Dachau:Schöner Kitsch

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Großes Stimmvolumen, Leidenschaft und Spaß am Spiel: Florian Dengler unterhält auf hohem Niveau. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Publikum entlässt Trio erst nach zwei Zugaben

Von Dorothea Friedrich, Schwabhausen

Eine kahle Bühne, ein Flügel, ein Pianist, ein Bariton und eine Sopranistin: Mehr braucht es nicht für ein unterhaltsames Konzert auf hohem Niveau, bei dem Künstler und Publikum gleichermaßen ihren Spaß haben. Die Bühne ist die im Ludwig-Thoma-Haus, am Flügel sitzt Sebastian Jakob, die Sänger sind Dobrochna Payer und Florian Dengler. Eigentlich sind Oper und Oratorien ihr Metier. Alle drei kennen sich aus Studienzeiten und haben schon miteinander gearbeitet, wie etwa Dengler und Payer bei Liederabenden. Nun haben sie sich statt Schumann und Schubert einen Ausflug in die Welt der Musicals vorgenommen. Dafür haben sie Hits aus Klassikern dieser Musikrichtung ausgewählt und ihr Programm "Opera goes Broadway" genannt. Ein viel versprechender Titel für die mehr als 100 Zuhörer im Stockmann-Saal am Sonntagabend.

Und das Trio hat die Erwartungen mehr als erfüllt. Dengler und Payer sorgten mit ihrer Song-Auswahl, ihrer witzigen Moderation, ihrem tänzerischen und schauspielerischen Können immer wieder für Lacher oder sehnsuchtsvolle Seufzer im Publikum und begeisterten Applaus für ihre sängerischen Leistungen. "Wo ist die liebestolle Zeit?", jammert beispielsweise Dengler als streng verheirateter Petruccio aus "Kiss me, Kate", einem Musical-Evergreen von Cole Porter. Dem stellt er ein in tiefster Verzweiflung klagendes "Biest" aus "The Beauty and the Beast" gegenüber. Und lässt dank seiner Wandlungsfähigkeit selbst Jean Marais in der legendären Cocteau-Verfilmung von "Die Schöne und das Biest" als blassen Schönling im zotteligen Fell erscheinen. Payer hätte als "My fair Lady" am liebsten die ganze Nacht getanzt, Dengler als hoffnungslos verliebter Freddy macht den Stockmann-Saal zur Straße, in der die Angebetete lebt.

Das wunderbare "Tonight" aus Leonard Bernsteins West Side Story sei für Tenor geschrieben, deshalb könne er den vielfachen Wunsch einer einzelnen Dame nach diesem Song nicht erfüllen, merkt Dengler launig an. Kein Problem, sein grundböser Bandenboss Riff ist mehr als genug Entschädigung für entgangene Romantik. Und eine exzellente Gelegenheit, der ganzen Bandbreite von Denglers klangvollem Bariton Tribut zu zollen. Sein großes Stimmvolumen, Leidenschaft und eine gute Portion Spaß am Spiel in und mit unterschiedlichsten Rollen verbinden sich mit Sensibilität und viel Charme. Das trifft ebenso auf Dobrochna Payer zu. "I feel pretty", singt sie - und ist ein verliebtes junges Mädchen. Sie begleitet sich selbst am Flügel - und ist eine todtraurige Frau. Kein Wunder also, dass die beiden auch als Musical-Protagonisten mit dem bombastischen Kitsch von Elton John's "Aida"-Adaption überzeugen. Wie sie sich als Radames und Aida anhimmeln, ist - Schmalz hin oder her - großes Kino. Und wird zur Slapstick-Komödie, bei der sich Zuschauer, Sänger und Pianist vor Lachen verbiegen, wenn die selbstbewusste Annie mit vollem Stimm- und Körpereinsatz den Macho Frank niederstreckt, ohne einen Schuss abzugeben. "Anything you can do, I can do better (Alles, was du kannst, kann ich viel besser)" heißt dieses Duett aus Irving Berlins "Annie get your gun" - stimmt aber so nicht, denn auf der Bühne im Thoma-Haus haben sich drei gleichermaßen überzeugende, wandlungsfähige Künstler getroffen. Die mit "The point of no return" aus Phantom der Oper noch lange nicht das letzte Wort gesungen respektive gespielt haben, sondern erst nach zwei Zugaben ihre glücklichen Zuschauer auf den Heimweg schicken.

© SZ vom 30.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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