Amtsgericht Dachau:Konfusion um eine Hose

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Eine Rentnerin bezichtigt einen 24-Jährigen, sich vor ihr entblößt zu haben. Vor Gericht stellt sich der Vorwurf als völlig haltlos heraus.

Von Benjamin Emonts, Dachau

Es ist schwer vorstellbar, was ein Mensch durchmacht, der zu unrecht als Sexualstraftäter bezichtigt wird. Die Vorwürfe haften der Person oft noch jahrelang an, obwohl sie sich nichts zu Schulden hat kommen lassen. Je größer die Öffentlichkeit, desto mehr leidet der Ruf und desto größer die Pein. Ein junger Mann aus Karlsfeld, 24 Jahre alt, dürfte deshalb froh gewesen sein, dass seine Verhandlung wegen exhibitionistischer Handlungen nur auf der kleinen Bühne des Amtsgerichts Dachau stattfand. Als die Staatsanwaltschaft ihm vorwarf, sich vor einer 70-jährigen Rentnerin zweimal entblößt zu haben, schüttelte der junge Mann immer wieder ungläubig den Kopf und legte fassungslos die Hände auf sein Gesicht. Am Ende stellten sich die Anschuldigungen als völlig haltlos heraus. Was nach dem Freispruch einzig blieb, war ein ziemlich fader Beigeschmack für den erleichtert wirkenden 24-Jährigen.

"Ich stehe auf gleichaltrige Frauen"

Die Frau, die in angezeigt hatte, eine 70-jährige Rentnerin aus Karlsfeld, wirkte schon beim Betreten des Gerichtssaals verwirrt. Im März soll der Angeklagte ihr auf einer Parkbank am Eichinger Weiher in Karlsfeld angeblich sein Glied gezeigt und daran herumgespielt haben, als die Frau vom Einkaufen nach Hause radelte. Die exhibitionistischen Handlungen sollen sich an einem Montag und einem darauffolgenden Donnerstag zugetragen haben, so berichtete die Frau der Polizei. Als sie beim zweiten Vorfall die Polizei alarmierte, trafen die Beamten den Angeklagten auf der Parkbank an. Er war angezogen. Trotzdem nahmen die Polizisten ihn mit aufs Revier und machten ein Foto von ihm. Das vermeintliche Opfer identifizierte ihn später mithilfe des vorgelegten Bildes.

Der Karlsfelder bestritt die Vorwürfe nun vehement. Während des ersten Vorfalls habe er sich mit einem Freund in einem Karlsfelder Lokal aufgehalten. Beim zweiten Vorfall sei er zwar auf der Bank gesessen, habe sich aber nicht entblößt. "Ich stehe auf gleichaltrige Frauen", sagte er dem Gericht, als sein Anwalt ihn nach seinen sexuellen Neigungen fragte.

Es kam nun alles auf die Aussage der 70-jährigen Rentnerin an. Sie machte einen konfusen Eindruck. Der Mann, der sich vor ihr angeblich ausgezogen hatte, sei deutlich größer als der Angeklagte gewesen und habe eine hellere Haut gehabt, sagte sie nun. Am darauffolgenden Donnerstag, so räumte sie ein, habe sie lediglich "Fleisch" gesehen. Ob es sich dabei um Genitalien handelte, wollte sie nicht mehr wissen. "Ich habe mich nicht mehr hinschauen getraut."

Es droht eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr

Bei der Polizei sagte die Frau jedoch aus, dass es sich beide Male um ein und denselben Mann gehandelt habe. "Ich dachte, das wäre der Gleiche. Aber das war nicht so. Ich war ja noch ganz schockiert und deppert", sagte die Frau jetzt vor Gericht. Amtsrichter Lukas Neubeck bezeichnete ihre Angaben als "äußerst verwunderlich". Noch bevor der Anwalt des Angeklagten sein Plädoyer beendet hatte, gab er zu verstehen, dass die Aussage der Frau nie und nimmer für eine Verurteilung ausreichen würde. Wenig später sprach er den 24-Jährigen frei.

Skeptisch war der Richter anscheinend von Anfang an. Der Angeklagte passe schlichtweg nicht ins Bild eines Exhibitionisten. "Die waren bis jetzt immer älter und sahen schmuddelig aus", sagte der Richter. Der Staatsanwalt bestätigte ihn.

Auf einschlägigen Gesundheitsseiten werden Exhibitionisten keineswegs als Personen beschrieben, denen ihr abweichendes Sexualverhalten anzusehen wäre. Im Gegenteil: Exhibitionisten, so heißt es, führten oft ein unscheinbares Leben und passten sich gesellschaftlich übermäßig an. Sie seien sozial integriert, beruflich anerkannt und lebten nicht selten als Familienväter in stabilen Ehen. Einmal erwischt, werden sie von der Gesellschaft als Sexualstraftäter verachtet und verpönt. Exhibitionismus ist eine Straftat, die mit einer Geldstrafe bis hin zu einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet wird. Die Erleichterung des Angeklagten über den Freispruch mochte vor diesem Hintergrund nicht verwundern.

© SZ vom 12.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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