Dachau:Verzweifelte Suche

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Die 43 Jahre alte Sunant Müller, eine unheilbar kranke Mutter von zwei Töchtern, braucht bis Ende April eine neue Wohnung. Ihr Vermieter hat der Familie wegen Eigenbedarfs gekündigt.

Petra Schafflik

Der Wohnungsmarkt im Landkreis ist enorm angespannt, freie und vor allem bezahlbare Wohnungen sind kaum zu finden. Eine Eigenbedarfskündigung des Vermieters kommt in dieser Lage für jeden Mieter einer mittleren Katastrophe gleich. Doch ungleich härter trifft der drohende Verlust der Wohnung jetzt die 43-jährige Sunant Müller. Die alleinerziehende Mutter von zwei Töchtern leidet an der unheilbaren Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), ist schwerst behindert und rund um die Uhr auf Pflege angewiesen. Obwohl er um die Erkrankung weiß, die der jungen Frau nur noch eine eng begrenzte Lebenszeit lässt, hat der neue Wohnungseigentümer seiner Mieterin die Kündigung geschickt. Spätestens Ende April soll die Familie ausziehen. Die zierliche Frau ist verzweifelt, Freunde und Betreuerteam sind ratlos.

Wie es Sunant Müller bisher gelungen ist, trotz ihrer schweren Erkrankung gemeinsam mit den beiden schulpflichtigen Töchtern ein harmonisches Familienleben aufrecht zu erhalten, ringt einem höchsten Respekt ab. Schon vor sechs Jahren hat die Frau, die in Thailand geboren, aber in Deutschland aufgewachsen ist, die Diagnose ALS erhalten. Diese unheilbare Erkrankung führt zum sukzessiven Verlust der motorischen Fähigkeiten, "das Denken und die Empfindungen sind dagegen nicht betroffen", erklärt ihr Arzt Edgar Müller. Sunant Müller ist inzwischen auf den Rollstuhl angewiesen, muss nachts gelagert und beatmet werden. Am meisten leidet sie darunter, dass sie sich nur noch schwer artikulieren kann. Um mit Fremden zu kommunizieren, ist sie auf den Computer als Hilfsmittel angewiesen. Doch gerade weil die einst lebhafte, fröhliche Frau genau um den Verlauf ihrer komplexen, immer tödlich verlaufenden Krankheit weiß, hat sie sich rechtzeitig ein tragfähiges Hilfsnetz aufgebaut.

Ihre Eltern, die in der Nähe leben, kümmern sich um die Töchter. Zusätzlich hält eine Sozialpädagogin Kontakt und hat die Bedürfnisse der Kinder im Auge. Sunant Müller selbst wird von den engagierten Mitarbeitern eines 24-Stunden-Pflegedienstes rund um die Uhr betreut. Als rechtlicher Betreuer kümmert sich ehrenamtlich Wolfgang Gritschmeier um die rechtlichen und finanziellen Belange. Die Vier-Zimmer-Wohnung, in der sie bisher lebt, wurde auf eigene Kosten so gut es geht an die Anforderungen der Pflege angepasst. Auf diese Weise ist es Sunant Müller gelungen, bisher mit ihren Kindern einen fast normalen Alltag zu leben. "Wir sind ein eingespieltes Team", bestätigt Betreuer Gritschmeier.

Ein Team, das trotz enormen Engagements jetzt mit der Wohnungskündigung an Grenzen stößt. Im vorigen Sommer hat der bisherige Eigentümer verkauft. Zunächst habe der neue Besitzer noch erklärt, dass er die Unterkunft nicht selbst benötige, erinnert sich Betreuer Gritschmeier. Keine zwei Wochen später sei die Kündigung wegen Eigenbedarfs ins Haus geflattert. Der Vermieter wollte dazu auf Anfrage der Dachauer SZ keine Stellungnahme abgeben. Rechtlich, das hat Betreuer Gritschmeier beim Mieterverein erfahren, lasse sich die Pflicht zum Auszug allenfalls aufschieben, nicht jedoch auf Dauer abwenden. Eine Sozialwohnung wiederum ist kurzfristig nicht verfügbar. "40 Familien sind vor ihr auf der Warteliste mit höchster Dringlichkeit", hat Sozialpädagogin Irmgard Stanglmaier in Erfahrung gebracht. Die aktuell unsichere Situation belastet die schwerst kranke Sunant Müller enorm. Ihr Arzt Edgar Müller macht sich Sorgen, denn die psychische Belastung durch die unsichere Wohnsituation könne den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen. Bereits jetzt benötige sie wegen der Sorge um ihre Wohnung mehr Medikamente, erklärt der Mediziner.

Doch eine geeignete Unterkunft konnten die Helfer bisher nicht finden. Benötigt wird eine möglichst barrierefreie Vier-Zimmer-Wohnung deren Kaltmiete nicht über 900 Euro liegt. Vier Zimmer sind nötig, weil auch die Pfleger einen eigenen Ruheraum brauchen, die Wohnung sollte in Dachau liegen, damit die beiden Töchter an ihrer vertrauten Schule bleiben, die Großeltern sich auch künftig ohne kraftraubende Anfahrten um die Familie kümmern können. Nun wendet sich Sunant Müller mit ihrem Betreuerkreis an die Öffentlichkeit. "Vielleicht weiß jemand eine Wohnung oder ein Makler könnte auf Spendenbasis tätig werden", hofft Betreuer Gritschmeier.

© SZ vom 23.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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