Dachau:Frühstück mit Martin Schulz

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Allzu groß ist der Ansturm im SPD-Abgeordnetenbüro in der Dachauer Altstadt nicht. Die Mehrheit ist nämlich direkt nach Vilshofen gefahren. (Foto: Niels P. Jørgensen)

Die Dachauer Jungsozialisten verfolgen den Politischen Aschermittwoch per Live-Übertragung. Der Kanzlerkandidat begeistert sie.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Es gibt Brezn und Obazdn, dazu selbstgemachte Fleischpflanzerl, Kaffee und Apfelschorle, in einem Bierglas warten SPD-Fähnchen darauf, von begeisterten Genossen geschwenkt zu werden. Die Vorsitzende der Jusos im Landkreis, Anja Güll, hat sich auf zahlreiche Besucher im kleinen Abgeordnetenbüro ihres Vaters Martin Güll eingestellt: Kanzlerkandidat Martin Schulz redet beim Politischen Aschermittwoch der Bayern-SPD in Vilshofen. Wer will kann, sich im Abgeordnetenbüro den Auftritt in einer Live-Übertragung ansehen. "Aus Platzgründen" hatte die Juso-Chefin ausdrücklich vorab um Voranmeldung gebeten. Der Andrang am Mittwochmorgen ist allerdings überschaubar: vier Gäste auf zwei roten Sofas. Ist das der ganze Sturm, den Martin Schulz in Dachau entfesselt?

"Viele Leute müssen jetzt arbeiten", sagt Anja Güll, und aus Dachau und Fürstenfeldbruck sind ja auch etwa 25 SPD-Mitglieder mit dem Bus extra nach Vilshofen gefahren. Ab und an erkennt Anja Güll ein Gesicht beim Kameraschwenk ins Publikum wieder. "Ah, der ist aus Erdweg", ruft sie erfreut. Dem Dachauer SPD-Unterbezirk hat der fantastische Herr Schulz neue Mitstreiter beschert. Seit seiner Nominierung als SPD-Kanzlerkandidat wurden elf Parteibücher ausgegeben, sechs davon an Leute im Juso-Alter. Wer hätte das gedacht.

Julian Rudroff, 25, Student aus Dachau, ist auch wegen Martin Schulz in die SPD eingetreten. Er hat ein Semester im Ausland studiert, überall in Europa hat er Freunde; dass man sich gegenseitig besucht, ist für ihn ganz normal. Aber diese Normalität sieht er zunehmend in Gefahr durch neue politische Strömungen, die Abschottung und Nationalismus wieder salonfähig machen wollen. Dagegen wollte Julian Rudroff etwas unternehmen, und überzeugt von Schulz' "Rolle in der Europapolitik" will er die Weltoffenheit Deutschlands mit der SPD verteidigen.

"Endlich mal ein sympathischer Kandidat"

Wer verstehen will, warum ein 61-Jähriger mit Bart, Halbglatze und Kassengestell bei vielen jungen Leuten den Nimbus eines Popstars hat, muss an die Eingangstür des Abgeordnetenbüros schauen. Dort klebt ein Plakat von Schulz im Stile Barack Obamas, darunter der Slogan "Mega", eine Abkürzung für "Make Europe Great Again" in Anlehnung an Trumps US-Wahlkampfslogan. Das ist natürlich eine ironische Überhöhung, aber nicht nur: Schulz ist für viele der Anti-Trump. Das bräsige Äußere: ein Ausweis von Bodenständigkeit und Ehrlichkeit. "Endlich mal ein sympathischer Kandidat", sagt der 15-jährige Jonas Götz aus Röhrmoos.

Voll des Lobes ist auch Oberbürgermeister Florian Hartmann: "Schulz spricht viele Dinge an, die dringend angesprochen werden müssen", sagt er. Zum Beispiel: Wie gehen wir mit Leuten um, die nach 40 Jahren arbeitslos werden? Die Agenda 2010 finde er "in großen Teilen richtig und wichtig", Korrekturen sei aber notwendig, und Schulz scheue sich nicht, das auch klar auszusprechen. "Wir müssen wieder mehr politische Diskussionen führen und auch zulassen", fordert Hartmann. An Schulz gefällt ihm auch, dass er als Bürgermeister der Kleinstadt Würselen lange Zeit kommunalpolitisch aktiv war. Dadurch kenne er die Alltagssorgen der Menschen: "Die Probleme sind ja überall die gleichen."

© SZ vom 02.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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