto: Toni Heigl)

Max Mühlbauer ist 64 Jahre alt und amtierender Europameister im Gewichtheben. Vor kurzem hat er in seiner Klasse einen Weltrekord aufgestellt, als er beim Stoßen 103 Kilo stemmte - 18 Kilo mehr als der Zweitplatzierte. Die 60-Kilo-Hantel, die er gerade im Erdweger Fitnessstudio hochgehieft hat, ist für den ehemaligen Berufsoffizier ein "Aufwärmgewicht", wie er schmunzelnd sagt.

Fast 40 Jahre ist es her, seit ein Nachbar den damals 26-Jährigen zum Kraftsporttraining beim ESV Neuaubing mitnahm. Für ihn, der zuvor noch nie etwas mit Gewichten zu tun hatte, ein "Schlüsselerlebnis". Der erste Sieg ließ nicht lange auf sich warten - Mühlbauer blieb Verein und Sport treu, mit herausragendem Erfolg: "Bis heute habe ich 85 Prozent der Meisterschaften, an denen ich teilgenommen habe, gewonnen", sagt der knapp 1,70 große Bundesliga-Gewichtheber. Sein Erfolgsrezept fasst er so zusammen: "Wer will, der muss". Da gehört es dazu, vor Wettkämpfen Diät zu halten, um in einer bestimmten niedrigen Gewichtsklasse starten zu können. Einmal habe er sich mit einer 800 Kalorien-Kur auf 56 Kilo runtergehungert, mit Shakes aus Eiweiß, Aminosäuren und Proteinen eine Tagesmahlzeit ersetzt, erzählt der 64-Jährige. Heute wiege er 70 Kilo, versuche aber, dieses Gewicht zu halten, denn "mit Fett kommt man nicht weit."

Früher, als Stabshauptmann bei der Bundeswehr, hat Mühlbauer oft zehnmal pro Woche trainiert, heute kommt er auf drei bis vier Einheiten. Mit dem Alter werde er schon langsamer, schwächer, sagt der Mittsechziger.

Seinem Siegeswillen tut das keinen Abbruch: "Platz zwei ist der Verliererplatz", sagt der Europameister schneidig. Er beschreibt sich selbst als diszipliniert, vielseitig und ehrgeizig. Bei Wettkämpfen ist er meist der Favorit, trotzdem setzt er sich immer neue Ziele: "Ich will meinen eigenen Rekord verbessern, wieder aufs Treppchen und die Nationalhymne hören." Auch an diesem Tag, im Fitnessstudio, in dem Mühlbauer zeitweise als Trainer arbeitet, trägt er ein Deutschland-Trikot. Das Gefühl, ganz oben zu stehen und die Hymne zu hören, ist für den dreifachen Welt- und vierfachen Europameister "das Schönste".

Um im Gewichtheben erfolgreich zu sein, brauche man Beweglichkeit, Schnelligkeit, Kraft. Viele versuchten, letztere durch Doping zu steigern. Früher sei das im Gewichtheben öfter vorgekommen, erzählt Mühlbauer. Heute werde besser kontrolliert. Für ihn selbst war Doping nie ein Thema. Auch deshalb ist der 64-Jährige ein Vorbild für die Jugend. Und eine Respektsperson. Neulich habe er mit den Jugendlichen aus dem Fitnessstudio Liegestützen trainiert, erzählt Mühlbauer, die einarmigen Push-ups habe außer ihm keiner geschafft. Er leitet auch Trainingscamps als Ausbilder der Leichtathletik-Übungsleiter im Bezirk Oberbayern. Für weitere Hobbys bleibt keine Zeit: "Ich bin mit dem Sport ausgelastet."

Bevor Mühlbauer bei Meisterschaften an die Langhantel geht, schickt er jedes Mal ein Stoßgebet zum Himmel. Das sei sein Ritual, "obwohl ich nicht abergläubisch bin." Weitermachen will Max Mühlbauer, solange die Gesundheit mitmacht. Drei Weltrekorde reichen ihm noch lange nicht.

© SZ vom 13.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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